Illustration: Marie Nolde

Während kapitalistische Großkonzerne den Planet vergiften, gelten Stiftungen als Gutmensch unter den Unternehmensformen: Sie verleihen Nobelpreise, speisen Arme und pflegen Kranke. Doch ausgerechnet in Darmstadt hat dieses Bild während der Corona-Pandemie Risse bekommen. Im Namen des Allgemeinwohls finanziert von hier aus eine milliardenschwere Stiftung die Propaganda der Impfgegner. Der Querdenker-Gründer Michael Ballweg soll Spendengelder veruntreut haben und hat eine Stiftung gegründet, die allein seine Familie fördert. Aber es gibt auch positive Beispiele.

Denn ohne seine Stiftungen wäre Darmstadt sehr viel ärmer. Schon 1858 gründete Prinzessin Elisabeth eine großherzogliche Stiftung zum Betrieb eines Diakonissenmutterhauses für die Krankenpflege an der Erbacher Straße. Nach dem Krieg versorgten die christlichen Jungfrauen wochenlang bis zu 3.000 Menschen täglich mit Essen. Bis 1950 zählten sie 50.000 Übernachtungen von Heimkehrern, Durchreisenden und Angehörigen von Internierten in ihrem Kellerhotel. Einige wenige evangelische Schwestern gibt es noch heute. Im Krankenhaus, Pflegeheim und der Pflegeschule arbeiten aber längst nur noch Angestellte in zeitgemäßeren Unternehmensformen, an denen die Stiftung Elisabethenstift als kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts allerdings noch Gesellschafter ist.

Aktuell 110 anerkannte Stiftungen des bürgerlichen Rechts

Dieser ältesten Stiftung Darmstadts folgten bis heute aktuell 110 anerkannte Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die unterschiedlichste gemeinnützige Ziele verfolgen. Stifter sind in der Regel wohlhabende Bürger, die sich damit unwiderruflich von einem mehr oder weniger großen Teil ihres Vermögens trennen – allerdings in der Erwartung, dass ihr Name und ihr Förderwille ewig weiterleben. Denn eine Stiftung gehört nur sich selbst. Sie ist verpflichtet, ihrem Auftrag so lange nachzugehen, wie es Spenden, Schenkungen oder die Erträge aus ihrem Kapital erlauben.

Dass diese Eigenschaft durchaus zum Problem werden kann, erfährt gerade Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Das Land hatte 2021 die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV gegründet, um US-amerikanische Sanktionen gegen den Fertigbau der Gaspipeline Nordstream 2 zu umgehen. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist die Pipeline allerdings Geschichte und Schwesig wäre die mit Millionen aus Moskau ausgestattete Stiftung am liebsten eher gestern als morgen wieder los. Doch wie zunächst angedacht war, die Stiftung einfach zu schließen und das Geld der Ukraine zu spenden, ist rechtlich gar nicht möglich. Denn ein Ende findet eine Stiftung erst dann, wenn sie pleite oder ihr Stiftungszweck nicht mehr erfüllbar ist. Vordergründig soll die Stiftung auch dem Umweltschutz dienen – allerdings nur in Mecklenburg-Vorpommern und nicht in der Ukraine.

Für das Meer, für Gesellschaftswissenschaften, für Eberstadt

Doch zurück nach Darmstadt, das zwar keinen Zugang zur See besitzt, aber dennoch eine Okeanos Stiftung für das Meer. Ihr Stifter Dieter Paulmann schuf mit einer Personalvermittlung für Fach- und Führungskräfte ein Vermögen, das er zusammen mit seiner Ehefrau seit Jahrzehnten für verschiedenste gemeinnützige Projekte aufwendet. Der Millionär Alois M. Schader war vierzig Jahre als Berater im Wohnungsbau tätig – und am Ende unzufrieden, dass die Unternehmen nicht allen seinen Ratschlägen folgten. Seine Schader-Stiftung soll daher helfen, ganz allgemein Erkenntnisse aus den Gesellschaftswissenschaften in die Praxis umzusetzen. Andere haben da spezifischere Wünsche. Der Goldwell-Gründer Hans Erich Dotter (1920–2012) und seine Ehefrau Marie Elfriede (1927–2006) setzten 2003 die nach ihrem Tod 2014 anerkannte und nach ihnen benannte Stiftung als Alleinerbin ein. Mit einem Kapital von 150 Millionen Euro soll die Dotter-Stiftung von der Kunst bis zur Alten- und Heimatpflege allein das Wohl der Einwohner:innen des Stadtteils Eberstadts fördern. Alle anderen Stadtteile gehen leider leer aus.

Um im Club der Stifter:innen mitzumischen, muss ein Mensch dabei nicht unbedingt steinreich sein. Die vergangenes Jahr von Florianne Blöcher gegründete „MyWay“-Stiftung (siehe Februar-P 2023, Ausgabe #150) verfügt lediglich über ein Stammkapital von 50.000 Euro. Außerdem hat Blöcher der Stiftung 15 Prozent der Anteile an ihrem Weiterbildungsunternehmen „MyWay“-Talentmarketing vermacht. Die Einnahmen daraus reichen jedoch lediglich für die Verwaltung aus. Ihre Förderarbeit gegen Diskriminierung muss die Stiftung daher aus Spenden finanzieren.

