Foto: Nouki

Das Underground-Kollektiv Southside Beleş Boys (kurz: SBB), bestehend aus Jovan (20), Fabinho (21), Nino85 (20) und Bendzo (20), ist eine enge Freundesgruppe, die in Bessungen und Eberstadt aufgewachsen ist – waschechte Süddarmstädter also. Die vier Jungs tragen mit ihrem Output – seit ihrer Kollektivgründung im Dezember 2023 mehr denn je – dazu bei, die lokale Rap-Szene peu á peu auf den Kopf zu stellen. Zusammen will das südhessische Rap-Kollektiv fester Bestandteil der Deutschrap-Szene werden und in Zukunft auf noch größeren Bühnen stehen. Ganz nach Biggies Motto „Sky ’s the limit“. SBB sind jedoch nicht ohne Grund so ambitioniert, denn ihre Musik – samt Musikvideos, Live-Auftritten und Vlogs – kommt gut an: Jovan hat mit seinem im August veröffentlichten Musikvideo „Musiala Freestyle“ bereits knapp 50.000 Aufrufe auf Youtube, bei Spotify kratzt er gerade an der Marke von 30.000 monatlichen Hörer:innen. Fabinho veröffentlichte 2023 sein Debüt-Mixtape „360°“ auf Spotify und bei Nino85 kann man nach der kürzlich erschienenen Single „Heiß“ bald weitere Songs erwarten. Das P hat sich mit der Underground-Rap-Crew getroffen und unter anderem über ihren Auftritt als Voract des US-Rappers Rich the Kid, über authentische Musik sowie über Heimatliebe und Stadtkultur gesprochen.

Woher kennt Ihr Euch untereinander und wie kam es zur Gründung von SBB?

Nino85: Es hat sich über die Zeit alles mehr oder weniger ergeben. Ich kenne Jovan schon echt lang, seit dem Kindergarten. Wir waren dann auch gemeinsam auf der Schule und sind vor allem in der Oberstufe enger geworden. Da bin ich dann in seine Freundesgruppe gerutscht, in der auch Bendzo schon Teil von war – und kurze Zeit später auch Fabinho. Viele in der Gruppe haben Musik gemacht und dann kam es ziemlich fließend, dass wir einfach zusammen gefreestylet haben. Es hat echt Bock gemacht. 2022 gab es SBB dann sozusagen schon inoffiziell.

Was heißt inoffiziell?

Bendzo: Also der Name stand erst mal einfach im Raum. Wir haben gemerkt, dass wir ähnliche Interessen haben und dass wir alle irgendwas mit Musik am Hut haben. Die Idee, eine feste Gruppe daraus zu machen, stand schon vor über zwei Jahren im Raum, bevor wir letztes Jahr das erste Mal als Kollektiv auf der Bühne standen.

Nino85: Der Name kam auch ziemlich fließend. Wir haben uns eher aus Spaß Southside Beleş Boys (SBB) genannt. Beleş heißt [aus dem Türkischen] übersetzt: gratis. Wenn die Taschen leer sind, dann wäre es natürlich cool, was auf Beleş zu bekommen. Wir waren die ganze Zeit broke und dann war unser Name erst mal eher so auf Joke-Basis [Anm. d. Red.: … auch der Datterich findet: cooler Joke!].

Ihr seid alle in den südlichen Teilen Darmstadts aufgewachsen. Steht Southside also für Eure Heimatviertel?

Fabinho: Southside steht generell für unsere Heimat. Es beschreibt ganz gut, von wo wir herkommen – Süddarmstadt, Südhessen, Süddeutschland … Aber generell möchten wir eher Südhessen verkörpern als die einzelnen Viertel.

Nino85: So klein wie Darmstadt ist, repräsentiert man automatisch die ganze Stadt. Wir sind Heiner im Herzen [lacht]. Aber das macht Darmstadt auch einfach geil. Man kennt sich hier gegenseitig und deswegen ist hier auch so eine nette Atmosphäre.

Wie kamt Ihr dann dazu, SBB als Kollektiv offiziell zu gründen?

Bendzo: Wir haben vor allen Dingen gemerkt, dass man gemeinsam als Gruppe Projekte ganz anders angehen kann. Auch öffentliche Projekte wie Auftritte zum Beispiel sind viel einfacher umzusetzen, weil eine Gruppe zu mehr imstande ist. Als wir dann letztes Jahr am 13. Dezember in der „Frischzelle“ das erste Mal als SBB aufgetreten sind, war das der Startschuss für uns: Zum Neujahr hin hatten wir dann richtig Gas gegeben mit Releases, Auftritten und dergleichen.

