„Was mit Medien“ ist eine beliebte Antwort junger Menschen auf die Frage nach ihrem Berufswunsch. Der klassische Weg in die Medienwelt führt häufig über die Schülerzeitung zur freien Mitarbeit bei der Lokalzeitung und wird – je nach Belieben – ausgebaut. Wer das journalistische Schreiben ausprobieren möchte, hat dazu viele Möglichkeiten. Sich in einer Radio-Moderation zu versuchen, scheint dagegen schwieriger zu sein. Scheint! Denn in Darmstadt gibt es seit Februar 1997 tatsächlich einen lokalen Rundfunksender namens – wie sollte es anders sein – „Radio Darmstadt“, abgekürzt: „Radar“.
Radar definiert sich als Bürgerradio im klassischen Sinne – also von Bürgern für Bürger. Bei diesem Sender kann vom Schüler über die Hausfrau bis zum Rentner eigentlich jeder „Radio machen“ – einmalig oder dauerhaft. Markus Lang, Vorstandsmitglied von Radar e.V., dem Trägerverein von Radio Darmstadt mit fast 600 Mitgliedern, betont: „Alle, die mal Radioluft schnuppern wollen, sind willkommen bei uns.“
Ein Blick auf die Webseite und den monatlichen Programmflyer lohnt, denn hier wird die daraus resultierende bunte Mischung deutlich: Es wird über „Recht im Alltag“ aufgeklärt und „Gegen das Vergessen“ des Nationalsozialismus gefunkt; der „Blickpunkt vor Ort“ informiert über das Geschehen in der Stadt, die „Inter- nationale Redaktion“ über die Herkunftsländer zugezogener Heiner, und der sportliche „Lilientreff“ trifft auf den unterhaltenden „Heinerkult“. Hinzu kommt eine Fülle weiterer Sendungen und eine große Bandbreite an ungewöhnlichen Sounds, die von der Musikredaktion abgedeckt wird.
Natürlich wird nicht für jeden jederzeit das Passende gesendet. Um diese Schwierigkeit des Konzepts weiß Vorstandsmitglied Lang: „Wer Radar einschaltet und keinen Gefallen an der laufenden Sendung findet, soll es bitte zu einem anderen Zeitpunkt wieder versuchen und sich nicht von einem vielleicht schlechten ersten Eindruck abschrecken lassen.“ Bei rund 150 Personen, die jeden Monat senden, ist eine gewisse Vielfalt an Themen und Musik automatisch gegeben. Auch qualitative Unterschiede zwischen den Sendungen sind unstreitig vorhanden. Dieses Risiko birgt natürlich immer das Konzept eines offenen Sendezugangs für Laien – man kann es aber ebenso als den ureigenen Charme der Lokalradios deuten, die ohne wirklich vor- gefertigte Parameter funktionieren und sich so angenehm vom formatierten „Dudelfunk“ der Privat-Sender unterscheiden.
Mitmachen ausdrücklich erwünscht
Radar untersteht wie alle Radiostationen in Hessen der Kontrolle der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen). Offener Zugang für alle Interessenten und eine nicht-kommerzielle Ausrichtung des Senders sind die wichtigsten Kriterien für die Vergabe der Sendelizenz und die Förderung durch die LPR. Große Hörermassen müssen die Lokalfunker nicht erreichen. Es geht eher darum, lokale Themen als Schwerpunkt zu berücksichtigen und diejenigen vorrangig zu erreichen, deren Meinungen und Geschmäcker von den Mainstream-Medien nicht mehr abgedeckt werden.
Interessierte finden auf der Internetseite von Radio Darmstadt eine Übersicht zu den einzelnen Redaktionen und Sendungen mit Beschreibungen zu den jeweiligen Inhalten. Sollte in Euch eine Idee für eine interessante Sendung oder der bloße Wunsch des Mitwirkens im Radio schlummern und der Kontakt zur gewünschten Redaktion – per E-Mail, Anruf oder vor Ort im Sendehaus – hergestellt sein, wird der Weg zu einer probeweisen Sendung von der Redaktion geebnet. In einer Grundlagenschulung wird das Einmaleins des Radiomachens vermittelt, wobei vor allem das sichere Beherrschen der Technik im Vordergrund steht. Aber keine Sorge, auch wer schon an der Bedienung seiner Kaffeemaschine verzweifelt, bekommt die Chance, unter Aufsicht seine eigene Sendung erfolgreich zu gestalten. Und mit ein wenig Routine und Disziplin steht dann einem dauerhaften Sendeplatz nichts mehr im Wege.
Ärger im Sendehaus
Zwischenzeitlich gab es aber auch Misstöne inhaltlicher und personeller Art aus dem Radar-Sendehaus zu vernehmen. Gravierende Meinungsverschiedenheiten und Animositäten zwischen einigen aktiven Mitgliedern führten zu einem jahrelangen und mittlerweile wohl unlösbaren Konflikt. Die Hauptversammlungen des Trägervereins erinnerten phasenweise an eine Mischung aus Politkrimi und Provinzposse. Hausverbote und die Abspaltung einer ganzen Redaktion („Alltag und Geschichte“) waren die Folge. Man sah sich vor Gericht. Seit 2007 gibt es von Seiten der rebellischen Redaktion mit der Gründung von „Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt“ den Versuch, einen streitbaren Gegenpart zu Radar aufzubauen. Allerdings bisher mit nur geringem Erfolg, denn die LPR vergibt nur eine Lizenz pro Stadt und diese verbleibt – nach endlosen Schlichtungsversuchen – zumindest bis Ende 2012 auch weiterhin bei Radar.
Die Wogen haben sich seitdem ein wenig geglättet, der Umzug in benachbartes Gebäude am Steubenplatz ist weitgehend bewältigt. Der normale Sendebetrieb in ruhiger Atmosphäre steht wieder im Fokus. Denn das nächste größere On-Air-Ereignis steht bereits an: Das diesjährige Heinerfest wird von Radar im Rahmen eines „Heinerfest-Radios“ begleitet. An allen fünf Heinerfest-Tagen berichtet Radio Darmstadt täglich von 15 bis 23 Uhr live vom Ort des Geschehens. Damit wird an eine gute Tradition angeknüpft, denn schon zwei Jahre vor dem offiziellen Sendestart im Februar 1997 gab es eine erste Live-Berichterstattung vom Heinerfest. Es war die eigentliche Geburtsstunde des Radiomachens in Darmstadt.