Fotos: Nouki Ehlers, nouki.co

Wenn man davon spricht, dass jemand oder etwas ein Schattendasein führt, dann bedeutet dies für gewöhnlich nichts Gutes. Im Fall dieser Installation von Vera Röhm ist das Schattendasein allerdings ein integraler Bestandteil der Arbeit. Der auf einer Edelstahlsäule montierte, weiße Betonkubus wirft zu bestimmten Zeiten des Jahres für einen kurzen Moment einen Schatten, der passgenau auf die im Boden eingelassenen, dunklen Betonplatten fällt.

Durch diese formal schlichte Konstellation will die Künstlerin Betrachter:innen auf die für uns nicht spürbare Rotation der Erde aufmerksam machen. Obwohl es ein dank Wissenschaft und Schulbildung wohlbekannter Fakt ist, dass sich eben nicht alles um uns dreht, können wir ohne Hilfsmittel nicht wahrnehmen, dass wir mit wahnwitzigem Tempo um die Sonne kreisen, unser Sonnensystem wiederum um das Zentrum der Milchstraße, die Milchstraße wiederum … und so weiter.

Was sich statisch anfühlt, ist in Wirklichkeit nur der kleine, geschützte Raum zwischen der Erdkruste und der unendlichen Leere des Weltraumes, in dem wir existieren. Eine hauchdünne Schicht, in der die Konditionen gerade so ausbalanciert sind, dass sich aus unbelebter Materie Organismen formen können, ist ein absolutes Wunder. Dass es diesen Organismen im Laufe der Jahrtausende dann auch noch gelungen ist, ausreichend Intelligenz zu entwickeln, um sich über ihren Platz im Universum Gedanken zu machen, ist mindestens ebenso mirakulös. Diesem Gefühl der Verwunderung, der Magie der Existenz und der schier unfassbaren Verkettung von kosmischen Umständen und Zufällen durch einige geschickt platzierte, geometrische Objekte und Formen eine Bühne im Alltag zu geben, ist ein Kunstgriff im besten Sinne des Wortes. Und wer an einem sonnigen Tag ein paar Minuten mitbringt, um dem Schatten beim Wandern zuzusehen, kann die Erfahrung voll und ganz auskosten.

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jede:n sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.