Foto: Jan Ehlers

100 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. 1919 scheint uns zeitlich und gesellschaftlich so unendlich weit entfernt – eine andere Welt. In einer Zeit des Umbruchs entsteht damals im historisch bedeutsamen Weimar eine Schule, deren Einflüsse auf die Gestaltung alltäglicher Gegenstände auch heute noch zu spüren sind: das Bauhaus. „BAUWHAT?“, fragen sich vom 17. bis 29. Juni das Staatstheater Darmstadt in Kooperation mit dem „DIESE Studio“, der TU und der Hochschule Darmstadt. Wir können uns auf ein Kunstfestival mit buntem Programm plus erlebbarer Summer School freuen, die die Ideen jener berühmten „Werkstatt der Moderne“ überprüfen und ins Jahr 2019 holen möchte.

Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum wird in nahezu jeder Stadt mit kleinen oder größeren Events festlich begangen. Warum also sollte Darmstadt da auch mitmachen? Genau mit dieser Frage haben sich Diese Studio, Staatstheater und der Designwissenschaftler Florian Walzel (Hochschule Darmstadt) für das Bauhaus-Festival in einem produktiven Diskurs beschäftigt. Die Bezüge zum Bauhaus in Darmstadt – mit dem von 1960 bis 1971 hier ansässigen Bauhaus-Archiv – haben wir bereits im März-P thematisiert. Doch die anstehende Summer School will mehr als nur Historisches im Heute darstellen.

Offenes Projekt, ambitionierte Ziele

„Wir wollen uns mit der Frage beschäftigen, wie Gestaltung auf gesellschaftliche Veränderungen eingehen kann oder diese mitbestimmt“, erklärt das Diese Studio. Dafür wird in Kooperation mit dem Staatstheater und Florian Walzel eine freie Summer School abgehalten: Die 25 teilnehmenden Studierenden unterschiedlicher Studiengänge belegen die Summer School während des Sommersemesters als interdisziplinären Kurs ihrer Wahl. An zwei Wochenenden im Mai und Juni wird in Workshops der Theatervorplatz neu gestaltet. Ab dem 17. Juni ist die Konstruktion vor dem Theater für die Öffentlichkeit erfahrbar. Das ambitionierte Ziel der Summer School ist, eine neue Gestaltungsschule ins Leben zu rufen. Ob dies wirklich realisierbar wird und wie stark die Veranstalter eingreifen müssen, um die Studierenden anzuweisen, bleibt offen und macht das Projekt für alle Beteiligten so interessant.

Die offene Arbeitsweise und interdisziplinäre Ausrichtung der Summer School ist eine moderne Herangehensweise an das Thema Bauhaus. Denn gerade an der berühmten Hochschule wurde vieles von den Lehrenden vorgegeben, obwohl die Schüler sich eigentlich frei entfalten sollten. Toleranz und Offenheit waren oftmals eine Illusion, so die Kritiker. Trotzdem war das Bauhaus zur damaligen Zeit revolutionär und hat andere Sichtweisen auf Gestaltung im weitesten Sinne gefördert. Wie kann man das auch heute noch erreichen? Gibt es einen Bauhaus-Gedanken, der so grundlegend ist, dass er auch heute noch funktioniert? Das Diese Studio beschreibt es so: „Für uns ist es etwas verschwommen, was das Bauhaus eigentlich ist. Daher wollen wir herausfinden, ob es in unserem Alltag ästhetische Zusammenhänge gibt und wie wir diese deuten können.“

2017 wurde der Theatervorplatz durch einen Pavillon der Gestalter von „Das Blumen“ für viele Darmstädter zum beliebten Treffpunkt in den Sommermonaten. Letztes Jahr lud dann das Carree mit temporärer Outdoor-Sitzgestaltung zum Verweilen ein. Aus dem Kulturverein Blumen hat sich das Diese Studio herausgebildet, das den Theaterplatz auch in diesem Sommer zu einem kulturellen Treffpunkt für alle machen möchte. Die Begegnung mit dem Bauhaus geschieht dabei beinahe spielerisch: „Das Kunstfestival gibt einen spannenden Rahmen vor, der das Bauhaus wieder- und neu erlebbar macht.“ Klingt alles noch etwas abstrakt, aber so ist das bei offenen, prozessorientierten Projekten eben.