„Es geht uns ganz viel um Heimatliebe und um die Kultur.“

Fabinho, Du hast letztes Jahr auch Dein erstes Mixtape „360°“ veröffentlicht. Welches Feedback gab es, würdest Du aus heutiger Sicht gerne etwas an diesem Mixtape verändern?

Fabinho: Ich habe durchweg positives Feedback bekommen, soweit ich mich erinnern kann, aber es hat jetzt auch keine großen Wellen geschlagen oder so. Es war vielmehr ein persönliches Projekt, das mehr oder weniger aus dem Nichts entstanden ist. Ich habe alles auf das Mixtape draufgenommen, was mir zu dem Zeitpunkt wirklich gut gefallen hat. Es entstand in Kollaboration mit Young C, meinem damaligen Producer, der mir wirklich sehr viel beigebracht hat, was Produktion angeht. Ob ich heute was anders machen würde, weiß ich nicht genau. Bestimmt gibt es den einen oder anderen Song, mit dem ich heute nicht mehr so crazy d‘accord bin. Aber für die Zeit damals war es voll in Ordnung, man entwickelt sich ja weiter.

Du trägst gerne Trikots in Deinen Musikvideos und auf der Bühne. Sitzen die einfach gut oder möchtest Du damit irgendein Statement setzen?

Fabinho: Ich bin großer Fußballfan, auf jeden Fall. Ich habe Fußball gespielt, bis ich 17 oder 18 war – Shoutouts an die Germania Eberstadt. Ich habe auch eine große Liebe für Manchester United, läuft aber nicht mehr so gut seit ein paar Jahren … Machst du nix, ja.

Jovan, Du rappst in Deinem Song „B.A.N.K.“ von „Voicecracks auf der Bühne“ und beschreibst Dich selbst als „POC mit Bierbauch“. Man merkt, dass Du Dich als Rapper selbst nicht zu ernst nehmen willst. Würdest Du sagen, diese Lines sind das, was Deine Musik so authentisch macht?

Jovan: Als dieser Song entstanden ist, war ich in einer Phase, in der ich ein ganz bestimmtes Ziel hatte, wie ich in meiner Musik klingen möchte. Da hatte ich den Eminem-Vibe sehr gefühlt, weil er immer total Bock hatte, die Welt abzuf*cken, komische Lines zu bringen und sich auch über sich selbst lustig zu machen. Viele in der Rap-Szene gucken auch immer so böse, das nervt mich irgendwie. Deswegen wollte ich bisschen Humor mit einbringen, weil das auch Teil meines Charakters ist. Ich mache gerne mal Jokes über mich selbst.

Im gleichen Song rappst Du über „Richards“, die das N-Wort mitrappen. Warum ist es Dir wichtig, über soziale Ungleichheiten und Alltagsrassimus zu rappen?

Jovan: Das ist für mich essenziell, denn meine Musik ist ein Spiegel meiner Realität. Ich halte es für absolut wichtig, dass jeder die Freiheit haben sollte, über seine eigene Realität reden zu können. Musik ist ein echt gutes Ventil, um mit der Außenwelt zu sprechen – gerade was gesellschaftliche Themen angeht. Insbesondere bei der derzeitigen rechten Bewegung in Deutschland, ist es mir wichtig, mich zu positionieren und ein klares Statement zu setzen.

Mitte September durftet Ihr als Voract von Rich the Kid auf dem Messegelände in Frankfurt auftreten. In der Rap-Szene ist der eine Größe. Wie war es für Euch, da auf der Bühne zu stehen? Wart Ihr aufgeregter als sonst?

Nino85: Wir waren auf jeden Fall aufgeregt, wahrscheinlich auch mehr als sonst. Das Messegelände ist ja auch riesig und wir kannten uns nicht aus. Wir hatten da echt Zeitdruck und die Nervosität war dementsprechend noch höher. Im Endeffekt ist man vor einem Konzert aber immer in so einem Tunnelblick, ich persönlich blende da viel aus. Erst nach dem Auftritt fällt der Druck richtig ab und ich kann auch dann erst normal mit Leuten interagieren. Weil das bei mir immer so ist, finde ich es trotzdem schwer zu sagen, ob es beim Rich-the-Kid-Konzert wirklich anders als sonst war. Es war aber auf jeden Fall ein besonderes Gefühl, auf einer so großen Bühne zu stehen. Das war wirklich verrückt, schon beinahe surreal.

Nino, Du hast vor Kurzem Deine Single „Heiß“ gedroppt. Kann man bei Dir in näherer Zukunft auch ein Mixtape oder eine EP erwarten?

