13 Semester
Foto: Lars Kempin

Ersetzt man das Wort Darm durch das Wort Film wird aus Darmstadt Filmstadt. So weit die Theorie. In der Praxis verirrt sich allerdings nur selten eine Produktion in die Provinz.

In den 70ern war Darmstadt Dreh­­­ort der Mini-Fernsehserie „PS–Geschichten ums Auto“, in den 80ern glänzte die Stadt als Schauplatz der beliebtesten deutschen TV-Familienserie „Diese Drombuschs“ sowie der sechs­­teiligen Suizid-Hommage „, Tod eines Schülers“. In den 90ern folgte dann der dreiteilige TV-Politthriller „Tödliche Wahl“ mit Jürgen Prochnow. Alle vier gehen auf das Konto des Darmstädter Regiealtmeisters Peter Stromberger. Neuerdings lockt es sogar Kinoproduktionen nach Darmstadt: 2006 drehte der Berliner Regisseur Ansgar Ahlers eine Episode für die Grundgesetzverfilmung „GG 19“. Und ab April ist Darmstadt wieder Szenerie für die große Leinwand: „13 Semester“ heißt die 2,3-Millionen-Euro-Produktion, in der das Studentenleben des angehenden Mathematikers Momo erzählt wird. Der Münchner Newcomer-Regisseur Frieder Wittich wollte für seine Komödie, in der es um Liebe,  Freundschaft und Selbstfindung geht, eine unverbrauchte Location abseits der hippen Großstädte. Herzlich und offen sei er in Darmstadt empfangen worden und vom Studentenkeller über die Mensa auf der Lichtwiese bis zum Mathematikgebäude im Martinsviertel war Wittich sofort angetan.

Der Mann hinter den Kulissen, der dafür sorgt, dass Regisseure wie Wittich schwärmen und Produktions­firmen und Filmcrews auf dem Weg zwischen den Filmmetropolen Köln, Hamburg, Berlin und München auch mal in Darmstadt Halt machen, heißt Christoph Rau. Er ist Location-Scout und organisiert Drehorte und Drehgenehmigungen. Bei „13 Semester“ sind diese fast ausschließlich Originalschauplätze, wie die Universität. Eine Art Egodusche für die TU Darm­stadt, der das heiß begehrte Siegel „Eliteuniversität“ Ende 2006 verwehrt blieb. Dass man die filmische Aufmerksamkeit zu schätzen weiß, dokumentiert die Homepage der TU. Dort kann man sich seit Wochen nicht nur für Kurse, sondern auch als Komparse für den Kinostreifen bewerben. „13 Semester“ soll im Frühling 2009 anlaufen und könnte dafür sorgen, dass der TU Darmstadt statt elitärem Flair ein Hauch Kultstatus zufliegt. Schließlich sind für die Wahl der passenden Uni Umfeld, Spaßfaktor und Sympathie nicht unerheblich.

Dass Wittich mit Spaß sympathisch umgehen kann, zeigt unter anderem sein Werbefilm „Keine Frage ohne Gegenfrage“ für die Schnell­esskette mit dem goldenen „M“, der vor vier Jahren beim wichtigsten deutschen und internationalen Werbefestival ADC und in Cannes prämiert wurde. Außerdem ist der 1974 in Stuttgart geborene Wittich seit 1998 selbst Student an der Hochschule für Fernsehen und Film München; er dürfte also mit den Höhen und Tiefen der Selbstfindung im Studium bestens vertraut sein.

Für „13 Semester“ hat Location-Profi Rau die richtigen Umfelder gefunden. Egal, ob im Netz oder im persönlichen Gespräch, wer mit Rau in Kontakt kommt, spürt sofort, dass seine Agenda über die Location-Vermittlung hinausgeht. Wie Beckenbauer den Breitensport Fußball promotet, preist Rau Darmstadt als Filmstadt an. Selbst Bollywood-Produzenten hat er schon über die Mathildenhöhe und durch den Orangeriegarten geführt.

Mal sehen, ob Film zukünftig stärker mit Darmstadt assoziiert wird. Mit der Wissenschaft hat es ja geklappt. „Wissenschafts- und Filmstadt Darmstadt“ würde sich allerdings auch gut machen. So weit die Theorie – fehlt nur noch mehr Praxis.