Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

24/7 Diva Heaven spielen eine rockig-rotzige Mischung aus Punk und Grunge mit ordentlich Feuer unterm Hintern. Nach ihrem in Darmstadt aufgenommenen Debütalbum „Stress“ im letzten Jahr, kann man die Berliner Band – mit einer Exil-Darmstädterin als Gitarristin und Sängerin – bereits gelegentlich als Vorband der Beatsteaks sehen, wie etwa im Juli beim Darmstädter Endlich Open Air. Ihre Texte thematisieren unter anderem Feminismus, Ungleichheit und Rassismus. Wir sprechen mit Karo Paschedag (Bass), Mary Westphal (Schlagzeug) und Katharina „Kat“ Ott-Alavi (Git/Voc) auf dem Nonstock Festival im Odenwald über Sexismus in der Musikindustrie, schmelzende Butter und ihre Verbindung zur Darmstädter Kulturszene.

 

Cool, dass Ihr da seid und Euch die Zeit nehmt, obwohl Ihr heute Abend noch als Headliner spielt. Ihr seid auch eben erst auf dem Nonstock Festival angekommen, wo kommt Ihr gerade her?

Mary: Hi! Ja, schön hier zu sein. Wir sind gerade erst aus dem Bus raugepurzelt. Wir kommen gerade aus München, da haben wir im Milla Club gespielt. Jetzt sind wir hier, es war eine lange Reise, die Autobahn war viel zu voll … Aber es ist ein total gemütliches Ambiente, voll schön! Morgen spielen wir dann in Leipzig.

 

Ihr seid aktuell viel unterwegs. Eure Homebase als Band ist aber Berlin, wo Ihr auch in der Szene aktiv seid und Euch in einem Kollektiv engagiert. Was hat es damit auf sich?

Mary: Genau, Grrrl Noisy haben wir zusammen mit vielen Freundinnen und Leuten aus der Berliner Musikszene gegründet, weil uns da einfach was gefehlt hatte: zum Zusammentreffen, aber auch weil uns viele Anfragen erreicht haben zu Fragen, wie man eigentlich eine Band gründet oder wie man ein diverseres Bühnenprogramm bei Veranstaltungen machen kann. 2019 haben wir uns deswegen zusammengetan und gesagt: Wir veranstalten jetzt einfach mal so ein Event, was hier so fehlt, und haben dann auch zu einer Jam Session eingeladen. Weil Musik ja das ist, was uns alle verbindet. Da brauchen wir nicht viel reden, da ist viel Hören und viel Fühlen dabei. Und natürlich geht’s dann auch nicht nur ums Musik machen, sondern auch um alles vor und auf der Bühne, die Technik und so weiter. So wollen wir FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) eben unterstützen und empowern.

 

Wie war das Feedback? Berlin hat ja eine viel größere Szene als zum Beispiel Darmstadt. Hier kennt man sich und es ist relativ familiär. Wie ist das so, wenn man in der Hauptstadt was Neues auf die Beine stellt? Sind da dann Leute auf Euch zugekommen oder bleiben alle eher so für sich?

Kat: Ja, Berlin ist groß und es gibt viele Leute, aber was ich zum Beispiel ziemlich erstaunlich fand, war, dass als die erste Jam Session stattgefunden hat, von vornherein ziemlich viele Leute da waren. Das Feedback ist ziemlich positiv und es werden auch immer mehr Leute. Und es gründen sich tatsächlich auch Bands innerhalb dieses Raums. Ich glaube auch, dass das viel Potenzial hat, noch größer zu werden. Also auf jeden Fall ist die Nachfrage da, hat man gemerkt.

 

Du, Kat, kommst ja auch ursprünglich aus der Darmstädter Szene, oder?

Kat: Ja, also ich habe in Darmstadt studiert und gewohnt und bin immer noch großer Darmstadt-Fan. Darmstadt forever! Im 806qm, damals noch 603, habe ich dienstags am Kneipenabend immer an der Bar gearbeitet. Über ein paar Ecken kenn‘ ich natürlich auch die Leute vom Nonstock und wie Du schon gesagt hast: Darmstadt ist klein und man kennt die Leute, die da Kultur machen. Und das fand ich auch das Schöne, muss ich sagen. Also dass man sich da einfach vernetzen kann und wenn man die eine Person irgendwie kennt, kennt man die andere gleich auch. Ich finde, dadurch kann man kulturmäßig auch ziemlich schnell was bewegen.

 

Und im 806qm spielt Ihr ja jetzt im Herbst auch [am 02. November]. Wie ist das jetzt, dort aufzutreten, wo Du früher gearbeitet hast? Wäre es in Frage gekommen, auch woanders in Darmstadt zu spielen, zum Beispiel in der Villa oder der Centralstation?

