10tagejan
Foto: Privat

Darf ein Journalist über einen Film schreiben, den er noch nicht gesehen hat? Eigentlich nicht, aber Ausnahmen bestätigen ungeschriebene Gesetze. „10 Tage Jan“ ist so eine Ausnahme, denn für das Sichten von 240 Stunden Filmmaterial ist selbst ein Monatsmagazin zu schnelllebig. Zum Glück stand aber der Hauptdarsteller, Produzent und Überwachungsstaatkritiker Jan Vogelbacher für ein zeitsparendes Gespräch zur Verfügung. 

„10 Tage Jan“ ist der längste Film der Welt. Noch ist dieser Rekord inoffiziell, doch der Antrag auf Eintrag ins Guinness-Buch wurde schon gestellt. Die Handlung im Schnelldurchlauf: Ein junger Mann verlebt zehn Tage seines Alltags. Er ist „immer im Bild, egal was passiert“. Klingt langweilig – und das soll es auch sein. Und bei allen technischen Herausforderungen war Jan Vogelbacher eines von Anfang an klar: „Das kann ich nur mir selbst zumuten.“ An Fernsehformaten wie Big Brother kritisiert Jan, dass Wirklichkeit vorgegaukelt wird. Der „pseudo Realityquatsch“ bestehe aus Handlungen nach Regieanweisungen, inszeniert würden „Highlights statt normalem Leben“.

Anfangs wollte Jan seine Geduld anhand von 30 Tagen permanenter Beobachtung auf die Probe stellen. Zu viel des Guten, wie ihn seine Co-Produzenten, die Frankfurter Filmemacher Kristian Fröhlich und Daniel Schäfer von artstuffmedia mahnten. Dass sein Alltag aus so wichtigen, aber banalen und wenig unterhaltsamen Tätigkeiten wie Schlafen, Essen und Autofahren besteht, ließ sich auch in „nur“ anderthalb Wochen dokumentieren. Entscheidend war, dass „es ein Zeitraum ist, in dem man sich nicht mehr vor der Kamera verstellen kann und man den normalen Alltag leben muss“. Jans Arbeitgeber wollten dabei nicht mitspielen: Im Büro gab es aus datenschutzrechtlichen und in der Kaffee-Küche aus gesundheitsrechtlichen Gründen und wegen Platzmangels keine Drehgenehmigung. So nahm sich der Darmstädter für das Mammutprojekt „Zwangsurlaub“, und zu sehen sind nun diese zehn freien Tage, die im Juli 2007 aufgenommen wurden.

Gedreht wurde im sogenannten Low-end-Verfahren, was die billigste Lösung war: Zwei Kameras laufen im Wechsel, rund um die Uhr. Noch häufiger musste das Personal gewechselt werden, das hauptsächlich aus Mitgliedern des Darmverlags bestand, dem Jan auch angehört. Wie viel Arbeit die logistischen Schwierigkeiten machten, lässt sich vielleicht hinter den nackten Zahlen erahnen: Vier Kameras (zwei auf Reserve), bis zu 15 gleichzeitig ladende Akkus, zwei eigens für diesen Film angefertigte Spezialstative und zu guter Letzt: ein Terabyte Speicherplatz. Zeitaufwendig waren trotz fehlender Schnitte zudem die Nachbearbeitungen auf Wunsch mitgefilmter Menschen, zum Beispiel das Unkenntlichmachen von Gesichtern oder auch Stimmen.

Ganz schön viel Aufwand für 240 Stunden alltägliche Situationen ohne Regieanweisungen oder gar Drehbuch. Dafür gibt es Authenzität bis zum Einschlafen. Und zwischendurch räumt die Polizei mitten in der Nacht die Wohnung, weil Explosionsgefahr wegen eines Lecks am Stromkabel unter dem Fußgängerweg vor Jans Wohnung bestand. Premiere hatte der Film im März dieses Jahres auf den Lichter-Filmtagen in Frankfurt am Main. Zur Zeit laufen weitere Bewerbungen bei Filmfesten, unter anderem in Weiterstadt. Aber: „Wird es jemals einen geben, der verrückt genug ist und sich den Film freiwillig komplett anschaut?“ Das fragt sich nicht nur Jan, der selbst erst zwei Stunden durchgehalten hat. Den Selbstversuch kann in naher Zukunft jeder, der will, unternehmen, denn eine DVD-Edition für das heimische Regal ist schon in Planung.