Rsaphael Krickow
Foto: Jan Ehlers

Seit dreizehn Jahren mischt das DJ-Team The Disco Boys mit seinem Mix aus House, Elektro und Disco-Klassikern die Dance-Szene auf, und ein Ende der Begeisterung der Massen ist auch zur Veröffentlichung ihres bereits neunten Albums nicht in Sicht. Wir sprachen mit Raphael Krickow, einem der beiden The Disco Boys, der ursprünglich aus Darmstadt kommt, jahrelang in Hamburg lebte und nun wieder in seine Heimat zurückgekehrt ist. Und erfuhren Interessantes über die Lebensqualität in einer Großstadt und das Geheimnis erfolgreichen Deejayings.

 

P: Das Konzept, Disco-Klassiker mit modernen Housebeats zu mixen, wurde mittlerweile oft kopiert. Ihr wart aber die Ersten – wie kamt Ihr damals auf die Idee?

Raphael: Wir haben ja damals zu einer Zeit angefangen aufzulegen, als House ein reines Schwulenthema war, von anderen Leuten wurde das überhaupt nicht gehört. Und neben House gab es im Dancebereich damals nur noch Techno und Trance, was ich schon zu dieser Zeit furchtbar fand. Aus diesem Grund habe ich damals mit Gordon zusammen angefangen, Musik für Leute zu machen, die in einem Club wieder richtig feiern und Spaß haben wollen. Es ging uns nicht um’s Coolsein oder Provozieren, sondern der reine Spaß an der Musik stand für uns im Vordergrund. Unsere Idee ist damals also aus einer Leidenschaft entstanden, und nicht aus dem Gedanken heraus, damit Geld zu verdienen und erfolgreich sein zu wollen. Das macht vielleicht den Unterschied aus zwischen uns und den anderen.

Das erklärt wahrscheinlich auch, warum andere mit dem gleichen Konzept nicht so erfolgreich sind wie Ihr. Gibt es Deiner Meinung nach noch andere Gründe dafür?

Mehrere. Zum einen machen wir das ja schließlich schon lange genug, und die ersten fünf Jahre auch, ohne Geld damit zu verdienen. Wir machen das wie gesagt auch aus einer Leidenschaft heraus und nicht wie viele andere, um persönliche Defizite zu kompensieren. Was bei diesen Leuten verständlich sein mag, aber auch leider immer auf Kosten der Inhalte geschieht. Kurz gesagt: Viele DJs sind DJs, weil sie nichts anderes können und sich hierüber Anerkennung verschaffen – die wissen aber eigentlich gar nicht, was sie da überhaupt genau machen. Das ist nicht sehr überlebensfähig, denn da spielt die Psyche dann irgendwann nicht mehr mit. Auch bei uns gehört eine ordentliche Portion Profilneurose dazu, trotzdem war unsere Triebfeder immer die Leidenschaft zu dieser Musik. Ein anderer Punkt: Wir wollen dem Gast etwas geben, wir wollen ihn unterhalten und teilhaben lassen. Wir setzen ihm nicht irgendetwas vor, nach dem Motto „Friss oder stirb“. Daraus ist ja dann auch die fast schon konzertartige Situation an unseren Abenden entstanden.

Zum Konzept gehört aber auch eine geschickte Marketingstrategie, die ganz bewusst ein bestimmtes Image pflegt, nämlich eben das des Entertainers und Popstars. Kommt Dir da Dein eigentlicher Beruf als Art Director zugute?

Einerseits sehr, weil ich die Mechanismen der Pop- und Konsumwelt kenne. Ich weiß, wie ich ein Produkt vermarkten muss, so dass es der Konsument auch versteht und kauft. Auf der anderen Seite wurde mir als DJ schnell klar, dass ich diesen Marketingjob nie wieder machen möchte. Es kann einem ja an sich nichts Besseres passieren, als ein Produkt selbst zu entwicklen und es dann selbst zu vermarkten, so wie wir das machen. Etwas Authentischeres kann es ja für den Konsumenten gar nicht geben, denn ich erkläre dem Kunden nicht etwas, was ich eigentlich nicht kenne oder von dem ich nicht überzeugt bin. Aber genau das habe ich jahrelang vor meinem Job als DJ gemacht. Das, was Du bei den Disco Boys eine geschickte Marketingstrategie nennst, ist also eigentlich reiner Zufall.

Ursprünglich kommst Du aus Darmstadt, bist also ein Heiner. Zwischendurch hat es Dich für lange Zeit nach Hamburg verschlagen. Nun bist Du aber zurück nach Darmstadt gezogen, und auch Euer Label „Superstar Recordings“ sitzt neuerdings hier in Mühltal. Ist es als Popstar nicht bequemer, in einer Großstadt wie Hamburg zu leben, wo die Musikszene stärker vertreten ist?

Nein. Im Gegenteil! Ein Großstädter kann sich ja generell nicht vorstellen, dass man in einer Stadt wie Darmstadt überhaupt leben kann, dass es hier so was wie Lebensqualität gibt. Wenn man aber wie ich 17 Jahre in Hamburg gelebt hat, kommt irgendwann die Ernüchterung, dass eine solche Großstadt nicht das einlöst, was sie Dir zu versprechen scheint. Hamburg ist nach wie vor für mich die beste Stadt der Welt, aber sie ist auch ein Mythos, der sehr wenig mit der Realität zu tun hat. Und durch den größeren Wettbewerb in den Großstädten muss man viel mehr um Äußerlichkeiten kämpfen, man investiert also viel mehr Zeit und Geld in Dinge, die im Grunde wertlos und unwichtig sind. In Hamburg strömen ständig Informationen auf Dich ein, die Dich nur von Dir selbst ablenken. Hamburg möchte glamourös und cool sein, doch wonach ich mich in meinem Leben sehne, ist Normalität. Die bewusste Entscheidung, wieder nach Darmstadt zu ziehen, habe ich also nie bereut.

Du hast den direkten Vergleich: Was hat Darmstadt zu bieten, was Hamburg definitiv nicht hat?

Raphael (lacht): Darmstadt ist überschaubar. Im positiven Sinne. In Hamburg kannst Du ein Jahr lang jeden Abend ausgehen und niemanden zweimal treffen. Du rennst also der Illusion hinterher, eine Großstadt irgendwann zu kennen, Du kennst sie aber niemals wirklich, dafür ist sie einfach zu groß.

Was ist das Besondere am neuen Disco Boys-Album „Der blaue Planet“?

Das Album hat fünf Eigenkompositionen, so viele wie noch nie. Eine davon ist gemeinsam mit Midge Ure produziert (unter anderem Mitglied der Achtziger-Jahre-New-Wave-Bands „Ultravox“ und „Visage“, Anm. d. Red.), der in seinem Heimatland auch heute noch ein Star ist. Wir glauben, dass das Album deshalb auch gerade in England auf großes Interesse stoßen wird.

Wie lange kann man das Konzept von The Disco Boys noch ausreizen und was kommt danach?

Ursprünglich wollten wir das nur zwei Jahre machen und dann was anderes anfangen. Dann wurden wir aber vom Erfolg überrascht und davon, was für einen Spaß uns das alles gemacht hat und wie unsere Musik angenommen wurde. Ich kann Dir also überhaupt nicht sagen, wie lange das noch weitergehen wird. Wir setzen aber darauf, dass nicht der Konsument entscheidet, wann die Disco Boys aufhören werden, sondern wir selbst.

Vielen Dank für das Gespräch.