Nino85: Auf jeden Fall kann man erst mal noch eine Single erwarten, aber auf längere Sicht steht definitiv ein Tape an. Mit Corius, einem Producer, mit dem wir schon eine ganze Zeit zusammen Musik gemacht haben. Wir haben uns sehr viel ausprobiert in verschiedenste Richtungen. Alle möglichen Soundbilder sind vertreten, von Boom Bap über wirklich außergewöhnlichen Trap – da ist wirklich alles dabei. Deswegen bin ich da sehr heiß darauf, das rauszubringen. Weil aber privat gerade auch Zeit des Umbruchs ist mit Studiumbeginn und Umzug, muss ich noch schauen, wann es genau kommt. Ich will noch nichts fest ankündigen, aber ein Tape existiert.

Bendzo, Du produzierst nicht so viel Musik wie die anderen, bist aber auch bei einem Feature vertreten. Welche Rolle nimmst Du im Kollektiv ein?

Bendzo: Ich übernehme die Managerrolle. Das hat sich auch mehr oder weniger organisch gebildet. Tatsächlich habe ich früher auch Musik gemacht, auch gemeinsam mit Jovan. Musik hat auf jeden Fall auch für mich eine Rolle gespielt. Mittlerweile sind aber meine Prioritäten woanders. Ich bin viel in der Fotografie und Videografie tätig und habe die einen oder anderen Covers für Singles und Tapes geschossen. Auch mehrere Musikvideos habe ich produziert und alle Vlogs auf unserem Youtube-Kanal habe ich gedreht und geschnitten.

Wie sieht der kreative Prozess hinter den Musikvideos aus? Plant Ihr die Videos gemeinsam oder nimmst Du das komplett in Deine Hand?

Bendzo: Das ist schwierig zu sagen. Ich als Videograf habe auf jeden Fall meine eigenen Visionen und meine eigene Creative Direction. Aber vor Projekten versuchen wir trotzdem immer ein gemeinsames Skript zu konzipieren. Ein Musikvideo lebt vor allem von der Musik selbst. Verschiedene kreative Konzepte treffen da aufeinander. Die Kunst ist es, die Visionen der verschiedenen Charaktere zu verbinden.

Gebt uns noch einen kurzen Ausblick: Was kann man in naher Zukunft von Euch erwarten?

Bendzo: Am 8. November findet unser eigenes, bisher größtes Event in der Centralstation statt. So wie es jetzt auch aussieht, in der großen Halle unten [hängt vom Ticketverkauf ab, ob dort oder im Saal oben]. Das ist die größte Clublocation in Darmstadt und das erfüllt uns natürlich auch mit Stolz, vor allem, weil wir das in nicht mal einem Jahr [seit der Gründung] auf die Beine gestellt bekommen haben.

Nino85: Da muss man sich an der Stelle auch bei der Stadt und den Leuten bedanken, die wirklich Bock auf diese Auftritte haben. Wenn keiner Lust, hätte zu kommen, dann würde es das überhaupt nicht geben. Das ist wirklich so schön zu sehen.

Bendzo: Genau, das ist auch eine ganz große Motivation für uns. Bei unseren Beweggründen geht es ganz viel um Heimatliebe und um die Kultur selbst.

Welche Kultur genau?

Bendzo: Die städtische Kultur. Die Stadt Darmstadt. Ich sehe meine Rolle nicht als Rapper oder Musiker, sondern als Person, die Leuten unter die Arme greift, um Dinge auf die Beine stellen zu können. Meine Beweggründe sind, etwas für die Stadt zu tun und ein größeres kulturelles und musikalisches Programm bieten zu können. Zum Beispiel hört man immer wieder, dass es gerade in den 90ern und 2000ern viel HipHop-Kultur in Darmstadt gab [Word! Nachzulesen auf: p-stadtkultur.de]. Als wir aufgewachsen sind, hat man davon überhaupt nichts mehr mitbekommen. Es ist schön zu sehen, dass wir jetzt mit unserem Kollektiv auf so viele offene Türen stoßen. Ich glaube, da haben sehr viele Leute darauf gewartet.

Schönes Schlusswort. Vielen Dank für das gute Gespräch, Southside Beleş Boys!

instagram.com/southsidebelesboys

 

„SBB Central“: Konzert + Party

Debüt der SBB-Eventreihe, bei der verschiedene DJs der Darmstädter Party-Szene und aus dem SBB-Kollektiv sowie ein überregionaler Künstler spielen! Mit „SBB Central“ findet die Premierenparty in der großen Halle der Centralstation statt. Unter anderem QT-XTC und Salbei werden Euch mit Offbeats aus Übersee zum Tanzen bringen. Zwischendurch werden SBB live performen, bevor ein Secret-Headliner die Stage übernimmt. Anwesende dürfen sich auf abwechslungsreiche Sounds aus verschiedenen Subgenres freuen.

Centralstation (Halle) | Fr, 8.11. | 22.30 Uhr | 13 €

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