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Illustration: Hans-Jörg Brehm

Mit dem Smartphone in der Hand ziehe ich los, um die Männerwelt zu erobern. Jedoch nicht ohne den Hinweis meiner Mutter zu beachten: „Kind, treff Dich bloß net bei denen zu Hause.“ Also geht es in die hiesigen Bars, Cafés, Restaurants und Kneipen. Was ich da so erlebe? Lest und lernt aus meinen Erfahrungen und entdeckt, was unsere Stadt zum Thema Dating, Flirt und Gin Tonic zu bieten hat.

Kennt Ihr das Lied von Michael Krebs „Das Mädchen von der Jungen Union?“ So etwas Ähnliches ist mir auch passiert. Aber nur ähnlich.

Es ist ein schöner Sonntagmorgen und ich bin zu einem Frühstücksdate eingeladen. Treffpunkt Café Chaos. Mein Herz freut sich auf das Treffen und mein Magen auf das leckere Frühstück im Darmstädter Kult-Café. Unterwegs überlege ich noch, wie es ankommen wird, wenn ich mir gleich einen leckeren Flammkuchen bestelle. Vor Ort erster Blick, erstes Lächeln, schon einmal sehr sympathisch.

Aber die Ernüchterung kommt schnell, zumindest für meinen Hunger. Mein Dating-Partner hat nämlich keinen Tisch reserviert, der alte Optimist. Na gut, wie sich herausstellt, kann man im Café Chaos auch gar keinen keinen Tisch reservieren. Hungrig schiele ich auf das leckere Käsefrühstück, das gerade zu einem jungen Pärchen an den Tisch gebracht wird. Da die Dame sicherlich nicht ihr Date mit mir tauschen würde, bleibt mir nichts anderes übrig, als meinem wieder hinaus zu folgen. Vielleicht kann ich noch ganz kurz am Pringles-Automaten … ? Nein? Okay.

Immer noch guter Dinge schlägt er mir andere fußläufige Locations vor. Aber auch da ist nichts zu machen. Die Darmstädter wissen ihren Sonntagmorgen zu genießen und schlemmen ihr Frühstück genüsslich in der Gewissheit, das Leben in Form von reservierten Tischen voll und ganz im Griff zu haben. Meine Laune sinkt in ein gefährliches Tief, habe ich noch nicht einmal Koffein intus. An ein Frühstück komme ich jetzt so schnell wohl nicht, das mit dem Kaffee ist machbarer. Wir landen also im Salve. Da die gesamte Darmstädter Bevölkerung gerade frühstückt, bekommen wir wenigstens hier den coolsten Platz von allen: die Couch. Nach dem ersten wohltuenden Schluck teuren Latte Macchiato bin ich sogar gewillt, den holprigen Anfang unseres Dates zu vergessen und bei Null auf der Sympathie-Skala anzufangen. Das Gespräch plätschert so vor sich hin, wir reden über dies und das – und jenes, nicht zu vergessen. Und nur Gott weiß warum, schlägt er ein Thema an, das mich an die typischen Killer-Soziologen-Anrufe erinnert: „Guten Tag, wir führen eine kleine Marktforschung durch. Wenn am Sonntag Wahlen wären, würden sie am Montag einen Rasierer von Braun kaufen?“ Gut, Politik ist jetzt nicht als ein eisbrechendes Thema für ein Date bekannt, aber wenn er will. Meine politische Einstellung ist für ihn schnell ersichtlich. Diesbezüglich ist es mir noch unverständlicher, wieso er mir unbedingt preisgeben will, dass er das nächste Mal eine Protestwahl machen möchte. „Ja klar, großes Kreuz ist auch eine Möglichkeit“, meine Antwort. Hier bin ich die Optimistin. Nein, nein, kein großes Kreuz. Seines würde er bei einer, ähm, sagen wir mal stark polarisierenden Partei machen.

Und dann fängt er auch schon an, mir von einer Freundin zu erzählen, die wohl irgendwann, wie so viele, auch mal in Köln war und da irgendwie anzüglich angesprochen wurde oder so. Ich höre nicht so genau zu, verzeiht mir die Ungenauigkeit in der Erzählung. Ich bin von der Tatsache abgelenkt, dass dieser Mann, der gerade diese verstörend feministische Rede hält, mir bestimmt schon geschlagene eineinhalb Stunden auf die Brüste starrt. Da ich mit hungrigem Magen nicht diskutieren sollte, verkneife ich mir die meisten meiner Gedanken. Die Salve-Couch und der Anblick meiner Brüste verleiten ihn dann auch schon zum nächsten Geistesblitz und er schlägt mir vor, ob wir uns nicht einen Döner holen wollen und dann vielleicht zu ihm in seine Badewanne gehen, das Ganze mit einem Lächeln, das er leider für sexy hält. Ja, ich weiß, die politische Meinung im Zusammenhang mit einem Döner und der Einladung, morgens um Elf schon die Hüllen fallen zu lassen, ist so rührend ironisch. Nur leider sein voller Ernst. Ich erkläre ihm mütterlich, dass ich leider bis zur Ehe warten möchte – ich denke, diese Ideologie ist für ihn am ehesten nachvollziehbar – und gehe. Am Luisenplatz hol ich mir beim Bäcker endlich etwas Essbares und fühle mich mit meiner Apfeltasche im Mund und dem Blick hoch zum Langen Lui mit seiner Verfassung unterm Arm sehr ehrenwert und demokratisch.