Mit dem Abstiegskampf wird der SV Darmstadt 98 in diesem Jahr so gar nichts zu tun haben. Ganz anders war das – unter anderem – vor genau 40 Jahren. Im ersten Halbjahr 1982 kämpften die 98er ebenso verzweifelt wie letztlich vergeblich gegen den Abstieg aus der Bundesliga. Trotz des enttäuschenden Abschneidens ließ seinerzeit allen voran ein Spieler positiv aufhorchen: Peter Cestonaro.
Der damals 27-jährige Mittelstürmer war während seiner sechseinhalb Jahre beim SVD so etwas wie die eingebaute Torgarantie. 1976 aus dem mittelhessischen Haiger nach Darmstadt gekommen, benötigte er zunächst eine etwas längere Anlaufzeit, ehe am Ende seiner Premierensaison der Knoten platzte. In sechs der letzten sieben Zweitligapartien gelang ihm je ein Treffer. In der darauffolgenden Spielzeit 1977/78 schraubte er sein Torkonto auf 25 Treffer und trug so maßgeblich zum erstmaligen Bundesligaaufstieg der 98er bei. Dort konnte er seine Treffsicherheit allerdings nicht wie gewünscht unter Beweis stellen. Verletzungsbedingt lief er lediglich in 23 Partien auf und kam so auf „nur“ neun Treffer. Dass neben ihm auch die Leistungsträger Walter Bechtold und Manfred Drexler zeitweise fehlten, galt damals als einer der Gründe für den postwendenden Abstieg.
Namhafte Keeper hatten das Nachsehen
Auch in der anschließenden Zweitligasaison blieb Cestonaro, dessen Urgroßvater im 19. Jahrhundert aus Italien nach Hessen gekommen war, das Verletzungspech treu. Die Hälfte der Saison musste er aussetzen, konnte aber dennoch elf Tore erzielen. Als er in der darauffolgenden Spielzeit wieder fit war, trug er mit seinen 16 Kisten zum zweiten Bundesligaeinzug bei. Dieses Mal wollte er sich in der höchsten Spielklasse nachhaltig in Erinnerung rufen. Während er in der Hinrunde fünf Treffer schoss, startete er mit dem Jahreswechsel so richtig durch. Elf weitere Tore brachte er Anfang 1982 im Gehäuse der Gegner unter. Dabei überwand er durch die Bank Keeper, die seinerzeit zu den besten ihres Fachs zählen. Er bezwang Deutschland Nummer 1, Toni Schumacher, im Spiel gegen den 1. FC Köln, genauso wie mit Bernd Franke Deutschlands Nummer 2 in der Partie gegen Eintracht Braunschweig. Auch Bayerns Walter Junghans und Mönchengladbachs Wolfgang Kleff schenkte der Torjäger der 98er jeweils einen Treffer ein. Und Lauterns langjähriger schwedischer Nationalkeeper Ronnie Helmström musste ebenfalls hinter sich greifen.
Zahlreiche WM-Fahrer waren weniger treffsicher
Besonders aufhorchen ließ Cestonaro Mitte Februar 1982, als er drei Treffer gegen Werder Bremens Rekordkeeper Dieter Burdenski erzielte. Dass es in dieser Partie dennoch nur zu einem Punkt reichte, verdeutlicht die ganze Misere der damaligen Saison. Cestonaro und sein Sturmpartner Bodo Mattern trafen vorne zwar regelmäßig, noch regelmäßiger fielen allerdings hinten die Gegentore. So war der neuerliche Abstieg die logische Konsequenz. Doch zuvor trotzten die Lilien im vorletzten Heimspiel dem späteren Meister Hamburger SV am Böllenfalltor einen Punkt ab. Beim 2:2 erzielte – natürlich – Cestonaro die beiden Treffer seines Klubs. Am Ende hatten in der zweiten Halbserie nur drei Bundesligaspieler häufiger getroffen als der groß gewachsene Angreifer. Über die gesamte Saison betrachtet landete er mit 16 Treffern an Position 7, und das ganz ohne Elfmeter, denn die schoss Mattern. Eine starke Bilanz für den Angreifer eines Absteigers. Cestonaro hatte damit auch in der 1. Liga nachgewiesen, dass er weiß, wo das gegnerische Tor steht. Und: Mit Pierre Littbarski, Klaus Fischer und Karl-Heinz Rummenigge ließ er gar drei Stürmer in der Endabrechnung hinter sich, die im Sommer 1982 zur Fußball-WM nach Spanien fuhren und als Vizeweltmeister zurückkehrten.
Abruptes Ende
Mit 21 Torerfolgen ist Cestonaro bis heute der treffsicherste Spieler der Bundesliga-Historie des SVD. Und auch in der Zweitligabilanz reicht ihm klubintern so schnell keiner das Wasser. Dabei hätte er seinen Vorsprung noch weiter ausbauen können. Doch nach dem Bundesligaabstieg steuerte er zwar weiterhin seine Tore bei, es wollte aber nicht mehr so recht stimmen bei den 98ern. Die Ergebnisse ließen zu wünschen übrig und es kam Unruhe auf. Die zarten Hoffnungen auf eine Bundesliga-Rückkehr hatten sich jedenfalls schon früh zerschlagen – und Trainer Manfred Krafft reagierte mit der Ausbootung einiger Spieler. Dass Cestonaro zu ihnen gehörte, sorgte bei den Fans für große Verwunderung. Der Angreifer ging zum Ligarivalen nach Kassel und machte dort mit dem Toreschießen weiter.
Weiterhin unerreicht
Bis heute ist Cestonaro ein Schwergewicht unter den Lilien-Angreifern. Nicht von ungefähr taucht sein Name im Fan-Evergreen „Europapokal“ von Milton Fisher auf. Zudem hat sich mit „Cestonaros Erben“ sogar eine Fangruppe nach ihm benannt. Seine 97 Tore für die 98er sind seither unerreicht. Kein Bruno Labbadia, kein Dominik Stroh-Engel, kein Sandro Wagner und auch kein Serdar Dursun kamen auch nur in die Nähe seiner Ausbeute, wenngleich Dursun ihn in der Anzahl der erzielten Tore pro Spiel überbieten konnte. Mit Phillip Tietz und Luca Pfeiffer haben sich in der aktuellen Saison zwei treffsichere Schützen beim SVD gefunden. Mit jeweils zwölf Treffern lassen sie Erinnerungen an das Sturmduo Cestonaro/Mattern aufkommen. Mal schauen, wie nahe sie Cestonaros Zweitligabestwert von 25 Treffern in einer Saison kommen werden.
Von Spiel zu Spiel denken!
Fr, 04.03., 18.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – 1. FC Heidenheim
Fr, 11.03., 18.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – SV Sandhausen
Sa, 19.03., 20.30 Uhr: Werder Bremen – SV Darmstadt 98
Matthias und der Kickschuh
Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!