Kulturhäppchen
Illustration: Hans-Jörg Brehm

In Darmstadts Fußgängerzonen werden unschuldige Bürger angegriffen. Eine Fahrradgang treibt ihr Unwesen. Doch ein Mann hat den Räderrüpeln den Kampf angesagt, auch wenn dabei das Darmstadtium in Schutt und Asche gelegt werden muss: „Mad Jochen – ein Mann wie aus Atom“. Erdacht hat die kultverdächtige Oberbürgermeisterparodie das Team von „Saturday Night of the Living Dead am Dienstag“ (kurz SNotLDaD), der Early-Late-Night-Show im Schlosskeller. Die Show ist ein Teil der Veranstaltungsreihe „Kulturhäppchen“, die den Darmstädtern nicht nur leichtverdauliche Kulturkost serviert.

In der „Kulturhäppchen“-Reihe kann Darmstadts (Sub-)Kulturszene zeigen, was sie kann. Und das kommt an: Vor Beginn der Early-late-night-Show bilden sich Menschenschlangen vor dem Eingang des Schlosskellers. Alle wollen sicher gehen, einen der knapp 70 bis 80 Plätze zu ergattern. Trashige Kurzfilme, Satire im Sinne des Titanic-Magazins und jede Menge Publikumsbeteiligung sind das Erfolgsrezept der Show. Gerne greift man auch auf – möglichst schlechte – Partyspiele zurück. Garniert wird das Ganze mit der kulinarischen Unterstützung des „Eat-Girls“ Kim Wallau, die zu jeder Show die passenden Speisen serviert. Vor drei Jahren kam die Kultur im Schlosskeller viel zu kurz, fanden Benni Winsel und das damalige Schlosskeller-Team. Also erarbeiteten sie ein Konzept, dass dem Abhilfe schaffen sollte, und starten seither dienstags eine Kulturoffensive. „Wir bieten eine Spielwiese für Kleinkunst, die am Wachsen ist“, fasst Benni zusammen.

Mitmachen erwünscht

Mitmachen darf jeder, der eine gute Idee hat. So entstanden mit der Zeit feste Formate wie das „ReizEnd“, eine Jam Session, die Jazz und Elektro vereint, oder das „Kosmische Bla“. Bei letzterem schreiben sechs kreative Köpfe in 25 Minuten texte zu einem Thema, das vom Publikum gewählt wurde, und stellen diese dann vor. „Immer wieder entstehen neue Ideen“, weiß Simon Wunderer vom Schlosskeller-team, der derzeit für die „Kulturhäppchen“ zuständig ist. Die vielen verschiedenen Veranstaltungen sind je nach Thema mehr oder weniger gut besucht, aber sie sind immer überraschend und kreativ.

Mit den „Kulturhäppchen“ startete auch die Early-Latenight-Show „SnotlDaD“. Mit dem – für eine late-night-Show – recht frühen Beginn um halb neun versucht man auch diejenigen in den Schlosskeller zu locken, die am nächsten Tag arbeiten müssen. „Man geht erst in den Schlosskeller, dort gibt’s die Kultur. Wer will, kann dann noch auf den Kneipenabend ins 603“, erläutert Benni. [Ins 603qm könnt Ihr abends vorerst leider nicht mehr, Anm. d. Red.].

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Foto: Leon Schönberger

Damenbinden und Kunstblut

Die erste „SnotlDaD“-Show war ein Reinfall: Ungefähr zehn Gäste, hauptsächlich Freunde der Mitwirkenden, waren Zeugen des Spektakels. „Damenbinden wurden herumgeworfen und Kunstblut war auch im Spiel. Es war wohl alles in allem ein bisschen zu krass“, erinnert sich Benni. „Für mich war es eines der peinlichsten Erlebnisse in meinem Leben. Kein Gag hat gezündet“, sagt Nesh Vonk. Auch er ist bereits von Anfang an Teil des „Kulturhäppchen“-Teams. Nesh ist der Schöpfer des leicht zu begeisternden Naturforschers „Jürgen Knieling“ und außerdem teil der Mümling-Grumbacher Feuerwehrblueskapelle „Smack the System“, der Band zur Show. „hätte Benni nicht so felsenfest an den Erfolg der Show geglaubt, ich wäre wohl nicht mehr aufgetreten“, bekennt Nesh. Der bisherige Höhepunkt für das „SnotlDaD“-team war die Sommershow im Freien: 150 bis 200 Zuschauer drängten sich in den Schlosshof, verfolgten die Show und wurden gehörig nassgespritzt. Es war Bennis letzter Einsatz als Moderator, er hat sein Philosophie-Studium beendet und macht sich Anfang Februar auf nach Vancouver.

Neue Moderatoren, bewährtes Konzept

Die Moderatoren heißen seit Oktober Axel Röthemeyer und Holger Rößer. Holger kennen die Stammgäste schon seit langem als „Echo-Lotsen“, der skurrile Meldungen aus Darmstadts einziger Tageszeitung vorstellt. Axel moderierte bereits die erste late-night-Show und trat auch sonst immer mal wieder in Erscheinung. Geld bekommt indes niemand für seine Arbeit. „Bezahlt werden wir mit freien Getränken und Müsliriegeln“, scherzt Holger Rößer. Das aber ist dem siebenköpfigen Team herzlich egal. Schließlich geht es hier um etwas anderes – um Kultur – im speziellen Fall: um trashige Spaßkultur.

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