Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers
Seit 2006 gibt es in Darmstadt eine Band, die Teile der P-Redaktion mehr und mehr begeistert. Ihr teils rasanter, aber doch sehr eingängiger Emo-Punk versprüht eine so mitreißende Dynamik, dass sich mittlerweile schon Fans aus Malaysia und Kanada meldeten. Dabei gestaltet sich das Bandleben und Proben nicht so einfach, da Schlagzeuger Nicolai Hildebrandt mit seiner anderen Band Okta Logue mittlerweile bei einem richtig großen Label (Columbia) gelandet ist und weltweit Konzerte spielt. Seine Kollegen David Curlott (Bass) und Christoph Forchheim (Guitar) haben sich damit aber arrangiert. Und die gute Resonanz auf ihr neues Album „Satisfied with less“ verspricht neue Perspektiven. Das Interview aber beginnt mit einem journalistischen Desaster, denn erst nach einer Viertelstunde fällt dem depperten Redakteur auf, dass …

[das P werkelt am Aufnahmegerät]: Verdammt, das Mistding zeichnet nichts auf.

Nicolai: Hattest Du das Gerät überhaupt eingeschaltet?

[das P erblasst]: … hmm … trotzdem Mistding …

David: Was kann das Gerät dafür, wenn Du es nicht einschaltest?

[das P notiert: Jetzt schon frech, die Jungs. Kann ja heiter werden. Die ersten Minuten daher als Gedächtnisprotokoll…]
Wann ging es los mit den Rollergirls?

N: Christoph kenne ich schon seit der Schule. Mit ihm mache ich seit 2004 Musik unter verschiedenen Bandnamen. Eins unserer ersten Konzerte war zusammen mit Kackophonia und Casketnail, das weiß ich noch. Die Rollergirls selbst gibt es in unterschiedlicher Besetzung seit etwa 2009, anfänglich als Screamo-Band, also mit ziemlich hartem Sound. Als Benno Herz [heute Sänger/Bassist von Okta Logue, Anm. d. Red.] dazu stieß, machten wir dann eher Instrumental-Rock. Erst mit Dave am Bass und Gesang tendierten wir so ab 2012 zu dem jetzigen Emo-Pop-Punk.

Wie entstehen die Songs und Texte? Besondere Einflüsse durch andere Bands?

Chris: Eigentlich nicht, bei mir ist aber gerade das Problem, dass ich dauernd so einen Rvivr-Sound im Kopf habe [Rvivr ist eine Punkrockband aus Olympia, Washington; Anm. d. Red.].

D: Meist wird gejammt und man hört, was sich ergibt. Und dann Texte zu Melodien, die wir bereits hatten. Man merkt aber schon, wie sich durch äußere Einflüsse auch unsere Musik verändert hat.

N: Wir versuchen aber immer, eine ganz eigene Note zu entwickeln.

Matin [Nawabi, der ebenfalls anwesende Labelchef von „Fear of Heights“ (siehe P-Ausgabe 60) mischt sich ein]: Das gab mir neulich auch einer als Feedback, dass man zwar raushört, was da alles miteinfließt, es aber nicht wie der übliche Emo-Pop-Punk klänge. Nicht so wie die ganzen Yo Yo Records-Sachen, die sich schon alle ziemlich gleich anhören.

N: Alles so straighter Punkrock, immer gleiches Tempo, ziemlich geschrammelt. Wir machen da eher eine Art Twinkle-Emo …

Klingt wie eine neu entdeckte Tierart?

N [irritiert]: Na, so Zupfgitarren-Emo eben. [an seine Bandkollegen gerichtet] Und ich würde in Zukunft gerne auf so Singalong-Refrains verzichten …

C [lacht]: Ich bin eher so ein „„Woa-Woa-Woaw“-Typ im Refrain und der Nic macht sich immer drüber lustig.

Nic, hat Deine andere Band Okta Louge irgendeinen Einfluss auf Euren Sound? Du spielst dort ja nicht Schlagzeug, sondern Keyboards.

N: Eigentlich gar nicht. Ich trenn das ganz klar. Mit den Rollergirls habe ich ja auch weit früher angefangen. Fühle mich da auch musikalisch etwas mehr zuhause. Kann aber schon sein, dass mir straighter Punkrock dadurch auf Dauer etwas zu stumpf ist.

Gibt es Deine andere Band Sarg eigentlich noch?

N [geheimnisvoll]: Sarg wurde nie aufgelöst. Wir wollen mal wieder proben. Ergebnis offen, weil einer mittlerweile in Berlin wohnt.

