Foto: Robert Schittko

Oftmals sind Empfehlungen besonders wertvoll, um Neues zu entdecken. Also fragen wir namhafte, kulturaffine Darmstädter nach ihren fünf liebsten Favoriten in drei selbst ausgewählten Kategorien. Diesmal verrät uns Oliver Brunner, seit der Spielzeit 2016/2017 Schauspieldirektor am Staatstheater Darmstadt, seine Top 5.

TOP 5 Texte

Auslöschung. Ein Zerfall. (von Thomas Bernhard/1986): Ein Meisterwerk! Wer den Prosa-Autoren, aber auch den Dramatiker Bernhard liebt, wird hier alles finden. Meine Lieblingssätze: „Die Fotografie ist das größte Verbrechen der Menschheit!“ und „Ich bin der größte Übertreibungskünstler aller Zeiten! Und auch das ist noch untertrieben.“ Thomas Bernhard bedeutet mir viel, sprachlich und in seinem schonungslosen Blick auf die Kunst, die Kirche oder das Dasein allgemein. Ich bin Gründungsmitglied der Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft.

Ilias (von Homer/8. oder 7. Jahrhundert v. Chr.): Ein unerschöpfliches, europäisches Kompendium frühgeschichtlicher Mythen und Erzählungen. Grandios. Vor allem auch in der Hörbuchversion von Rolf Boysen, die ich live in der Allerheiligen-Hofkirche in München miterleben durfte.

Die Welt im Rücken (von Thomas Melle/2016): Egal, ob das ein Roman oder eine biografische Aufzeichnung ist: ein sprachliches Meisterwerk, schonungslos, offen. Melle ist ein bemerkenswerter, zeitgenössischer Autor. Auch als Theaterstück-Autor. Wir spielen noch bis Ende des Jahres „Ännie“ in den Kammerspielen.

Die dritte Kugel (Leo Perutz/1915): Eine historische Fiktion, ein fantastischer Roman. Mein Erstkontakt mit dem zu Unrecht vergessenen jüdischen Autoren Perutz. „Die dritte Kugel“ ist die Geschichte des spanischen Konquistadoren Cortes und der Vernichtung des aztekischen Königs Moctezuma II. Hatte Cortes einen Teufelspakt geschlossen? Wer lenkt die dritte Kugel? Ein spannendes Buch, verbunden mit postkolonialistischen Themen wie Völkerausbeutung und -ausrottung.

Die Geierwally (von Wilhelmine von Hillern/1873): Das Leben der Tirolerin Anna Stainer-Knittel. Ein Berg-Mythos. Eine starke Frau, die sich in einer von Männern beherrschten Bergwelt behauptet. Sehr gut zu lesen und als Theaterstück auch nicht zu verachten.

 

TOP 5 Filme

Blade Runner (Regie: Ridley Scott/1982): Ein Meisterwerk (Cyberpunk-Bewegung). Auch der aktuelle Nachfolger „Blade Runner 2049“ ist sehr zu empfehlen.

In The Mood For Love (Regie: Wong Kar-Wai/2000): Ein Wong-Kar-Wai-Film, der mit einer guten Flasche Rotwein Tränen erzeugen kann …

Das Weiße Band (Regie: Michael Haneke/2009): Michael Hanekes schonungsloser Blick in ein protestantisches Dorf in Deutschland und die Frage nach der nächsten Generation. Bin sehr gespannt auf seinen neuen Film „Happy End“. Sein Film „Funny Games“ ist unerreichbar.

The Hateful Eight (Regie: Quentin Tarantino/2015): Als Kind habe ich „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas verschlungen. Ob Quentin Tarantino dieses Buch einer Rache auch gelesen hat, weiß ich nicht. Tarantino-Filme faszinieren mich.

The Million Dollar Hotel (Regie: Wim Wenders/2000): Anfangs mochte ich keine Filme von Wim Wenders. Viel zu langsam erzählt. Dachte ich. Diesen poetischen, perfekt gemachten Film kann man nicht oft genug sehen.

 

TOP 5 Künstler

Gregor Schneider: Seit meiner Begegnung mit Teilen aus seinem zentralen Kunstwerk „Totes Haus u r“ auf der Biennale in Venedig beobachte ich Schneiders Tun. Toll, dass er auf der Mathildenhöhe ausstellen durfte.

Joseph Beuys: Für mich unerreichbar. Politisch und ästhetisch. Und Darmstadt hat den „Block Beuys“ im Landesmuseum!!

David LaChapelle: Ein faszinierender fotografischer Geschichtenerzähler. Pop.

Thomas Schütte: Für die Documenta IX (1992) schuf Schütte die Figurengruppe „Die Fremden“ für den Portikus des Roten Palais, Friedrichsplatz. Zeitlos, mit fast seherischen Qualitäten. Ich finde Schüttes Arbeiten ehrlich, auch verstörend und gewaltig.

John Bock: Nach meiner Begegnung mit Bock im Rahmen der Theaterarbeit „Zero Hero“ über Kaspar Hauser im Westflügel des Münchner „Haus der Kunst“ (2003) habe ich 2007 in einer Gesamtschau in der Schirn den Filmemacher John Bock kennengelernt. Die Bock-Welt ist urban, schrill, humorvoll und theatral, in seinen Geschichten und der Materialität. John Bock mag ich.