Foto: Mathias Hill

Die Frage nach dem Namen wird diesmal gleich als Erstes geklärt: Nein, die vielköpfige Kapelle, die seit über 20 Jahren auf hessischen Bühnen alles wild durcheinander covert, was Groove und Unterhaltungswert hat, heißt nicht „Maladd dans la tête“ – und hieß auch niemals so. Wenn doch, dann stand’s falsch auf dem Plakat. Denn trotz aller Gallophilie der Bandmitglieder Nouki Ehlers, Ina Oschmann, Gyso Hilger, Steffen Stütz, Philipp Rittmannsperger, Wolfgang Ritter, Deniz Atalaş, Moritz Mainusch und Matthias Demmer ist „maladd“ ja ein hessischer Ausdruck, man ist also „krank IM Kopp“ und net „DANS LE Kopp“. Wäre das also geklärt. Und damit machen sich Nouki, Ina und Steffen auf dem P-Sofa bereit für einen Ritt, der quer durch die Bandgeschichte führt – mit besonderem Schwerpunkt auf ihr Fußballalbum „Lilien Lieder“, das sie zusammen mit der Fan- und Förderabteilung des SV Darmstadt 98 aufgenommen und rausgebracht haben.

Klaus Lage „Lass Dir Zeit“

Die neue Single des Mannes, der die Deutschrockhörer der Achtziger tausendmal berührt hat …

Steffen: Element Of Crime?

Nouki: Ach … Hm … Reichel?

Steffen: Stoppok?

Nee … fast die gleiche Generation, vielleicht noch ein bisschen älter.

S: Klaus Lage!

Genau. Ich wollte mal gucken, ob Ihr von den Künstler:innen, die Ihr covert, mehr als ein Lied kennt … [Maladd bringen regelmäßig Klaus Lages Schimanski-Soundtrack-Kracher „Faust auf Faust“ auf die Bühne]

S: Klar – „Monopoly“ kennen wir auch noch. Das wollten wir auch mal covern.

Hm … und warum kam es nicht dazu – trotz des Lilien-Bezugs [Trainer Torsten Lieberknecht hat den SVD in einer Pressekonferenz mal frei nach Klaus Lages Song als „Randfiguren in einem schönen Spiel“, nämlich dem Aufstiegsrennen in die erste Bundesliga, bezeichnet]?

N: Ich fand den Refrain einfach schlecht. Aber „Faust auf Faust“ ist einfach sensationell gut. Wenn ich mal irgendwann ’ne Deutschrockband hab‘, nenn‘ ich die „Randfiguren“. Deutschrock, kritisch, mit Zeigefinger! Und überhaupt: Der Steffen tut hier so, als hätte er den Sänger mühevoll erraten, dabei hat der doch die Single zu Hause liegen!

S: Genau – auf Vinyl …

N: … mit Autogramm und Widmung!

Ina: Zum Thema „Vorbereitung“: Ich hab‘ heut Morgen noch extra das neue Album von Roland Kaiser durchgehört. Man hat mir gesagt, es sei ein Konzeptalbum über Polyamorie … und in der Tat: Wenn man die Songs so hört …

 

Grauzone „Ich lieb‘ sie“

Wir bleiben in den Achtzigern, bei einem zu Herzen gehenden Song der eigenwilligen und kurzlebigen Schweizer Post-Punker.

S: Das ist der TR-808.

Hey … Es geht nicht um den Drumcomputer!

N: Könnte was von Gerald Wrede sein [eigenwilliger und langlebiger Darmstädter Post-Punker], aber dann wär’s nicht so aufgeräumt, sondern es gäb‘ jetzt schon 16 andere Geräusche zu hören. [lacht.]

I: Klingt wie „Eisbär“!

N: Ja, Grauzone! Das sind lauter Songs von Bands, die wir gecovert haben.

Richtig! Wie seid Ihr denn auf das Covern von „Eisbär“ gekommen?