Kat: Wir haben ja damals mit Fat & Holy Records, wo ich so ein bisschen mitgemischt habe, auch in der Oetinger Villa viel veranstaltet – ich würde jederzeit in der Villa spielen! Und auch in der Centralstation. Generell komme ich nach Darmstadt sehr, sehr gerne zurück. Ich freu‘ mich immer dolle, wenn ich dann auch alle meine Freundinnen und Freunde sehe.

 

Um mal zu Eurer Musik zu kommen: Die beschreibt ihr als „butter meltin‘ rock“. Was genau heißt das?

[alle lachen] Karo: Das würde ich auch mal gerne wissen.

Kat: Ich wollte einen catchy Slogan. Etwas, dass das Ganze kurz zusammenfasst. Uns wurde zugetragen, dass Leute nicht so erwarten, dass da so ein hartes Riff aus der Gitarre kommt, wenn sie uns sehen. Und ich glaube, wir spielen einfach so ein bisschen mit diesen Gegensätzen: irgendwas Süßes und irgendwas Hartes. Damit verwirren wir die Leute ganz gerne.

Karo: Und Butter ist ja bekannterweise super süß …

Kat: Ich dachte so, wenn man etwas zum Schmelzen bringt, ist man ganz ganz dolle süß.

 

Es gibt ja auch diesen Begriff „Riot Grrrl“, der immer im Raum steht. Wollt Ihr einmal erklären, was das bedeutet und könnt Ihr Euch überhaupt mit diesem Begriff identifizieren?

Kat: Ich finde gut, dass Du das fragst. Weil ganz oft wird man einfach so als Riot-Grrrl-Band bezeichnet, ohne dass jemand nachgefragt hat, ob man sich dieser Tradition überhaupt zugehörig oder so fühlt – was wir, würde ich sagen, natürlich tun. Aber nur, weil es jetzt per se drei Frauen sind, die Rockmusik machen, ist es natürlich nicht gleich eine Riot-Grrrl-Band. Das wird eben oft so gesagt.

Mary: Das ist ja auch eine große Inspirationsquelle. Die Riot-Grrrl-Bewegung kommt ja aus den 90ern und da fühlen wir uns auch sehr hingezogen. Also am Sonnabend bin ich zum Beispiel bei Bikini Kill auf einem Konzert, darauf warte ich jetzt schon ewig. Und auch Grrrl Noisy basiert auf der Bewegung der 90er, daher auch das „Grrrl“ mit drei „r“. Aber trotzdem haben wir natürlich nicht so Musik angefangen von wegen: „Das sind jetzt unsere großen Vorbilder und wir wollen genau so sein und müssen genau diese Texte und genau diesen Sound haben.“ Wir haben auch einfach an dem Feedback, was wir bekommen haben, festgestellt, wie politisch man doch schon sein kann, einfach wenn man so in der Dreier-Combo ist, wie wir es sind. Obwohl wir nicht sagen: So, jetzt sind wir politisch. Und auch unabhängig von unserer Musik oder uns als Privatpersonen.

 

Es gibt auch diesen Begriff „All-Girl“, der dann fällt, oder dieses „female fronted“.

Karo: Female fronted is not a genre.

 

Genau. Was denkt Ihr denn zu diesem Gegensatz? Auf der einen Seite die Position, dass Bands mit einer Frontfrau sagen, sie sorgen mit diesem „Label“ so lange für Sichtbarkeit, bis es eben so normal ist, dass man diesen Umstand nicht mehr hervorheben muss. Und auf der anderen Seite die Position, dass die Band mit so einem Begriff nur darauf reduziert wird, ungeachtet der eigentlichen Musik.

Karo: Ich glaube, das muss vielleicht jede für sich beantworten. Ich finde das ganz schön kritisch, weil man sagt ja auch nicht „male fronted“ oder „all-male-Band“. Ich meine, es ist ja leider Fakt, dass es einfach noch ein männerdominiertes Genre/Business ist, aber ich finde, deswegen muss man nicht immer, wenn eine Frau „sogar“ Gitarre spielt, das so hervorheben von wegen: „Oh schau mal, die können was! Wie exotisch!“ Ich finde das eher schwierig, auch wenn ich natürlich verstehe, dass man das irgendwie zeigen und mehr an die Öffentlichkeit bringen möchte. Doch ich finde auch nicht, dass man das mit Begrifflichkeiten machen muss. Das geht zum Beispiel auch durch guten Journalismus.

Kat: Das ist immer so ein Dilemma. Es braucht halt eben noch so Sachen wie zum Beispiel Grrrl Noisy und dass wir Veranstaltungen ausschließlich für FLINTA*-Personen machen. Da kommt dann auch oft mal der Vorwurf, dass das ebenfalls Sexismus sei, weil wir das ja nur für FLINTA*s machen …

 

Und was antwortest Du dann darauf?

