Foto: Ingenieure ohne Grenzen

Seit 1997 trägt Darmstadt den Beinamen Wissenschaftsstadt im Titel und auf den Ortsschildern. Mit ihren Ideen, Projekten und Lösungen füllen Forschende an TU und Hochschule Darmstadt oder den Fraunhofer-Instituten dieses Label mit Leben. Das P zeigt Ausschnitte ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit: Projekte, die sich auf Gesellschaft, Umwelt und Alltag auswirken – und die Menschen dahinter.

Die sichere Versorgung mit sauberem Wasser ist für einen Teil der Weltbevölkerung eine Selbstverständlichkeit. Doch noch immer gibt es zahlreiche Regionen (laut UN-Weltwasserbericht 2019 mit 2,1 Milliarden betroffenen Menschen), in denen die Realität anders aussieht. In denen Menschen an verunreinigtem Wasser teils tödlich erkranken und in denen es notwendig ist, die Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern. 
Dazu will die Regionalgruppe Darmstadt der Ingenieure ohne Grenzen mit dem Projekt „SoWaDi“ – die Abkürzung steht für: solarthermische Wasserdesinfektionsanlage – beitragen.

Mit technischem Wissen, Infrastrukturprojekten und Bildungsarbeit im In- und Ausland leisten Ingenieure ohne Grenzen als gemeinnützige und unabhängige Organisation einen wichtigen Beitrag in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Regionalgruppe Darmstadt besteht seit dem Frühjahr 2007 und ist vor allem im Bereich der Wasserversorgung und -aufbereitung tätig. „Seit 2008 haben wir den Bau von Zisternen in Kenia gefördert. Das Problem, dass wir dabei erkannt haben, ist, dass es in der Trockenzeit eine Wasserknappheit gibt und vorher gesammeltes, eigentlich sicheres Regenwasser bei langen Standzeiten verkeimt“, erklärt Julius Breuer. Daraufhin wurde nach einer Möglichkeit gesucht, parallel zur Zisterne eine Anlage zur Reinigung des Wassers einzusetzen. „Und das möglichst ohne Chlor“, fügt der heutige Projektleiter hinzu.

Abkochen dank Sonnenenergie

Aus dem Projekt, das sich über die darauffolgenden Jahre entwickelte, ist „SoWaDi“ geworden, die solarthermische Wasserdesinfektionsanlage. Das heißt, Wasser wird mithilfe von Solarenergie abgekocht und auf diese Weise von Bakterien und Krankheitserregern befreit. Ziel war es, eine Anlage zu entwickeln, die leicht nachgebaut werden kann und dabei mit günstigen und zugänglichen Materialen auskommt. Denn ein Hilfsprojekt muss auch selbstständig von den Menschen vor Ort weitergeführt werden können, um langfristig effizient zu bleiben.

Aber warum Wasser mit Solarenergie abkochen? Zum traditionellen Abkochen über dem Feuer wird viel Energie benötigt. Holz oder Kohle muss verbrannt werden, was unter anderem die Erderwärmung und Entwaldung fördert, aber auch ein Gesundheitsrisiko birgt, durch den entstehenden Rauch. Ähnliche Konzepte mit Solarenergie gibt es bereits, doch sehen Ingenieure ohne Grenzen nach wie vor Ausbaubedarf hinsichtlich Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit der Anlagen. Dass die Anlage anhand einer Bauanleitung auch von Laien mit etwas handwerklicher Erfahrung nachgebaut werden kann, soll die Verbreitung erleichtern. „Zunächst wollen wir aber mit anderen Projekten der Ingenieure ohne Grenzen kooperieren und an deren Einsatzgebieten Anlagen aufbauen und testen“, so Breuer. Sind alle Materialien vorhanden, nimmt der Bau einer Anlage etwa drei Tage in Anspruch. Diese kann dann, je nach gegebenen Bedingungen und Sonneneinstrahlung, etwa 20 bis 40 Liter Wasser am Tag behandeln.

