Unser beschauliches Städtchen ist reich an Kultur-Initiativen und das ist eine prima Sache. Blumen, Osthang, Vielbunt, Gute Stube, Starwhore Corporation, Bedroomdisco, Essbares Darmstadt – es gibt echt viele Gruppen und Teams, die in Darmstadt aktiv mitgestalten. Auch das Zucker gehört zu diesen ehrenamtlichen Initiativen, deren Akteure einfach selbst Programm machen. Und das seit mittlerweile schon zehn Jahren: Happy Birthday, liebes Zucker!
Am 1. November 2008 wurde das Zucker in der Liebfrauenstraße 66 eröffnet, damals als Laden für selbstgemachte Dinge, betrieben von einem zehnköpfigen Kollektiv. Alle im Team hatten Bock auf einen eigenen Laden, auf schöne Sachen von kleinen Labels, auf Produkte mit Seele – und haben sich das einiges kosten lassen, an Zeit und Geld. Nach zwei Jahren war allerdings klar, dass man einen Laden mit festen Öffnungszeiten nicht so einfach nebenher zum Vergnügen stemmen kann. Aber was würde aus dem tollen Raum? Die damalige Initiatorin Yvonne Sedlacek erinnert sich: „Wir haben da von Grund auf renoviert, monatelang, haben so viel Herzblut reingesteckt – und wollten die 50 Quadratmeter nicht einfach so wieder hergeben. Schon gar nicht, damit daraus ein langweiliges Versicherungsbüro oder eine Fahrschule wird.“ Das Ganze war ja offensichtlich geschaffen für schöne Ideen. Und in diesem Gedanken steckte auch schon die Lösung. „Wir kamen dann darauf, diesen Freiraum anzubieten, damit andere die Fläche und die Infrastruktur nutzen können – für eigene Ideen, für Kulturveranstaltungen, um sich selbst kreativ auszuprobieren.“
Erst selbstgemachte Produkte, dann selbstgemachte Events
So wurde das Zucker zum Kulturraum und die ehemaligen Ladenbetreiber wurden zu Event-Paten. Dass dafür ein Verein gegründet werden musste – so what?! Entsprechend steht das Projekt seit November 2010 mit dem Namen „Verein zur Förderung der Selbstmach-Kultur in Darmstadt“ im Register. Nach wie vor ehrenamtlich, aber in mittlerweile gewechselter Besetzung, betreut das Zucker-Team seitdem Veranstaltungswillige und setzte auch selbst schon viele verrückte Ideen um. Unvergessen beispielsweise das monatliche Bierhäkeln mit Schallplatten-DJ, das Schlechte-Witze-Festival am Aschermittwoch oder die legendäre Crazy-Shit-Tombola. „Außer den tollen Quatsch-Sachen gab es auch etliche Events, aus denen später erfolgreiche Reihen entstanden sind“, erinnert sich Joanna Jasko, die von 2010 bis 2016 im Zucker-Team aktiv war. „Zum Beispiel der Workschoppe und der Vorleseabend, die starteten damals im Zucker. Und bei einer Street-Art-Ausstellung hat Cøda aufgelegt, den kennt mittlerweile jeder. Oder das „Offene Biertrinken“, bei dem Quintess sein DJ-Debüt gegeben hat – jetzt macht er den Soulfood Club.“ Und auch das Aufschnitt am Riegerplatz hat erst mal im Zucker probiert, bevor im Frühjahr 2013 ein eigener Laden eröffnet wurde.
Applaus für den Support
Die 10-Jahre-Geburtstags-Sause findet übrigens im Weststadtcafé statt und nicht im Zucker selbst, denn im eigenen Raum ist immer um 22 Uhr Feierabend. Schon den Nachbarn zuliebe, die das Projekt schließlich von Anfang an durch ihre Toleranz unterstützt haben. Von allen Seiten gibt es diesen wohlwollenden Support – auch das soll mal erwähnt sein, wo doch ansonsten in Sachen Kultur viel rumgemaulert wird. Applaus hierfür: Die Vermieterin gewährt einen freundlichen Tarif, die Buchhändlerin gegenüber macht den Schlüsseldienst für die Getränkelieferungen, die Ämter agieren gutmütig und zahlreiche Darmstädter/innen überweisen als Förderer jeden Monat fünf Euro oder mehr. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Geld ist ja immer Thema bei Kultur-Projekten, die nicht subventioniert werden. Auch beim Zucker ist alles auf Kante gestrickt, der Kulturverein finanziert sich durch den ehrenamtlichen Einsatz des Teams und die Spenden der Gäste. Trotzdem wird die Geburtstags-Sause in der Weststadt keinen Eintritt kosten, schon aus Prinzip.
Wie funktioniert das finanziell?
Genau genommen steht der Kulturraum finanziell auf vier Füßen: monatliche Beiträge der Vereinsmitglieder, monatliche Beiträge der Förderer, Mietzahlungen der Nutzer, also der Veranstalter/innen, und tägliche Spenden der Gäste für die Erfrischungsgetränke, die sie im Zucker über die Theke gereicht bekommen. Einnahmen durch Eintrittsgelder gibt es nicht, denn es gehört zu den Goldenen Regeln des Zuckers, dass alle Veranstaltungen kostenfrei zugänglich sind. Wenn Besucher, die es sich leisten können, etwas mehr für ihre Getränke spenden, können Besucher ohne Kohle auch dabei sein. Und diese Rechnung ging bisher immer auf.
Was geht denn so im Zucker?
Das schlichte Einrichtungskonzept sorgt dafür, dass der Raum superflexibel ist: Alles ist weiß, alle Elemente sind mobil, so dass ganz nach Bedarf verändert werden kann. Für Ausstellungen oder Workshops, Bastel-Events oder Spiele-Abende, Theater, Lesungen, leise Konzerte, Vorträge, die öffentliche P-Redaktionssitzung oder was auch immer. Wer etwas veranstalten möchte, schreibt am besten eine Mail an das Zucker-Team. Wer zuerst mal als Gast vorbeischauen will, guckt sich das Programm auf der Website an. Dort finden sich auch die Basis-Infos, wie es mit dem Mieten, dem Fördern und dem Mitmachen läuft.
Apropos Mitmachen: Leander Lenz, seit 2016 der Vorstand des Zucker e. V., berichtet, dass die ganze Sache im Moment von nur fünf, sechs Leuten gewuppt wird. „Wir freuen uns echt über Verstärkung. Wenn Ihr also Lust habt, Kulturraum-Anbieter zu werden und bei uns im Team mitzumachen, dann kommt einfach vorbei: Wir treffen uns jeden dritten Dienstag im Monat ab 20 Uhr im Zucker. Ihr könnt Euch hier prima selbst austoben und dabei noch vielen anderen Starthilfe geben – ist doch ne feine Sache.“
Große Geburtstags-Sause: 10 Jahre Zucker
Impro-Theater Tumult & Unfug (20 Uhr)
Crazy-Shit-Tombola (21 Uhr)
Schlechte-Witze-Festival (22 Uhr)
Das „mit musigg“-DJ Team legt auf (23 Uhr)
Weststadtcafé | Sa, 10.11. | ab 19.30 Uhr | Eintritt frei
Kontakt zum Zucker-Veranstaltungsraum: Zucker e. V., Verein zur Förderung der Selbstmach-Kultur in Darmstadt, Liebfrauenstraße 66, im Martinsviertel, info@zuckersachen.de
Monats-Programm und Hintergrundinfos: www.zuckersachen.de