Unter Pappeln
Foto: Pierre Walters Zeitungslädchen

Mittwoch, 12. März, 09.00 Uhr:

Der SV Darmstadt 98 stellt Insolvenzantrag.

Donnerstag, 13. März, 09.00 Uhr:

Der neu gegründete Fanverein richtet ein Spendenkonto ein.

Freitag, 14. März, 21.00 Uhr:

Mahnwache verschiedener Fangruppen vor dem Städtischen Stadion am Böllenfalltor.

Samstag, 15. März, 12.00 Uhr:

Knapp 500 Anhänger des SV Darmstadt 98 marschieren in einem „Sternmarsch“ durch die Innenstadt zum Böllenfalltor.

Samstag, 15. März, 16.15 Uhr:

5.200 Zuschauer verfolgen im heimischen Stadion ein mageres 2:2 gegen Germania Ober-Roden. Trotz großer Kulisse und vieler Fan-Aktionen ist die Stimmung (abseits des Fanblocks auf der Haupttribüne)  eher von Skepsis geprägt.

Montag, 17. März, 21.00 Uhr:

Knapp 250 Mitglieder wohnen der außerordentlichen Mitgliederversammlung bei. Präsident Hans Kessler und Sportmanager Tom Eilers erläutern die Lage und den Insolvenzantrag. Es regt sich keine wirklich kritische Stimme. Nach zwei Stunden ist die Versammlung beendet. Einerseits ein Beweis für das Vertrauen in den jetzigen Vorstand, andererseits womöglich zu wenig Leidenschaft und Temperament zur Rettung der Lilien? Was denken die Fans?

 

Sieben Fragen an Sascha Rittel, den Leiter des Fanprojekts Darmstadt:

P: Wann und durch wen hat die prekäre Lage ihren Anfang genommen?

Rittel: Das ist jetzt Sache der Staatsanwaltschaft. Solange möchte ich nichts dazu sagen.  Aber man kennt ja einige Namen.

Es gab schon vor Jahren warnende Stimmen – zum Beispiel Thomas Spengler im Jahr 2003 – bezüglich eines drohenden Finanzkollapses. Hätte man damals beizeiten reagieren müssen?

Ja, vielleicht. Aber jetzt rückblickend Genugtuung zu empfinden, wäre falsch.

Habt Ihr Vertrauen in das derzeitige Präsidium und die sportliche Führung oder gibt es da auch offene Fragen?

Wir haben Vertrauen. Der neue Vorstand, vor allem Präsident Kessler, bemühte sich von Anfang an um eine kooperative Stimmung und um Transparenz. Er nahm nach seiner Wahl sehr schnell Kontakt zu den Fangruppen auf. Das waren wir vorher so nicht gewohnt.

Wenn ein reicher Mäzen auftauchen würde – wie in Hoffenheim oder Chelsea –, wäre das ein Segen oder ein Fluch?

Eher ein Fluch – außer, er würde sein Geld ohne Bedingungen zur Verfügung stellen. Jemanden, der sich Einfluss erkaufen möchte, bräuchten wir nicht. Das wäre eher schlecht für die Seele des Vereins.

Hessen Kassel musste 1997 nach Insolvenz in der Kreisliga neu beginnen und spielt jetzt wieder als finanziell gesunder Verein in der Regionalliga. Wäre ein grundlegender Neuanfang mit verbundenem Zwangsabstieg in eine niedere Liga nicht vielleicht doch der beste Weg?

Nein, mit Sicherheit nicht. Zu viel würde dann wegbrechen, was gerade aufgebaut wurde. Das neue Präsidium begann gut, die Fanszene bündelt sich gerade im „Fanverein“ – neue Motivation ist spürbar. Das alles wäre gefährdet. Mit einem Neuanfang in der Landesliga würde auch die Finanzierung des Fanprojekts in Frage gestellt.

Im Juni ist ein Benefizturnier mit hochklassigen Mannschaften aus ganz Hessen geplant. Gibt es auch Rückmeldungen größerer Klubs für Lilien-Benefiz-Spiele?

Es gibt wohl Anfragen, aber da weiß ich nicht mehr. Eigentlich würden nur drei Vereine die Hütte wirklich voll machen: die Eintracht, Bayern und Schalke.

Warum sollte man in Zeiten vieler sozialer Probleme (ausgerechnet) den Lilien Geld spenden?

Die 98er sind für Darmstadt eine Art Kulturgut. Es gibt soziale Strukturen, die direkt vom Verein profitieren. Außerdem hängen Arbeitsplätze dran, man denke nur an die Angestellten des Vereins oder der Lilienschänke. Für viele bedeuten die Lilien mehr als nur 90 Minuten Fußball.

 

www.ib-fanprojekt-darmstadt.de
www.sv98.de