N: Ich bin ja darauf gekommen, weil wir zu Simian Mobile Disco vs. Justice „We Are Your Friends“ und „Rocker“ von Alter Ego ein Medley gemacht haben und die „Eisbär“-Akkorde auf Letzteres passen … na ja … fast!

 

Simian „Never Be Alone”

Womit wir fast beim Thema wären: 2002 spielte James Ford, der heutige Hausproduzent der Arctic Monkeys, noch Schlagzeug in einer Art-Rock-Band – aber nicht lange …

N: Das ist es doch … hmmm … Simian Mobile Disco.

Nicht ganz. Das hier das Original.

N: Ach genau – ohne Disco. Nur Simian Mobile.

Nur Simian, auch ohne Mobile. Die Band hat in den frühen 2000ern so einen Art-Rock-Psych-Sound gespielt, war damit aber nur mäßig erfolgreich und hat sich dann bald aufgelöst. Zwei ihrer Mitglieder haben aber als Fun-DJ-Projekt die „Mobile Disco“ erfunden, waren damit viel erfolgreicher, haben sich selbstständig gemacht und mit den Franzosen von Justice kollaboriert.

N: Aber dieser krasse Bass, der bei der Justice-Version gespielt wird … ist der auf den Tasten gespielt, Steffen?

S: Ja, möglicherweise.

N: Überhaupt, diese ganzen Ed-Banger-Sachen [Ed Banger war ein French-House-Label, das vor allem in den mittleren 2000ern extrem angesagt war] aus dieser Zeit sind geil! Mir ist auch das Konzert von Mr. Oizo im 603qm in bester Erinnerung.

 

Nino Ferrer „Le telefon (version allemande)“

Nino Ferrer, dessen Songs Maladd immer wieder gerne spielen, war ein französischer Beat-Sänger italienischer Abstammung, sang seine Telefon-Single 1967 auch auf Deutsch und ist einer der wenigen, deren bürgerlicher Name eigentlich noch geiler als der Künstlername ist. Wer hieße nicht gerne Nino Agostino Arturo Mario Ferrari?

N: Das klingt nach Nino Ferrer … „Le telefon“ … aber Moment mal, das ist ja … auf Deutsch!

Ja, da gibt es einiges. Es gibt auch sein „Les Cornichons“ auf Deutsch.

N: Das kann nicht sein! … Das Original auf Französisch hab ich mal auf HR4 gehört – keine Ahnung warum, wahrscheinlich war das der einzige Sender, den ich reinbekommen hab. Nino Ferrer ist ja, wie auch Jacques Dutronc, ein Spaßding. In seinem Song „Mirza“ geht es zum Beispiel um seinen Hund. Mirza ist ja ein typischer Hundename. Und damals in den Sechzigern auf einer Promiparty von Brigitte Bardot oder so war der verloren gegangen und Ferrer wollte einfach nur einen Ausruf über die Anlage machen: „Wo ist denn der Hund?“ Und so entstand ein Hit. Ich hab ein Autogramm von ihm, das er meinem Onkel gegeben hat. Der war Schlagzeuger in diversen Beat-Bands in Frankreich und sie haben damals teilweise auf den gleichen Veranstaltungen gespielt. Über meine Familie und über die „French Cuts“-Sampler [eine Samplerreihe mit heißen französischen Beat-Stücken, die um die Jahrtausendwende in München veröffentlicht wurde] hat mich dieser Sound so geflasht. Ferrer hat einen großen Schatz an Musik hinterlassen und die Texte sind auch alle sehr witzig. Zum Beispiel „Les Cornichons“ … da wird aufgezählt, was man alles einpackt fürs Picknick. Und am Ende hat man den Regenschirm vergessen und alles wird wieder eingepackt. Im Grunde ist das ein Kinderlied.

I: Cornichons und Senf – das gibt’s nur bei stilechten französischen Picknicks.

N: Beim hessischen würden der Handkäs‘ und die vergessene Musik den Großteil des Textes ausmachen.