Kat: Ich bin eine Person, die dann nicht gerne in diese Anti-Haltung geht und direkt losprescht, sondern ich versuche, das zu erklären. Unser Wunsch ist natürlich auch, dass es das nicht mehr braucht. Aber solange noch diese Ungleichheit herrscht, muss es, glaube ich, manchmal diese Hervorhebung geben. Doch was Karo sagt, ist auch absolut richtig. Ich finde, Journalismus könnte einfach versuchen, bei diesen Bands, die es ja schon gibt, nicht immer so sehr „all-female“ und so weiter zu betonen, sondern einfach die Bands, die gefallen, in das Heft mit aufzunehmen. Vielleicht wird es dann irgendwann auch einfach mehr Normalität.

Karo: Dasselbe ja auch im Booking. Da könnte man auch mehr gucken, dass es eher in Richtung 50:50-Verteilung geht. Oder vielleicht 60:40, was man halt bekommen kann. Aber halt einfach mehr in das Repertoire nehmen und bedenken, dass man auch FLINTA*-Bands booken könnte, die es nämlich schon gibt. Es wird immer gesagt, es gäbe keine, aber das ist nicht wahr. Es wird nur nicht ordentlich gesucht.

Kat: Auch dann immer die Kommentare, dass diese Bands nur nicht auf den Line-ups sind, weil sie nicht gut genug seien … Wenn man halt diesen Bands auch nicht die Chance gibt, irgendwie in Vorprogrammen oder in früheren Slots zu spielen oder generell mal die Chance gibt, aufzutreten, dann werden sie auch nicht besser. Es gibt viele FLINTA*-Bands, die nicht besonders gut sind, weil sie die Erfahrung noch nicht haben …

Karo: Es gibt auch viele Dude-Bands, die auch nicht gut sind.

Kat: Ganz genau, aber die haben wiederum den Vorteil, dass da nicht so genau hingeguckt wird. Die haben dann halt in ihrer Schule einen Proberaum, haben Kumpels, die ein bisschen rumjammen und alle fangen halt mal an. Die kommen da viel schneller rein. Bei FLINTA*-Leuten dauert das mitunter ein bisschen länger, bis die ihre Base finden. Und wenn sie dann auch nicht auf Bühnen gebucht werden, dann führt das dazu, dass sie sich halt auch nicht professionalisieren können.

 

Jetzt hast Du eben erklärt, dass es oft alleine schon durch die Strukturen für Kerle einen einfacheren Einstieg auf die Bühne gibt. Was muss sich denn Eurer Meinung nach sonst noch konkret in der Musikindustrie oder der Veranstaltungsbranche ändern?

Karo: Empowerment wäre schon mal so ein Punkt. Einfach das Unterstützen und Fördern von FLINTA*-Künstler:innen. Dann eben, wie gesagt, Journalismus, also aufmerksam machen …

Mary: … und dass man sich da auch wirklich mal von gewissen Wörtern verabschiedet. Was mich immer super nervt: „24/7 Diva Heaven, die drei charmanten Damen“. Kotz! Ey, wenn du nach „drei charmanten Männern“ suchst, kommst du zu irgendeiner scheiß Schlager-Band. Da denkst du dann: Ja, toll, da bin ich ja nicht unterwegs, und ich will auch nicht mit einer Schlager-Band verglichen werden. Und was mir als Frau halt auch einfach fehlt, sind Vorbildfunktionen.

Kat: Als ich damals angefangen habe, in meiner Schülerband zu spielen, war ich das einzige Mädchen auf der Schule, die überhaupt irgendwas gespielt hat. Und ich glaube, wenn es einfach normaler wäre, dass die – keine Ahnung – Ulrike in Deiner Klasse Schlagzeug spielt, und die Marike spielt irgendwas anderes und dann treffen die sich im Proberaum, dann wird das halt auch normaler. Wir merken bei Grrrl Noisy wirklich den Effekt im Kleinen. Wenn da einfach Bands auftreten und Leute andere Bands sehen und dann sagen: „Ey, jetzt trau ich mich! Jetzt gründe ich auch eine Band. Wir können das auch, wir machen das einfach.“ Und plötzlich gibt es schon wieder eine Band mehr. Und je normaler das wird und je normaler das auch im Journalismus behandelt wird, desto schneller geht es auch. Und dann gibt es auch noch mehr Bands, die man auf Bühnen setzen kann. Es stimmt ja nicht, dass Frauen nicht gerne Rockmusik hören oder auf ein Festival gehen. Nur vielleicht würde sie manchmal auch ein anderes Programm interessieren.

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