Erlebnisorte unter einem Dach

Zumindest der Ort der architektonischen Intervention ist definiert: Es soll eine Konstruktion direkt am Vordach des Staatstheaters entstehen, die für alle Bürger Darmstadts erfahrbar ist. Bereits der Bauprozess kann von der Öffentlichkeit beobachtet werden und soll dabei bewusst eine Interaktion der verschiedenen Akteure hervorrufen. Es werden zugängliche Räume geschaffen, die auch wirklich genutzt und erkundet werden sollen. „Der Dialog von Gestaltung und Gesellschaft soll angeregt werden und neue Orte erschaffen“, so die Mitglieder des Diese Studio.

Das Vordach des Staatstheaters dient als Grundgerüst für den Bau einer Dachkonstruktion, darunter: unterschiedliche Bereiche, die von den Workshop-Teilnehmern um- und angebaut und mit eigenen Projektideen bespielt werden. Dabei soll eine Bar entstehen, auch audio-visuellen Projekten wird ein Raum gegeben. Welche konkreten Objekte entstehen, ist offen. Wer mehr wissen möchte, muss also einfach mal auf dem Theaterplatz vorbeischauen.

Wir freuen uns auf den neuen Aufenthaltsort, der den schönen Platz vorm Staatstheater diesen Sommer sicherlich wieder zu einem besonderen Begegnungs- und Erlebnisort machen wird.

 

„BAUWHAT?“ Kunstfestival und Summer School

Für das „BAUWHAT?“-Festival vom 17. bis 29. Juni laufen im Staatstheater Darmstadt klassische und neue Performances und Vorstellungen rund um das Thema Bauhaus. Dabei wird das schillernde Triadische Ballett am 20. Juni in einer Neufassung genauso aufgeführt wie das avantgardistische Tanzstück „From Bauhaus to Playhouse“, das am 25. Juni seine Deutschlandpremiere feiert. Außerdem gibt es Nähmaschinen-Konzerte, Videoinstallationen, Vorträge und Diskussionen, die das historische Bauhaus und seine Ideen hinterfragen und einen aktuellen Bezug herstellen. Der Theatervorplatz wird mit eingebunden und bietet täglich ab 16 Uhr einen temporären Aufenthaltsort für alle mit dem Festivalzentrum. Am ersten Festivalsamstag (22. Juni) wird der Georg-Büchner-Platz zur Festwiese voller fantasievoller Installationen der Studierenden der Summer School, artistischer Experimente und musikalischer Überraschungen. Am zweiten Festivalsamstag (29. Juni) feiert man in Kooperation mit den Animalistics das Kammerspektakel Bauhaus Open Air mit Ilgen-Nur (Lo-Fi-Indiepop aus Hamburg), Haller (minimalistischer Pop aus Berlin) und Klaus Johann Grobe (Funk, Indie-Disco, Pop und Kraut aus Basel). Der Eintritt zu den Freiluft-Veranstaltungen ist frei. Das „BAUWHAT?“-Festival wird gefördert vom Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main.

Georg-Büchner-Platz + im Staatstheater | vom 17. bis 29. Juni (Opening: am 20. Juni um 15 Uhr) | Details und komplettes Programm unter: www.bauwhat.de

 

Diese Studio

Das Diese Studio aus Darmstadt versteht sich als interdisziplinäres Gestaltungsbüro. Aus der mehrjährigen Zusammenarbeit im Kulturverein „das blumen“ hat sich das Kollektiv für Gestaltung, Planung und Handwerk entwickelt. Das Team aus sieben Architekten, Designern und Handwerkern will mit seinen Projekten mittels Gestaltung den öffentlichen Raum als Ort für Begegnung, Austausch und Interaktion reaktivieren und dadurch den Dialog zwischen Gestaltung und Gesellschaft fördern. Die Mitglieder des Diese Studio gestalten und schaffen Begegnungsräume und hinterfragen mit temporären Interventionen die Rolle der gestaltenden Disziplinen und deren Auswirkungen auf unser Zusammenleben.