Foto: Sven Möller
Foto: Sven Möller

Um es mal in aller Bescheidenheit zu sagen: Wir sind Weltraum! Okay, zumindest steht seit 1967 auf Darmstädter Boden das europäische Raumflugkontrollzentrum ESOC (European Space Operations Centre) der internationalen Weltraumorganisation ESA (European Space Agency).

Während die ESA mit Sitz in Paris die europäischen Raumfahrtprojekte entwickelt und koordiniert und dabei auch mit anderen Weltraumorganisationen – wie zum Beispiel der NASA – zusammenarbeitet, ist die ESOC sozusagen die Kommando- und Steuerungszentrale für die einzelnen Missionen. Von Darmstadt aus werden die Satelliten überwacht und gelenkt.

Seit der Einweihung durch den damaligen Forschungsminister Gerhard Stoltenberg am 8. September 1967 sind die ESOC-Ingenieure für den Betrieb sämtlicher ESA-Satelliten, für die dazu notwendigen Bodenstationen und für das Kommunikationsnetzwerk verantwortlich. Um die Vorgänge im Raumflugkontrollzentrum ESOC etwas anschaulicher zu machen, soll im Folgenden mal der Weg eines exemplarischen Raumflugkörpers nachvollzogen werden: Die eigentliche Reise eines Satelliten beginnt normalerweise auf dem Rücken einer Trägerrakete vom Typ „Ariane“ auf dem europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana. Vom französischen Überseedepartement im Norden Südamerikas aus geht es direkt ins All. Der Startplatz, nur 500 Kilometer vom Äquator entfernt, bringt durch die Erdrotation bereits eine größere Beschleunigung von 500 Meter pro Sekunde mit sich. Das spart Treibstoff und die geografische Lage erleichtert zudem das Erreichen einer geostationären Umlaufbahn.

Unmittelbar nach der Trennung des Satelliten von der Trägerrakete wird dessen Steuerung vom ESOC-Hauptkontrollzentrum übernommen. Hier wimmelt es natürlich nur so vor Bildschirmen, Computern und furchtbar schlauen Menschen. In dem Hauptkontrollzentrum werden alle Manöver durchgeführt, die den Satelliten in seine endgültige Umlaufbahn bringen. Das Kontrollzentrum steht in ständigem Kontakt mit dem gesamten Bodenstationsnetz der ESA, einem Netzwerk aus 13 Parabolantennen mit bis zu 35 Meter Durchmesser, die über den ganzen Erdball verteilt sind. Diese Antennen spüren das (bekannte) Flugobjekt auf und übermitteln seinen Standort zum ESOC nach Darmstadt. Im Falle von Kursabweichungen können diese von hier aus korrigiert werden. Sobald der Satellit seine vorgesehene Routineflugbahn erreicht hat, wird er von einem sogenannten Nebenkontrollraum übernommen.

Bekannte und erfolgreiche Missionen wie „Huygens“, „Mars Express“, „Giotto“ (diese untersuchte den Halleyschen Kometen), das länger als erwartet arbeitende und immer wieder faszinierende Bilder zur Erde sendende Hubble-Weltraumteleskop (ein Joint Venture mit der NASA) sowie das aktuelle Projekt „Rosetta“ wurden und werden von Darmstadt aus betreut und gesteuert. Aufgrund seiner hoch entwickelten Technik und seiner Spezialisten-Teams ist das ESOC in der Lage, gleichzeitig mehr als zehn Satelliten „in Routine“ – also nach Erreichen der vorgesehenen, regulären Flugbahn – sowie weitere Satelliten in der frühen Startphase zu kontrollieren. Aber auch weltweit beachtete Rettungsaktionen können von Südhessen aus gestartet werden, sollte ein Satellit mal in Schwierigkeiten geraten.

Während der Planungsphase für ein Satellitenprojekt empfiehlt das ESOC geeignete Flug- und Umlaufbahnen. Die Gefahren durch Weltraumschrott – die vielen Tausend Fragmente von Raumfluggeräten, die die Erde umkreisen – werden ebenfalls überwacht. Darüber hinaus fließen die Erfahrungen und Erkenntnisse des ESOC beim Bau eines Satelliten und bei der Wahl der Trägerrakete mit ein.

Das Darmstädter Raumflugkontrollzentrum hat bislang über 50 Satelliten der ESA und ihrer Kooperationsunternehmen operationell betreut; zurzeit richtet sich das Hauptinteresse auf die Sonde „Rosetta“. Sie startete bereits im März 2004 auf einer „Ariane 5“ in Kourou und wird, nach mehrmaligem „Schwungholen“ in der Umlaufbahn der Erde und mit stolzen 48.000 Stundenkilometern im Mai 2014 ihr Ziel, den Kometen „67/p Tschurjumow-Geramisenko“, erreichen, um auf ihm eine Landesonde zur Untersuchung seiner Oberfläche abzusetzen. Eine technisch sehr aufwendige und bisher einmalige Aktion, die auch schon einige kleine Kurskorrekturen erforderte. Aber auf 4,5 Milliarden Kilometern Reise mal ein bisschen vom Weg abzukommen, ist schon in Ordnung, oder?

Seit 1977 wird auch das Wetter von Darmstadt aus kontrolliert – über die Meteosat-Wettersatelliten. Deren Messergebnisse werden von der hier ansässigen EUMETSAT, einer Schwesterorganisation der ESA, ausgewertet und genutzt, um Prognosen für die Klimaentwicklung zu erstellen.

Doch nicht nur seine technische Expertise, das Know-how und das Handling der Satelliten, sondern auch seine Internationalität machen das europäische Raumflugkontrollzentrum ESOC zu einer Darmstädter Besonderheit: aktuell 800 Mitarbeiter sind beschäftigt, davon 250 Angestellte aus den 18 ESA-Mitgliedsländern, der Rest aus der ganzen Welt (China, USA, Indien). Verkehrssprachen sind Englisch – und vor allem Französisch. Das Zusammenkommen und -arbeiten einer solchen Vielzahl von Nationalitäten belebt den Forschergeist und unterstreicht das gemeinsame Arbeiten an dem Ziel, die elementarsten Fragen der Menschheit zu beantworten: „Woher kommen wir? Und wohin gehen wir?“.

 

www.esa.int/About_Us/ESOC