Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Liebe Leserinnen und Leser, ich bin ein liberaler Mensch, Gott sei Dank kein freier, aber darum geht es nicht. Es geht, wie so oft, um die Gesellschaft als Ganzes – und meine Position in
ihr.

Wie viele andere begehe ich ständig und dauernd den Fehler, aus meiner Situation heraus zu werten. Ich versuche es zu vermeiden, aber ich versuche auch zu vermeiden, meinen Körper mit zu viel Fett, Zucker und Alkohol zu belasten. Das klappt nicht immer. Doch bleiben wir wertfrei. Warum klappt es, mich mit Katholiken zu verstehen? Warum verbringe ich quality time mit Mensch*innen, die sich aus Adams Rippe geschält fühlen, und die Evolution als unhaltbare Theorie ansehen? Weil ich nicht in Amerika lebe? Mit Sicherheit auch, aber auch, weil sie hier nicht protestierend durch die Stadt laufen, um auf ihrer Meinung zu beharren.

Ich bremse auch für Adventisten! Gläubige treffen sich in Kirchen, abgelegenen Gemeindehäusern und sonst wo. Außer der „Kirche der Ununterschiedlichkeit“, die dreht sich seit Jahrzehnten auf meinem Plattenteller. Ausschließlich aus Regime-Untreue Ungeimpfte könnten sich doch in SUV-Autohäusern versammeln!? Das ist jetzt wirklich weit hergeholt, aber es wird einem klar, wo der Autor steht.

Um das Bild aber nicht einseitig werden zu lassen, möchte ich noch anmerken, dass ich, sollte ich an einer Demonstration gegen das Stillen in Speiseräumen vorbeikommen, einen Zehner in die Spendenbox werfen würde. Gibt es denn überhaupt Spendenboxen auf Demonstrationen? Gibt es Demonstrationen gegen Spendenboxen, auf den Spendenboxen herumgereicht werden? Wo stillen Reichsbürgerinnen? Egal, der Punkt ist, dass mir beim Abendbrot, Mittagessen, und ja auch Frühstück, dem Ausdringen jedwedes in fremden Körpern produzierten Stoffes beizuwohnen wirklich viel, viel, viel zu intim ist. Außerdem: Nimmt man Säuglinge mit in Pianokonzerte? Nein! Nimmt man Kleinkinder mit ins Kino und lässt sie auf einem Tablet einen anderen Film gucken? Nein! Und ich möchte auch nicht angeherrscht werden, ich möge mich nicht so anstellen, da werde ich wirklich unangenehm. Und stehe mit meiner Keck-Fässchen-großen Sammelbox vor Gaststätten, Restaurants und Mensen, um meinem Unmut freien Lauf zu lassen.