Ausgabe10_Nacht-der-Clubs
llustration: Daniel Wiesen

Tagsüber wirkt Darmstadt manchmal etwas verschlafen. Das liegt nicht am provinziellen Charakter dieser Stadt, sondern an manchen ihrer Bewohner. Die schlurfen nach durchzechter Nacht gähnend durch die Einkaufspassagen auf der Suche nach Vitaminbomben und sauren Gurken. Je nach Anzahl dieser verkaterten Party-Zombies muss nachts zuvor die Hölle los gewesen sein. Am Montag vor Silvester werden wieder solche Gestalten das Stadtbild prägen, denn nachts zuvor verwandelt sich die gesamte Stadt in ein einziger Party-Moloch: bei der Nacht der Clubs (NDC).

Bereits zum achten Mal präsentiert sich das Darmstädter Nachtleben am Sonntag, dem 28. Dezember, (fast) kollektiv. Das Prinzip: Ein nur einmalig entrichteter Eintrittspreis öffnet gleich mehrfach Türen und Party-Optionen. Als Rabatt-Vermarktung könnte das dieses Jahr lauten: „6-9-6 for 1 ticket“ – mit einem Ticket durch 6 Clubs mit 9 Bands und 6 DJ-Sets. Und zwischendrin rumkurven in eigens gecharterten Shuttle-Bussen mit bizarrer Live-Musik.

Bedanken für den Mangel an Schlaf und Kater danach könnt Ihr Euch bei Christian Jung. Er ist Initiator und bis heute hauptverantwortlich für diese alljährliche Party-Reihe, die im Jahre 2001 ins Leben gerufen wurde. „Es gab schon in den 90ern eine Veranstaltung namens Club-Connection. In einem Gespräch mit Michael Bode von der Centralstation kam mir der Gedanke, so etwas wieder zu probieren“, meint Jung zu den Anfängen der NDC. Bode war ehemals einer der Betreiber des legendären Kesselhauses und ist heute einer der Geschäftsführer der Centralstation. In eben jener arbeitet auch Christian Jung seit 1999 hauptberuflich als Programmgestalter. Aber schon seit Anfang der Neunziger tummelt er sich in der Darmstädter Musikszene (in Bands wie Silverscope und Krakeel) und arbeitete bereits als Booker im Eledil (heute Bruchtal) und dem damaligen Kesselhaus. Als Veranstalter wie auch Booker firmiert er seitdem unter dem Namen „Klangwerker“ als eingetragenes Einzelunternehmen.

„Die Idee der NDC war es, die Vielfalt der Darmstädter Klubs, Bands und DJs in einer Nacht präsentieren zu können. Und da die Veranstalter untereinander schon immer ein ziemlich gutes Verhältnis hatten, fiel der Vorschlag schnell auf fruchtbaren Boden“, schwärmt Jung.

Im Jahr 2002 begann die NDC-Reihe mit fünf Clubs, das steigerte sich 2005 sogar auf acht Clubs, pendelte sich aber in den letzten Jahren meist bei sechs ein: „Die Rechnung, ‚je mehr Clubs, desto mehr Publikum‘, funktioniert so einfach leider nicht. Daher mussten wir es eingrenzen.“ Es passen auch nicht alle Clubs ins Konzept, Live-Act und DJ-Set zu verbinden, da manche schlicht keine Bühne haben. Allerdings überlegt Jung, vielleicht schon im kommenden Jahr eine reine DJ-NDC zu planen, um auch diese Örtlichkeiten mal einbinden zu können.

Nur selten gab es Absagen von Clubs, meist wegen Terminproblemen, wie in diesem Jahr vom Schlosskeller, manchmal aber auch aus vermeintlich inhaltlichen Gründen. Die Oetinger Villa, langjährig Teil der NDC, seit 2007 aber nicht mehr dabei, schien die aus ihrer Sicht zu kommerzielle Ausrichtung und Sponsoren-Auswahl zu bemängeln, vermutet Jung. Nicht ganz nachvollziehbar, bedenkt man, dass Jung sich – trotz besserer Angebote – auf regionale Sponsoren beschränkt und Bedenken der Clubs berücksichtigt. Er bedauert den Rückzug der Villa sehr, hofft aber, sie in den nächsten Jahren wieder für die NDC gewinnen zu können.

Ohne Sponsorengelder wäre das ambitionierte Programm samt Shuttle-Bussen kaum finanzierbar, zumal dieses Jahr noch mehr überregionale Künstler vertreten sein werden: Bernd Begemann aus Hamburg, die Mezcaleros aus Mainz und Supershirt aus Berlin. „Wir werden mittlerweile über die Grenzen Darmstadts hinaus wahrgenommen. Und es bestand auf Dauer die Gefahr, sich in der Programmgestaltung zu wiederholen“, sagt Jung. Der lokale Aspekt geht aber nicht verloren, die restlichen Bands und DJs sind bewährte wie auch neue Künstler dieser Stadt.

Teile des Publikums beschränken sich eh rein aufs Shutteln zwischen den Clubs, denn in den zwei eingesetzten Bussen werden die Fahrgäste durch oft reichlich seltsame, aber umso amüsantere Auftritte unterhalten. Dieses Jahr übernehmen diesen Part die Förster vom Silberwald und Ugly Two & The Halfnaked Cowboy. Allein die Namen versprechen einiges. Christian Jung bewundert dabei die Nervenstärke der Busfahrer: „Die sind verdammt belastbar und haben selber großen Spaß an der Sache.“ Er selbst bekommt eigentlich kaum etwas mit von den Auftritten in den einzelnen Clubs. Trotz mehrmonatiger Vorbereitungszeit wird ihm auch in der Nacht selbst viel abverlangt, da er überall gleichzeitig Probleme lösen soll. Der 39-jährige schluckt das geduldig, denkt jedoch darüber nach, die nächsten NDCs in Teamstärke anzugehen. Größere Pannen gab es aber bisher selten. Nur letztes Jahr hatte ein Club seine Teilnahme glatt verpennt, zumindest standen die Künstler erstmal vor verschlossenen Türen.

Die NDCs waren bisher große Erfolge, was auch am Termin vor Silvester lag. „Zwischen den Jahren kommen doch alle heim nach Darmstadt“. So hofft Jung, dass der diesjährige Sonntags-Termin keinen wirklichen Nachteil birgt. Denn auch die Abläufe der Nacht sind noch publikumsfreundlicher gestaltet: Es gibt unterschiedliche Anfangszeiten der Live-Acts, so dass per Shuttle möglichst viel erlebt werden kann. Das alles klingt nach heftigem Party-Marathon, den man so schnell nicht vergisst. „6-9-6 for 1 ticket“, ein verdammtes Schnäppchen. Und am nächsten Tag gähnend durch die Einkaufspassage schlurfen.

www.klangwerker.net