Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Sport, der in Darmstadt betrieben wird, und – Trommelwirbel – nicht Fußball ist? Vor lauter Lilienfieber ist’s ein bisschen in den Hintergrund geraten, aber: Jawohl, das gibt’s. Hier stellen wir sie vor, die Sportarten, die (noch) nicht von einem großen Publikum bejubelt werden. Zum Beispiel, weil sie bislang kaum jemand kennt. Oder weil sie eben einfach zu speziell sind, um die Massen zu begeistern. Oder vielleicht, weil man lieber unter sich bleibt? Wir gucken uns das für Euch aus der Nähe an. In dieser Ausgabe: Bouldern.

Die Sonne brennt mir auf den Nacken. Ich stehe vor einem großen Backsteingebäude mit Sprossenfenstern in der Landwehrstraße am Beginn der Weststadt. In auffälligen Lettern am Eingang steht: „Boulderhaus Darmstadt“. „Bouldern“ – dieser Begriff fällt in letzter Zeit auch immer öfter in meinem Umfeld. Überwiegend höre ich ihn aus dem Mund meiner Kommiliton:innen und junger, sportbegeisterter Leute. Geklettert bin ich schon immer gerne. Als Kind vor allem auf Bäume und Felsen, heute auf den ein oder anderen Berg bei abenteuerlichen Wanderungen. „Wie schwer kann es also sein, mithilfe von kleinen Griffen und Trittsteinen aus Kunststoff an einer Wand hochzuklettern?“, denke ich mir.

Von Farben und Stufen

An der Anmeldung begrüßt mich Max, der mir nicht nur spezielle Boulder-Schuhe – die enger als gewöhnliche Schuhe und somit besser zum Klettern geeignet sind –, sondern auch eine kurze Einweisung gibt. Vorab muss ich noch eine Einverständniserklärung unterschreiben, und nach einem kleinen Warm-up kann es losgehen. In der weitläufigen Halle gibt es insgesamt acht vier Meter hohe Blöcke mit unterschiedlichen Kletterrouten und Trittsteinen in verschiedenen Farben, die die Routen markieren. Um Verletzungen durch Stürze von den Kletterblöcken zu vermeiden, sind unter allen Boulderblöcken dicke Weichbodenmatten ausgelegt. Kleine Zettel an den Steinen zeigen den Schwierigkeitsgrad an. Sechs Stufen – von weiß für Anfänger bis schwarz für Profis – gibt es. Außerdem eine Kinderstufe (orange) und Jokersteine (rosa) zur Unterstützung. Anders als beim Klettern in einer „normalen“ Kletterhalle wird man beim Bouldern nicht angeseilt, sondern klettert völlig frei und ohne durch einen Gurt oder ein Seil gesichert zu sein. Dabei klettern Boulder-Fans in der Regel nicht höher als vier Meter, da man aus dieser Höhe kontrolliert abspringen und ohne Verletzungsgefahr auf den Matten landen kann.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co
Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Hoch hinaus im Boulderhaus

Höhenangst habe ich keine, trotzdem ist mir etwas mulmig zumute, als ich vor einem der Blöcke stehe und mir die Kletterroute anschaue. Natürlich fange ich mit der leichtesten Schwierigkeitsstufe an. „Da soll ich wirklich hochklettern?“, schießt es mir durch den Kopf. Der Weg nach oben kommt mir plötzlich sehr weit und riskant vor. Vorsichtig setze ich meinen Fuß auf den untersten Stein und halte mich mit meiner rechten Hand an einem weiter oben montierten Griff fest. Langsam arbeite ich mich – Schritt für Schritt und Griff und Griff – immer weiter Richtung „Gipfel“. Dann habe ich mein Ziel, den letzten Stein, erreicht und staune kurz über mich selbst. Hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht. Auch den Weg nach unten finde ich, wenn auch mit etwas wackeligen Beinen, wieder. Bei der nächsten Route fühle ich mich schon selbstsicherer. Bald darauf sind meine anfänglichen Ängste verflogen und das Bouldern macht mir richtig Spaß. Ich wage mich sogar an schräge Wände und die nächste Schwierigkeitsstufe.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Konditionsknackpunkt

Einige Zeit und einige erklommene Kletterblöcke später merke ich, dass meine Kondition noch ausbaufähig ist, denn die Belastung von Händen, Armen und Beinen wird auf Dauer ziemlich anstrengend. Kleine Verschnaufpausen zwischendurch gönnen sich aber sogar die echten Boulder-Profis, wie ich feststelle.

Übrigens: Damit die Routen für regelmäßige Besucher:innen nicht langweilig werden, werden die Steine zwei Mal in der Woche – immer dienstags und freitags – neu geschraubt.

Nach etwa zwei Stunden bin ich etwas erschöpft, fühle mich aber auch ein bisschen stolz und könnte noch den ganzen Tag weiterklettern – wenn meine Muskeln nur mitspielen würden. In diesem Moment denke ich noch nicht an den heftigen Muskelkater, der mich am nächsten Morgen erwarten wird. Den nächsten Besuch im Boulderhaus Darmstadt plane ich trotzdem schon!

 

 

Bouldern: Was gibt’s zu beachten?

Feste Regeln für das Bouldern gibt es nicht. Vor jeder Klettereinheit ist ein kleines Warm-up zu empfehlen, da die verschiedenen Muskelgruppen während des Bouldern stark belastet werden. Die Kraft sollte dabei eher aus den Füßen und Beinen kommen, damit Energie in den Händen und Armen gespart werden kann und das Klettern so auf Dauer leichter fällt. Die Kletterrouten und den Schwierigkeitsgrad wählt man nach Gefühl, denn man merkt schnell, wenn eine Route zu anspruchsvoll ist.

 

 

Mitmachen

Eine Tageskarte im Boulderhaus Darmstadt kostet regulär 13 Euro (für Studis und Co. ermäßigt: 12 Euro), Kinder unter vier Jahren zahlen nichts. Reguläre Monatskarten kosten 55 Euro (ermäßigt 49 Euro) und eine Mitgliedschaft mit zwölf Monaten Mindestlaufzeit 49 Euro pro Monat (ermäßigt 44 Euro).

Das Boulderhaus bietet auf Anfrage auch Einzeltraining und feste Gruppenkurse an, zum Beispiel „Women only“ oder Kinder-Bouldern. Boulder-Schuhe und „Chalk“ (Kreide) können vor Ort ausgeliehen werden. Jeden Montag gibt es außerdem einen offenen Boulder-Treff. Anmelden fürs Boulder-Training könnt Ihr Euch per Mail an darmstadt@boulderhaus.com.

Geöffnet hat das Boulderhaus Darmstadt in der Landwehrstraße 75 täglich von 9 bis 23 Uhr.

boulderhaus.net

Auch cool Bouldern kann man im Studio Bloc in Pfungstadt: studiobloc.de