Es war eine Präsenzveranstaltung am Morgen des 24. November 2021, auf die sich Lilly schon lange freute. Stattdessen muss sie eine schockierende Entdeckung am Campus der Hochschule Darmstadt (h_da) machen: Sticker klebten auf Gehwegen, Graffitis mit den Slogans „Impfen nervt“ und „Impfzwang“ waren auf den Boden gesprayt. Für Lilly waren solche Klebe- und Malaktionen nicht unbekannt: „In Frankfurt hatte ich auch schon Schmierereien im gleichen Stil gesehen.“ Lilly ist Referentin der Studierendenvertretung AStA für Antifaschismus an der h_da und hat sich nach dieser Entdeckung mit anderen Studierenden ausgetauscht. Dabei wurde klar, dass sich die Sticker der Darmstädter Gruppe „Querdenken615“ und der bundesweit aktiven Gruppe „Studenten stehen auf“ zuordnen lassen.
Sofort stellte der AStA der h_da sich klar gegen Wissenschaftsfeindlichkeit und die Verbreitung von Verschwörungsideologien: „Wir wollen uns für einen faktenbasierten, solidarischen, gesellschaftlichen Diskurs einsetzen.“ Studierende der h_da riefen zu einer spontanen Protestkundgebung auf. Neben Vertreter:innen der Studierenden nahmen zahlreiche Studierende, Passant:innen und Interessierte teil. Auch „Fridays For Future Darmstadt“ schloss sich der Kundgebung am 27. November 2021 an und mobilisierte über Social Media zur Teilnahme. „Wir haben unsere Anlage mitgebracht und in Zusammenarbeit mit den Student:innen Reden und Musik organisiert“, teilte die Pressestelle mit. Etwas überrascht seien sie von der großen Menge an Teilnehmenden gewesen. „Zu Höchstzeiten waren wir knapp 100 Menschen auf dem Luisenplatz und damit ein Vielfaches mehr als der Querdenken-Protest auf der anderen Seite des Platzes“, erzählte Lilly. Für sie ist eine kritische Auseinandersetzung über den Umgang mit Corona wichtig. Den Frust der Studierenden verstehe sie gut, da viele die Hochschule noch nie von innen gesehen haben. „Doch wird eine Grenze überschritten, die mit Vandalismus und rechten Ideologien einhergeht, dann habe ich kein Verständnis“, sagte die Studentin.
Zwischen Hoffen und Bangen
Die Kundgebung verlief laut Fabia, Asta-Referentin für Vielfalt und Gleichstellung, friedlich. Alle Abstands- und Hygieneregelungen seien eingehalten worden. Trotz des kalten Novemberwetters sei die Stimmung gut gewesen. Die Demo sollte ein Zeichen an alle Menschen sein: „Auch für alle außerhalb der Hochschule war das eine gute Möglichkeit, über die Geschehnisse und den Ursprung der Sticker aufzuklären“, erklärte Fabia. Gemeinsam hatten sie sich für diesen Tag ein Ziel gesetzt: „Wir sind hier und wir sind laut – Wissenschaftsverleugnung und rechte Ideologien haben in Darmstadt keinen Platz.“ Auf gewaltbereiten und rechten Protest würden sich die Studierenden nicht einlassen. Wegen den Schmierereien am Campus sei Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht worden.
Die Angst vor weiterem und zunehmend härterem Vandalismus an der Hochschule ist bei vielen Studierenden da und wächst mit der lauten Diskussion um eine allgemeine Impflicht in diesem Jahr: „Ich denke, dass sie das Gefühl einer Unterdrückung der Ungeimpften noch verstärken würde“, sagte Fabia. Sie könne sich vorstellen, dass es in dieser Entwicklung auch häufiger zu stärkeren Protesten kommen könne und dass auch die Rhetorik schärfer werden würde. Der AStA versucht dagegen für Aufklärung zu sorgen: „Studierende, die Ängste und Zweifel bezüglich der Impfung haben, können sich in der Hochschule auch von uns beraten lassen.“ An der h_da hat es schon mehrere Impfaktionen für Mitarbeitende und Studierende gegeben. Der AStA hält an der Hoffnung fest, dass bald etwas Normalität in die Hochschule zurückkehren wird – wenn sich die Menschen impfen lassen: „Uns ist klar, dass ein normaler Hochschulbetrieb ausschließlich durch eine hohe Impfquote möglich ist. Wir appellieren daher an alle, denen es möglich ist, sich zu impfen.“
asta-hochschule-darmstadt.de und h-da.de/ich-bin-geimpft