Foto: Jan Ehlers

Ein Feld voller Torsi. Nein, keine düstere Kriegsbeschreibung oder der optische Einstieg für einen norwegischen Black-Metal-Song, sondern eine Ansammlung von Werken des Darmstädter Bildhauers Wilhelm Loth. In diesem Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden und zum Jubiläum ehrt eine Schau im Freien den oft kontrovers diskutierten Künstler.

In derber Mundart bezeichnete ihn manch einer als „Mösen-Willie“ oder „Fotze-Loth“. Diese Namen verdankte er dem starken Fokus auf das weibliche Geschlechtsorgan in seinen Skulpturen. Die Aneignung des weiblichen Körpers durch Männer und Künstler ist ein Thema, über das noch viele Jahrzehnte lang geschrieben und gestritten werden muss. Im Fall Loth scheinen erhitzte Gemüter jedoch fehl am Platz. Denn seine Darstellungen sexualisieren nicht, jede Erotik wird im Keim durch Ausschnitt und Material erstickt. Die Körper werden nicht zu Objekten der Begierde, sondern gehen als Körper im Volumen der Skulptur auf, werden doppelte Körper, die einfach sind, was sie sind.

Die so entstehende Präsenz vertreibt jegliche Form von Mythos oder Magie, die dem Weiblichen so häufig auferlegt wurde und wird. Vielleicht ist genau dies die bildhauerische Leistung des Künstlers Wilhelm Loth. Die Fähigkeit, ein derart aufgeladenes Motiv so weit in seiner Form zu konzentrieren, dass es als ganz eindeutige Figur für sich stehen kann, ohne in die uferlose Vieldeutigkeit der Abstraktionen und Bedeutungen zu versinken. In Anbetracht der umgreifenden Unfähigkeit vieler Menschen, sich gedanklich durch ein komplexes Geflecht von Ebenen zu bewegen, scheint diese ausgeprägte Klarheit eine beneidenswerte Fähigkeit zu sein.

 

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.