 

Fotos: Ingenieure ohne Grenzen

In drei Tagen von Laien aufgebaut

Die Anlage besteht aus dem Absorber von etwa zwei Quadratmeter Fläche, der aus Blech, Glas und Kupferrohren gebaut wird und die Sonnenstrahlung einfängt, einem Zulaufbehälter und einem Auffangbehälter sowie dem Steigrohr. Aus diesem kommt später das gereinigte Wasser. Der Zulaufbehälter ist mit dem Absorber verbunden. Die Sonne erhitzt das Wasser, das aus dem Zulaufbehälter in den Absorber läuft und bringt es zum Kochen. Dadurch entsteht Dampf in den Rohren des Absorbers, welcher durch seine Ausdehnung das ebenfalls erhitzte Wasser im oberen Bereich durch das Steigrohr in den Auffangbehälter drückt. So ist sichergestellt, dass nur gereinigtes Wasser in den Auffangbehälter fließt. Sobald der Dampf selbst den Auffangbehälter erreicht, fließt Wasser aus dem Zulaufbehälter nach und der Prozess wiederholt sich so lange, bis der Absorber abgedeckt wird, um den Vorgang zu stoppen.

Solarthermie für Mwanga und Kidia

Bisher gibt es sieben „SoWaDi“-Anlagen. Sechs davon in Mwanga und Kidia in Tansania sowie eine Testanlage auf dem Gelände der TU Darmstadt. 2017 bauten Schüler:innen einer Berufsschule in Mwanga die ersten zwei Anlagen anhand der Bauanleitung. Diese wurden 2020 überholt, zudem konnten vier neue Anlagen aufgestellt werden. Beide Male waren Mitglieder der Darmstädter Regionalgruppe vor Ort mit dabei. Regelmäßig erhalten sie nun Feedback zur Leistung der Anlagen und helfen bei potenziellen Schwierigkeiten, denn das Projekt befindet sich an einem Punkt, an dem vor allem Daten gesammelt werden, um die Anlage weiterhin den Anforderungen entsprechend anzupassen. Wie leicht lässt sie sich nutzen? Wie ist die Qualität? Und wie haltbar ist die Anlage langfristig betrachtet? Dafür erhält die Gruppe von einem Projektpartner auch immer wieder Testergebnisse bezüglich der entstandenen Wasserqualität.

Ist der Dauerbetrieb der Anlagen lange genug getestet – was noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird – soll das Ergebnis des Forschungsprojektes weiter verbreitet werden. Auch auf dem TU-Gelände entsteht in diesem Frühjahr eine zweite Anlage. „So können beide Anlagen direkt miteinander verglichen werden, wenn Neuerungen vorgenommen werden“, erklärt Breuer. „Für die Zeit nach der Testphase wünschen wir uns, dass die Anlage wirklich alle Anforderungen erfüllen kann. Denn wir wollen den Ländern im globalen Süden und überall auf der Welt eine sichere Wasserversorgung ermöglichen“, fügt er hinzu.

Im Austausch mit den Projektpartnern

Die Corona-Pandemie schränkt die Arbeit der Ingenieure ohne Grenzen vor allem dadurch ein, dass das Verreisen in die Länder der Projektpartner aktuell nicht möglich ist. So müssen viele Projekte gerade remote weitergeführt und zum Beispiel der Bau von Sanitäranlagen für Uganda zunächst von Deutschland aus geplant werden. „Bei unserem Aufenthalt in Tansania konnten wir für das Projekt ,SoWaDi‘ aber feste Kontakte knüpfen, der Austausch läuft zum Glück sehr gut“, bleibt Breuer aber optimistisch.

sowadi.de

 

Foto: Ingenieure ohne Grenzen e. V.

Meet the Ingenieure ohne Grenzen Darmstadt!

Ingenieure ohne Grenzen sind hauptsächlich ehrenamtlich organisiert und finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge sowie Spenden- und Stiftungsgelder. Die Regionalgruppe Darmstadt trifft sich normalerweise in Räumlichkeiten der TU Darmstadt, aktuell findet aber auch hier alles online statt. Trotzdem kann man an regelmäßigen Infotreffen teilnehmen, um die Gruppe und ihre Projekte besser kennenzulernen, Fragen zu stellen und vielleicht sogar selbst mitzumachen. Das nächste Infotreffen ist am Montag, 14. Juni, um 19 Uhr, vermutlich erneut online – das hängt vom Infektionsgeschehen ab. Gut zu wissen: Ingenieur:in muss man nicht sein, um mitzumachen!

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