Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Angelehnt an einen relativ neuen Bau auf dem Campus der Hochschule Darmstadt findet man diesen monströsen und vom Künstler simpel „O“ getauften Ring. Kreisrund und blau ist er und mit einer gewissen Portion Selbstverständlichkeit ausgestattet. Wie ein Fahrrad eben, das man schnell noch an die Hauswand schmiegt, bevor der Spurt in den Vorlesungssaal beginnt. Und tatsächlich könnte es sich um das Rhönrad oder den Hula-Hoop-Reifen eines wirklich großen Studierenden handeln. Allerdings ist dieser Gedanke gleichsam zu naheliegend und zu abstrus und sollte direkt wieder verworfen werden, denn es gibt dringendere Dinge zu durchdenken.

Gemeint ist die himmelschreiende Dreistigkeit, mit der dieser und alle Kreise die Geklärtheit ihrer Verhältnisse präsentieren. In perfekter Gleichmäßigkeit befindet sich jeder Teil des Kreises im stets absolut übereinstimmenden Abstand zum Zentrum. Oder – wie Platon sagen würde: „Rund ist doch wohl das, dessen äußerste Teile überall vom Mittelpunkt aus gleich weit entfernt sind.“ Gibt es irgendetwas, das eine krassere Antithese sein könnte zu dem, was wir Leben nennen? Was für eine bizarre Welt, in der die Menschheit Selbstbewusstsein entwickelt, um sich ins Verhältnis zu allen Dingen zu setzen. Immer zu nah dran oder zu weit weg, von einem Chaos ins nächste stürzend, nur um dann schließlich dem Kreis zu begegnen. In sich ruhend, austariert und eingebildet. Der Kreis, dieser Schönling der Geometrie, gehört geschlagen und verbogen. Noch schlimmer sind nur die Kugeln, seine anstrengend dreidimensionalen Cousins. Sollen sie doch stolz sein auf ihre perfekten Kurven! Spätestens, wenn es an Berührungen geht, kommt unsere klumpige Biomasse im Vergleich auf die Überholspur. Denn wir können uns an mehr als einem Punkt gleichzeitig berühren – und das macht richtig Spaß, Ihr langweiligen Nullen! Puh, das musste mal raus.

 

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.