 

Jochen Distelmeyer „Toxic“

2006 kam der ehemalige Blumfeld-Sänger auf die Idee, ein Coveralbum aufzunehmen und Britneys „Toxic“ draufzupacken. Klingt etwas anders als die Maladd-Version …

I: Das ist Jochen Distelmeyer mit … äh … „Toxic“! Das Album, auf dem das drauf ist, kenn‘ ich. Blumfeld ist auch eine der Bands, die ich mit am meisten gesehen habe – das war in den Neunzigern in Marburg aber auch kein Problem …

N: Aber das ist ne richtig gute Coverversion, …

… weil?

N: … weil es einen ganz eigenen Vibe hat und eine eigene Stimmung verbreitet.

I: Ja, er strahlt inzwischen auch so ’ne Freude an der Musik aus. Das hat er früher nicht so, da war das eher so … [guckt verkniffen]

Das Album ist jetzt auch schon sechs Jahre alt, der hat sich ganz schön rar gemacht.

N: Ist auch gut so [hüstel]. Aber das hier ist gut. Das zeigt auch, dass der Song allein schon über seine Akkorde und seinen Text funktioniert.

 

The Melodians „Rivers Of Babylon“

Eins der „Lilien Lieder“ handelt davon, wie in der Oberliga Hessen gekämpft und gesiegt wurde. Bei den Melodians hatten die „Rivers Of Babylon“ 1970 noch einen biblischen Bezug.

Ina [singt]: „Ich werd‘ Dich nie vergessen … Oberliga Hessen!“

N: Das ist das Original. Frank Farian [Mastermind hinter Boney M] hat das ja auch nur gecovert.

S: Ist das nicht ein altes Traditional?

Nein, das ist von The Melodians, einer jamaikanischen Reggae-Gruppe. Übrigens, um auf den Fußballbezug im Text Eurer Version zu kommen: Weder Buchonia Flieden noch Eintracht Wald-Michelbach haben derzeit eine Vereinshymne …

N: … aber dafür spielt jetzt Wattenscheid 09 wieder!

S: Und Buchonia Flieden ist ja wohl in jeder Top Ten der schönsten Fußballverein-Namen vertreten.

Ina [seufzt]: Ach, was ist nur aus diesem Song geworden …

Wart Ihr eigentlich bei der Songauswahl für „Lilien Lieder“ beteiligt?

N: Nein, das haben die Ultras ausgesucht. Aber zwei Songs sind nicht draufgekommen: Einer wäre nur mit Trompete und Percussion gewesen. Und der andere war das mit dieser unsäglich hohen Stimme „Blau-weißeehee Lilien auf grühhüünem Feld“. Viele gucken sich die Fußball-Gesänge der englischen Fans auf Youtube an und denken, sie können das auch. Aber das ist meistens nicht so. Die englischen Fans, die können alle richtig singen: „Luis Suárez, your teeth are offside“ …!

 

Don Fardon „Belfast Boy“

1970 setzte der englische Popstar Don Fardon einem der besten englischen Fußballer aller Zeiten ein Denkmal.

Nouki [beim Einsetzen des fetten Synthie-Basses]: Was ist denn das Schönes?

S: Klingt ein bisschen nach Manfred Mann … Cooler Moog!

Nouki [nach dem Hören des Refrains „Georgie, Georgie, they call you the Belfast Boy“]: Ist das über George Best?

Ja, das ist „Belfast Boy“ von Don Fardon. Bei Fardon war es Best, bei Euch war es Sandro Sirigu: Wann hat ein Fußballer es verdient, seinen eigenen Song zu bekommen?

S: Wenn er Weltfußballer ist – Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel!

N: Nein. Weltfußballer gibt es erst seit 1990 [1991, um genau zu sein]. Der Titel ist eher so ein Marketing-Ding. Nein, die Treue ist das Entscheidende … bei Sandro Sirigu ist es zum Beispiel so, dass er zu seiner Zeit der Spieler war, der am längsten bei den Lilien war. Mal spielte er, mal saß er lange auf der Bank, da gönnte man ihm jeden Einsatz.

