Christoph Dell I Ausgabe 08-1
Foto: Patrick Ghose

Das Vibraphon ist im Wesentlichen eine Abwandlung des Xylophons,der Hauptunterschied besteht im Material der Klangplatten. Während das Xylophon mit hölzernen Elementen versehen ist, bestehen die des Vibraphons aus einer harten Metalllegierung. Zudem hängen unter den Klangplatten des Vibraphons Röhren, die, durch eine bestimmte Vorrichtung sich schließend oder öffnend, einen vibrierenden, einzigartigen Ton erzeugen.

Christopher Dell nun, ein 42-jähriger, in Berlin lebender Darmstädter (Zitat: „Einmal Darmstädter, immer Darmstädter!“), ist einer der renommiertesten und bedeutendsten Vibraphonisten weltweit. Demzufolge ist er in die verschiedensten musikalischen, pädagogischen und experimentellen Projekte verwickelt, die sich allesamt um die Wirkung und den Klang des Vibraphons drehen.

Mit dem Solo-Projekt „Kolkata Monodosis“ bespielte Dell unter der Ägide des Goethe-Instituts mit dem einzigen in Kalkutta befindlichen Vibraphon zehn unterschiedliche Orte des urbanen Raumes – öffentliche Plätze, Märkte, belebte Straßen – in Form eines Experimentes, durch welches er die Reaktionen der Menschen untersuchen und Kalkutta zugleich porträtieren wollte. Die Millionenstadt wurde in diesem Zusammenhang aus drei Gründen als Location gewählt. Erstens: Dell verbrachte dort die ersten fünf Jahre seines Lebens. Zweitens: Indien an sich ist aktuell ein an Bedeutung gewinnendes Land. Und drittens: Der Leiter des Goethe-Institutes vor Ort hat selbst Musik studiert und dadurch ein naturgegebenes Interesse an den Tag gelegt. Zur Idee des Projektes äußert sich Dell: „Monodosis sollte eine Art performativer Zugangspunkt zu Kalkutta werden, der auf stadttypische Situationen reagiert und eine Interaktion mit den Fußgängern und Händlern auslöst, die überall tagtäglich anzutreffen sind. Wie das funktioniert? Ganz einfach: Die Improvisation mit einem einzelnen Vibraphon trifft auf den Klang des urbanen Raumes.“ Der Reiz und die Intensität des Projektes liegen vor allem darin, dass der Klang eines Vibraphons für Kalkutta etwas sehr Ungewöhnliches ist. Dadurch erreichte Dell eine Vielzahl an Reaktionen, von völligem Desinteresse über begleitendes Kopfnicken bis hin zu Handy-Video-Aufnahmen und Menschenaufläufen.

Im Wesentlichen war es dem Musiker wichtig, „Fragen über unsere Gewohnheiten bei der Nutzung von urbanem Raum aufzuwerfen. Zu fragen, was formell und was informell ist, was öffentlich und was nicht.“ Er begreift sein Experiment als eine Improvisationstechnik, als eine Interpretation der städtischen Unordnung, die neue Wege eröffnen soll, urbanen Raum durch Musik wahrzunehmen und neu zu bestimmen. Das Vibraphon als kontrastierendes Element zur indischen Kultur sollte hierbei helfen, das Bewusstsein zu wecken, vielleicht das Alltägliche mal zu stören; der Klang des Vibraphons diente quasi als Projektionsfläche für eine neue Wahrnehmung der Nutzung des städtischen Raumes. An diese vier Wochen dauernde Aktion wurde noch ein weiteres Projekt angehängt: die Produktion eines Films, der Christopher Dells Begegnungen mit Kalkutta und seinen Menschen, seinen Plätzen und Geräuschen dokumentiert. Für den Musiker war die größtenteils ungeplante, aber reibungslos verlaufene Umsetzung des gesamten Vorhabens im Februar dieses Jahres nach seinen eigenen Worten eine der „Sternstunden“ seines Musikerlebens.

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