D: Ich spiele neuerdings übrigens auch solo unter dem Namen „Gravity Works Fine“. Eher so Singersongwriter-Punkrock. Bin ja musikalisch nicht so crazy drauf wie die anderen. Bin damit noch nicht ganz zufrieden, nähere mich aber dem Thema an.

M [ironisch]: Ich bring Dich ganz groß raus.

C: Und ich hab mit dem Nic noch ein professionelles Spaßprojekt namens „Don Giovannis Super Ich“.

N: Kann man aber eher schon Kabarett nennen.

Proben ist ja sicher kompliziert, weil Nic oft auf Tour ist mit Okta Logue.

N: Letztes Jahr war heftig, weil ich das zweite Halbjahr fast dauernd unterwegs war. Bei Okta Logue steht ein großes Label dahinter, da bin ich in der Pflicht. Das hat dann schon Vorrang. Das ist dieses Jahr aber nicht so schlimm. Es wird aber sicher ein paar Festivals-Termine im Sommer geben.

Gibt es für die Rollergirls den Festivaltermine?

D [ironisch]: Klar, Melt, Hurricane, Rock am Ring mit den Böhsen Onkelz …

Wacken vielleicht auch?

C [grinst]: Boah, Wacken wär geil!

Wie und wann entstand das Album „Satisfied with less“?

N: Es gab ja vorher 2012 unsere EP mit vier Songs als eine Art Demo. Daraus sollte das neue Album entstehen. Die Soundqualität gefiel uns aber später nicht mehr, so dass wir im Sommer 2013 fürs Album alles neu aufnahmen. Und neue Songs natürlich. Alles im Proberaum und hier in Daves WG-Zimmer aufgenommen. Nur gemastert wurde es in England.

[An Matin gewandt]: Hast Du das als Labelchef organisiert?

M: Nö, das haben alles die Girls gemacht.

Du nennst sie „die Girls“?

M: Ja klar, schau sie Dir doch an.

Euer Bandname führt ja auch erstmal auf eine falsche Fährte.

D: Stimmt, viele sind immer überrascht, dass wir Frauen mit Bärten sind.

Ging mir auch so. Ich war auch ein bisschen enttäuscht deshalb. Es gibt ja dafür jetzt in Darmstadt das „Riot Rollers“-Team, das demnächst richtige Wettkämpfe bestreiten wird. Ist da mal was Gemeinsames geplant?

N: Könnte man ja mal ein Video draus machen. Da fehlt uns bisher nämlich eine zündende Idee.

D: Wir hießen auf alle Fälle Rollergirls schon weit vor dem Hollywood-Film mit Cameron Diaz [„Roller Girl – Manchmal ist die schiefe Bahn der richtige Weg“ aus dem Jahr 2009].

War es von Anfang an geplant, die Platte über Matins Label Fear of Heights zu veröffentlichen?

C [grinst]: Hmm, frage ich mich auch grade. Nein, eigentlich wollten wir sogar ein eigenes Label machen, aber sind letztlich doch zu faul gewesen. Und da der Matin immer nachfragte, schien er ja auch sehr motiviert zu sein.

M: Zwei Drittel der Vinyl-Auflage von 300 Platten ist auch schon weg seit der Veröffentlichung im November. Läuft also gut. Mal sehen, wie schnell die letzten 100 Stück weggehen.

N: Der erste große Anlauf ist zwar vorbei, aber bei Konzerten verkaufen wir immer recht gut.

M: Bei der Presse ging es – bis auf ein paar Blogs und was Kleines in der „Visions“ – leider eher unter, obwohl ich da kräftig bemustert habe. Das ist immer schade. Das Video von der Tour haben dann aber alle kräftig verlinkt. Das hat noch mal Aufmerksamkeit gebracht.

N [beäugt das P schief]: Presseleute ticken echt immer seltsam. Läuft das Gerät eigentlich noch?!

Werd nicht frech, sonst lösch ich Deine Passagen. Das Video ist aber wirklich sehr gelungen. Es zeigt die ganzen Auftrittsorte Eurer letzten Tour in einem kurzen Zusammenschnitt. Meist ganz kleine Clubs oder gar WGs.

N: Ja, die Tour war klasse. Es war klar, dass wir noch nicht in größere Clubs gebucht werden, aber durch die Vernetzung in der großen DIY-Szene [DIY = Do It Yourself] kriegten wir eine kleine, aber sehr spaßige Tour zusammen.

