Mathilde
Foto: „Mathilde”

Die Frauenzeitung hat in Darmstadt eine lange Tradition. Bereits in den 1950er Jahren erschien „Die Darmstädterin“, herausgegeben von der vom Nationalsozialismus und dessen Frauenbild geprägten Margarete Dierks. Im Tageszeitungsformat widmete sich das Blatt ausschließlich Hausfrauenthemen wie Mode, Kochrezepten und speziellen Bildungsthemen, das allerdings in ausgezeichneter redaktioneller Qualität. Die „DaDi“, ein deutlich feministischeres Blatt aus den achtziger Jahren, gaben Edeltraud Bauer und Susanne Morgan heraus. In ihre Fußstapfen trat im Winter 1992 die „Mathilde“. Seither trotzt sie allen Krisen und Rotstiftverordnungen, und so erscheint im Juni Ausgabe Nummer 100.

Am Anfang war ein Workshop: Anja Spangenberg, gerade Ende zwanzig, beschloss im Darmstädter Frauenkompetenzzentrum Sefo, einem Weiterbildungszentrum für Frauen, den Kurs „Frauen machen Frauenzeitung“ anzubieten. Sie hatte zuvor einige Jahre für die „LaLiBerta“ in Düsseldorf geschrieben, ein radikal feministisches Blatt. 15 Frauen meldeten sich für den Kurs an und waren gleich Feuer und Flamme. „Das hat so viel Spaß gemacht, dass wir beschlossen haben, gemeinsam eine Zeitschrift zu machen“, erzählt die Mathilde-Redakteurin und ehemalige Stadtverordnete der Fraktion „Die Frauen“, Barbara Obermüller.

Mitte der 90er Jahre war das Interesse für frauenpolitische Themen noch größer. Das Frauenbüro war sehr präsent im Luisenzentrum untergebracht; im Landkreis gab es einige Frauenvereine und -gruppen; die vielen frauenrelevanten Termine ließen den Veranstaltungskalender der Mathilde überquellen. Der feministische Leitgedanke, die Gleichberechtigung zu fördern, trat damals noch deutlich hervor. Heute sieht es jedoch etwas anders aus: „Inwiefern sind Frauen überhaupt noch ein Thema?“, fragt sich Anja Spangenberg heute. In Richtung Oberbürgermeister kritisiert sie: „Walter Hoffmann tut für die Frauen nichts, außer abgesenkte Straßenbahnen einzuführen, damit man mit dem Kinderwagen leichter einsteigen kann, und die Kita-Angebote zu fördern.“ Schon seit längerem habe man darauf aufmerksam gemacht, dass die Jugendförderung nach Geschlechtern aufgeschlüsselt werden müsse, denn zum Beispiel im Sport bekämen die Jungs mehr Zuschüsse als die Mädchen. Eine geschlechtsspezifische Datenerhebung, die den sozialen Ausgleich gewährleiste, sei vom Magistrat nie richtig durchgesetzt worden.

Beide Frauen, Anja Spangenberg und Barbara Obermüller sehen den Feminismus in Deutschland in der Krise. In anderen Ländern sei er positiver besetzt, in Deutschland werde er immer mit Männerhass gleichgesetzt. Möglicherweise vor diesem Hintergrund ist die Mathilde heute weniger vehement als früher. Seit einigen Jahren ist das Symbol der Frau vom Cover verschwunden, die Redaktion besteht nicht nur aus Feministinnen. Das propagierte Ziel ist, über Themen zu schreiben, die alle Frauen interessieren und die in der sonstige Presse nicht behandelt werden. „Wir schreiben für ein weibliches Publikum. Ich verstehe mich selbst nicht als Einpeitscherin für Ideologien“, erklärt Spangenberg.

Jede Ausgabe der Mathilde behandelt einen anderen Schwerpunkt, die Februar-Ausgabe widmete sich dem Thema „Frauen, die bauen“, das aktuelle Heft im März zeigt „Frauen am Puls der Zeit“. Es werden ausschließlich Bücher von Autorinnen besprochen und ein Veranstaltungskalender informiert über Termine, die speziell für Frauen interessant sind. Außerdem werden regelmäßig Existenzgründerinnen vorgestellt, regionale und überregionale Themen behandelt. In der Jubiläumsausgabe im Juni werden die sehr unterschiedliche Frauen – von der Buchhändlerin über die Lyrikerin bis hin zur Professorin – über „Künstlerinnen im öffentlichen Raum“ schreiben.

 

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