S: Aber Charlie Körbel war immer nur bei der Eintracht und hat keinen Song gekriegt.

N: Da sieht man mal – undankbares Pack!

N: Ich hab‘ einfach erfahren, dass es eine kleine Ecke im Block gibt, wo zur Melodie von „Ich wär so gern wie du“ [King Louies Song aus dem „Dschungelbuch“] „Sandro Sirigu“ gesungen wird, und dachte: „Wie geil“! Aber inzwischen, wo er nicht mehr in Darmstadt ist, merkt man schon, dass der Song live etwas verpufft.

 

Jackson Do Pandeiro „O Rei Pelé“

Volkstümlicher und sehr beschwingter brasilianischer Tribut an den kürzlich verstorbenen König aller Fußballer, von 1974.

I [hört aufmerksam zu]: „Pelé“, der Song heißt „Pelé“!

So ähnlich: „Der König Pelé“ … ! Wenn man das hier so hört: Was unterscheidet denn die brasilianische von der deutschen Fußball-Lieder-Kultur?

N: Ganz einfach: Die brasilianische groovt mehr, die deutsche groovt gar net. Und ich seh‘ jetzt einfach auch niemanden in Deutschland, der ein Song über Lothar Matthäus – Weltfußballer immerhin [und zwar der erste, im besagten Jahr 1991] – schreiben würde. Wie würde der auch klingen? „HERZOGENAURACH! RAUMAUSSTATTER! RAUMAUSSTATTER!“

S: Es gibt aber immerhin Norbert Nigbur „44 Beine“ [Disco-Schlager des Schalke-Torwarts, von 1979]. Oder Volksmusik wie Gerd Müllers „Dann macht es Bumm“ [noch mal zehn Jahre früher „Dann macht es Bumm, ja, und dann kracht’s, und jeder weiß: Der Müller macht’s!“].

N: … und Volksmusik ist heute „Ballermann“ und dann wird’s gleich ganz duster!

I: Aber Braydon Manu hat im „Bedouin“ Afro und HipHop aufgelegt – es gäbe also Alternativen!

Habt Ihr noch eine abschließende Botschaft für die P-Leser?

I: Wir seh’n uns uff de Piazza … [wie immer: am Heinerfest-Donnerstag!]

N: … oder im Hoff-Art … [am Samstag, 29.04.]

S: … und in Bern, beim Rückspiel!

 

„Lilien Lieder – Kurvenhits & Balladen vom Böllenfalltor“

Maladd in de tête haben zusammen mit den Fans und Spielern des SV Darmstadt 98 blau-weißes Liedgut aus dem „Bölle“ und dem Auswärtsfahrtenbus mit international bekannten Melodien (von England über Italien bis Chile) vermischt. Entstanden ist ein genial und kreativ arrangiertes und – zumindest für Lilienfans – unverzichtbares, lustiges Tondokument. Zeitlose Bölle-Musikkultur! Der Sampler enthält insgesamt neun Hits, bei denen die Lilienspieler und auch Torsten Lieberknecht tatkräftig mitgewirkt haben. Plus fünf Bölle-Sounds und einem „hidden track“.

Die „Lilien Lieder“ könnt Ihr auf CD (für 22,98 Euro) und digital (18,98 Euro) online bestellen unter shop.sv98.de/zu-hause. Auf Vinyl sollen sie in diesem Frühjahr („vor Saisonende!“) erscheinen – in limitierter Auflage von 298 Exemplaren und für 39,98 Euro.

Win! Win! Das P verlost 1 x „Lilien Lieder“ auf Vinyl! Dazu müsst Ihr nur folgende Frage richtig beantworten:

Wen haben Maladd in de tête noch nicht gecovert?

A: Howard Carpendale

B: Al Bano & Romina Power

C: Roland Kaiser

Schickt uns die richtige Antwort – A, B oder C! – bis 28. Februar 2023 an redaktion@p-verlag.de. Viel Glück!