D: Gerade auf dieses WG-Konzert hatten wir uns sehr gefreut, weil alles so hautnah passiert.

[an Nic gerichtet]: Das ist ja auch ein Riesenkontrast zu den mittlerweile großen Hallen, die Du mit Okta Logue bespielst.

N: Auf alle Fälle. Mit so kleinen Konzerten bin ich ja groß geworden. Das ist viel persönlicher und die Leute, die das Konzert veranstalten, machen das, weil sie Bock drauf haben, und nicht wegen der Kohle. Denn verdienen kann man da nichts. Aber es entstehen viele neue Freundschaften. Das ist viel mehr wert.

Klappte denn alles wie gewünscht auf der Tour?

D: Wir hatten mal einen ziemlich seltsamen Anhalter mitgenommen. Da hatte ich irgendwie Bammel … [rümpft die Nase] … und wir durften in Wiesbaden nicht in die Therme, weil unsere Handtücher zu klein waren.

C: Nee, weil wir uns für den Saunabereich nicht nackig machen wollten. Dafür waren wir noch nicht lange genug unterwegs, um alle Hemmungen sausen zu lassen. Aber Thermen gehören künftig fest zu unserem Tourplan.

D: Eine reine Thermen-Tour wäre geil.

N: Und unser Tourbus gab kurz vor Köln den Geist auf. Der Turbolader war geplatzt. Zum Glück war ich zehn Tage vorher ADAC-Mitglied geworden. Der hat uns den Arsch gerettet.

Ui, mal was Gutes über den ADAC.

N: Das war extrem witzig, weil der ADAC-Typ ein paar Wochen vorher als Tour-Fahrer für die US-Rockband Band of Horses [sehr gute Band] unterwegs war und uns gleich ein paar Geschichten erzählen konnte. Der war also gleich auf unserer Wellenlänge.

C [lacht]: Und im Bus haben wir oft das Dieter-Bohlen-Hörbuch gehört. Das war auch sehr prägend.

Wann geht es wieder auf die Autobahn?

N: Erstmal nur Wochenende-Shows.

D: Ich würd ja gern mal bei so einem richtigen Punk-Open-Air spielen.

M: Die können aber auch schnell nerven, wenn da 20 Bands spielen, die keinen interessieren.

N: Und am Ende die langweiligen Emil Bulls als Headliner …

Meinst Du das Nonstock?

N: Haben die da auch gespielt? Äh … ich hab nix gesagt. Geschmackssache.

C: Support für Metallica wäre genau meine Liga.

N: Eher Gnarwolves aus den USA [Skate-Punk; Anm. d. Red.]. Die gehen gerade ziemlich durch die Decke.

D: Ich hätte ja saugern bei der US-Band „The World is a Beautiful Place & I am No Longer Afraid to Die“ am 15. April in der „Villa“ mitgespielt [siehe Favorit auf Seite 8]. Seit Jahren eine meiner Lieblingsband, aber … [verächtlicher Seitenblick zu Chris]

C: Jajaja, ich kann da beruflich nicht und kriege das Genöhle jetzt dauernd ab.

[Der P-Fotograf Jan „Nouki“ Ehlers erscheint und ist sofort Mittelpunkt des Universums]: Was machen wir als Motiv?

[das P lacht]: Wie wäre es mit Rollergirls auf Rollschuhen?

Nouki [genervt]: Versteh das Wortspiel nicht.

[eingeschüchtert]: Eija, weil …

Nouki: Lass es, es wird nicht besser.

Aber vielleicht was im Bett? So mit Knuddeln und so.

Nouki: Ich hatte zumindest noch keine Band, die sich nackig gemacht hat.

D [zieht spontan das T-Shirt aus]: Eija.

Nouki: Du Nymphoman hast anscheinend nur auf das Stichwort gewartet. Okay, Jungs, ins Bett – aber nicht fummeln.
 

Rollergirls live!

Konzert:
Caves (England) & Rollergirls (DA)
Oetinger Villa (Kranichsteinerstraße 81) | Mi, 23.04. | 21.30 Uhr | 6 bis 8 Euro (Du entscheidest)

Radio:
The Punkrock Show mit David und Matin jeweils am zweiten Sonntag im Monat von 21 bis 23 Uhr auf 103,4 Mhz oder im Stream auf www.radio-darmstadt.de
 

Win! Win! Das P verlost 2 T-Shirts und 2 CDs der Rollergirls HIER!
 

Weitere Infos auf:
www.rollergirls.bandcamp.com
www.facebook.com/rollergrrrls

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