Immer wieder entschließen sich Heiner aus den unterschiedlichsten Gründen, ihren Lebensmittelpunkt von Darmstadt nach Berlin zu verlegen. Dass man auch umgekehrt glücklich werden kann, zeigt das Beispiel des Lyrikers und freien Komponisten George Goodman. 1968 in Euskirchen geboren, studierte er in Berlin Komposition, Musik- und Literaturwissenschaften. Seine Beziehung zur Hauptstadt –die von ihm als derb, oberflächlich flippig, aber ohne gewachsene Kultur und von muffiger Bürgerlichkeit beherrscht empfunden wird– bezeichnet er als „Hassliebe“.
Als dann die Liebe auftauchte, kam diese aus Darmstadt, und so entschloss er sich nach fast zwei Jahrzehnten Großstadtleben Hals über Kopf für den Umzug in die „traditionsreiche Kulturlandschaft“ der Rhein-Main-Neckar-Region. Bis nach Heidelberg erkundet er Natur und Kultur per Fahrrad, immer auf der Suche nach Inspiration für seine grafische Lyrik und zeitgenössischen Kompositionen.
Von Darmstadt war er „auf den ersten Blick enttäuscht, auf den zweiten Blick verliebt. Darmstadt steht für die Dinge, die mich berühren – Büchnerpreis, Leonce und Lena-Preis, Neue Musik, die Natur und das Rheintal als poetischer Kult“. Die „alternativste Stadt im Rhein-Main-Gebiet“ ist so zu seiner „seelischen Heimat“ geworden. Dass er seit 1996, seinem „Umbruchs- und Krisenjahr“, ausschließlich Frauenkleidung trägt, begründet der Vater von zwei Töchtern ganz nüchtern mit seinen ästhetischen Vorlieben: „Blumig, romantisch, naturverbunden – ich bin einfach ein Mann, der Frauenkleider trägt!“
Mit dieser nicht gerade unauffälligen Besonderheit kann er hier ganz gelassen umgehen. „Geschaut wird oft, aber wenn ich ein Feedback bekomme, ist es freundlich und von echtem Interesse geprägt. Das Bürgertum ist hier einfach diskreter und stärker kulturell vorgebildet als in Berlin.“ Dort hat George, vor allem wegen seiner Vorliebe für Barfusslaufen, Hausverbote in Kaufhäusern, Bussen und Bahnen und sogar öffentlichen Bibliotheken bekommen – für ihn (und uns) in Darmstadt undenkbar! Hier trifft er mit Lesungen im Literaturhaus, dem Künstlerkeller und dem Hoffart-Theater auf ein Publikum, das „künstlerische Individualität stärker anerkennen kann“. Seinen Lebensunterhalt verdient er seit langem mit der Betreuung und Wiedereingliederung psychisch kranker Menschen. Im Moment ist er auf diesem Gebiet arbeitssuchend – vielleicht findet sich auf diesem Weg eine Institution, die noch auf der Suche nach einer starken, zudem ausgeglichenen Persönlichkeit ist. ..