Von daher schadet Reichtum natürlich nicht. Der IT-Unternehmer Peter Schnell stiftete 1992 als Alleinaktionär der Software AG (SAG) ganze 98 Prozent seiner Anteile. Mit einem Vermögen von über einer Milliarde Euro gehört die Software AG Stiftung damit zu den zehn größten Stiftungen Deutschlands. Jährlich fördert sie mit rund 25 Millionen Euro allerdings nicht nur Projekte in der Erziehung und Bildung sowie der Alten- und Behindertenhilfe. Zu ihren Zielen gehört es auch, der anthroposophischen Medizin zur Verbreitung zu helfen.

Und an der Stelle wird es leider problematisch. Denn anders als von ihren Anhängern behauptet, gibt es nicht nur keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit von Homöopathie. Viele Kritiker halten diese Art der Heilkunde sogar für schädlich. Denn bei dem vermeintlich harmlosen Aberglauben schwingt oft auch eine Abneigung zu verächtlich „Schulmedizin“ genannten Behandlungsmethoden mit, was zur Ablehnung wirksamer Therapien führen kann. Die sich aus der anthroposophischen Szene speisenden Impfgegner haben aus Sicht führender Politiker die Corona-Pandemie unnötig verlängert, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jüngst dem Magazin „Der Spiegel“ erklärte: „Ohne Desinformationskampagne einiger Medien, Parteien, ,Querdenker‘ und Wissenschaftler hätten wir eine deutlich höhere Impfquote bei den Älteren gehabt. Weniger Tote waren möglich.“

Von Darmstadt aus gefördert: Stiftungsprofessur für anthroposophische Medizin

Dass die Software AG Stiftung mit ihrem Geld an der Verbreitung solch gefährlicher Lügen beteiligt ist, zeigt die von ihr finanzierte Stiftungsprofessur für anthroposophische Medizin an der Charité Berlin. Der Inhaber des Lehrstuhls, Harald Matthes, behauptete vergangenes Jahr, schwere Impfschäden seien hundert Mal häufiger, als es die offiziellen Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts hergäben. Seine Fake-News wurden zunächst unhinterfragt vom MDR verbreitet und erregten in der Folge bundesweit Aufmerksamkeit. Doch statt wie behauptet auf einer wissenschaftlichen Studie, basierten Matthes‘ Behauptungen lediglich auf einer methodisch haarsträubend mangelhaften Online-Umfrage und waren schlichtweg falsch. Die Charité distanzierte sich öffentlich von seinen Aussagen und empfahl ihm, seine Arbeit an dem Projekt einzustellen. Dem P Magazin teilte die SAG Stiftung auf Anfrage mit, sie lege „großen Wert auf die akademische Freiheit von Forschung und Lehre.“ Auf die Frage, ob sie auch in Zukunft Wissenschaftsleugner finanzieren wolle, ging sie nicht ein.

Für die Mitarbeiter:innen des IT-Unternehmens mag das erst mal recht egal sein. Denn die Stiftung hat keinen Einfluss auf die Software AG. Jedoch konnte sie bislang mit ihrer Sperrminorität eine Übernahme und Zerschlagung des Konzerns verhindern. Im April 2023 gab sie allerdings bekannt, ihre Anteile größtenteils an den US-amerikanischen Investor Silver Lake verkaufen zu wollen. Auf die knapp 5.000 Mitarbeiter:innen könnten nun Veränderungen zukommen.

„Stiftung Querdenken711“ wird zur „Herzensmenschen Familienstiftung“

Ebenfalls unsicher ist die Zukunft von Querdenken-Gründer Michael Ballweg. Dieser hatte ursprünglich erklärt, unter Einsatz seines privaten Vermögens die „Stiftung Querdenken711“ zur „Förderung des demokratischen Staatswesens“ angemeldet zu haben. Allerdings ist beim Regierungspräsidium Darmstadt zu erfahren, er habe den entsprechenden Antrag schon am nächsten Tag wieder zurückgenommen.

Stattdessen gründete Ballweg über den in Darmstadt ansässigen Finanzberater „Ratgeber Stiftung“ die „Herzensmenschen Familienstiftung“ zur „Förderung des Stifters, der leiblichen und gesetzlichen Abkömmlinge des Stifters und des in gültiger Ehe lebenden Ehepartners des Stifters“. Diese Stiftung steht weder in einem Zusammenhang zu den Querdenken-Zielen, noch ist sie gemeinnützig. Denn Familienstiftungen dienen nicht der Allgemeinheit, sondern sollen den eigenen Reichtum für Angehörige und künftige Generationen vor Erbschafts- und Schenkungssteuer schützen.

Im Falle Ballwegs könnte dabei auch noch der Versuch hinzukommen, sein Vermögen dem Zugriff der Strafbehörden zu entziehen. Er soll über die Querdenken-Bewegung eingenommene Spendengelder in Höhe von 1,27 Millionen Euro fälschlicherweise als Schenkungen für seinen Lebensunterhalt verstanden haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat ihn deshalb nun wegen Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung angeklagt. Ob seine Herzensmenschen Stiftung den Gerichtsprozess überstehen wird, bleibt abzuwarten.