Foto: Michael Hudler
Foto: Michael Hudler

Wir, die drei Kuratoren, sind kurz vor Beginn des Datterich Festivals 2015 noch einmal in uns gegangen: Was bewegt uns nach drei Jahren Arbeit wie eh und je an diesem Stoff? Was sind unsere jeweils eigenen, persönlichen Gründe, die sich im Laufe dieser Zeit entwickeln konnten? Und was bitte hat das mit den recht ambivalenten Empfindungen gegenüber der Stadt am Darmbach zu tun?
28 Jahre Ernst Elias Niebergall (1815-1843) – 28 Gründe, warum wir seinen Datterich lieben:

1. Weil der „Datterich“ der „Karlsson vom Dach“ Darmstadts ist.

2. DAtterich.

3. Weil ich den Gesichtsausdruck liebe, den Menschen machen, die nicht in Darmstadt leben, wenn man ihnen vom Datterich erzählt.

4. Fantasie und Witz: immer unschlagbar!

5. Weil ich den Dialekt nach 30 Jahren immer noch nicht richtig verstehe.

6. Der Wei schleicht so sanft bei uns.

7. Das Widerspenstige am gesprochenen Dialekt: gegen die sprachlich hochgezüchteten Eliten!

8. Gute Komödien sind wie gute Alben: Zuerst begeistern die Hits, dann entdeckt man den leiseren, subtileren Witz. Und wenn man selbst nach vielem Hören und Sehen noch lachen kann, dann ist es einfach großartig und man will es nie mehr hergeben.

9. Weil der Datterich auch ein tragischer Held ist und man die bitterernsten Themen im Stück nicht weglachen kann.

10. Grausamkeit, dein Name ist Darmstadt!

11. Der Tag ruft – und einfach wieder in die Kissen fallen!

12. Der Datterich, zutiefst menschlich – wie die Stadt, die ihren Namen erhobenen Hauptes trägt.

13. Schlimm, sehr schlimm: die Frauenfiguren im Datterich!

14. Weil Müßiggang der Anfang aller Neubesinnung auf das gute Leben ist.

15. Ein Theaterstück wie der erste und der letzte Sommerferientag.

16. Einem Mann gehört sei Schoppe – nicht nur, wenn er ihn bezahlen kann. (Und was ist, bitte schön, mit den Frauen?)

17. Weil jeder dieses Stück spielen kann, darf und soll!

18. Das bestimmte Gefühl, Sätze mitzusprechen, die schon viele von uns gesagt, gehört und mitgesprochen haben.

19. Auch ich will meine Schulden nicht zurückzahlen.

20. Weil der Datterich der Bartleby Darmstadts ist: gegen herrschende Leistungsimperative und stupide Arbeitsmoral!

21. Den Dummbach gibt es noch immer und wie Sand am Meer: „Spiegel Online“-Leser, vermeintlich bestens informiert, wahrscheinlich aber unwissend.

22. Die vage Überzeugung, dass wir Darmstädter alle Datteriche sind: größenwahnsinnig, großmannssüchtig und trotzdem selbstironisch.

23. Weil der vahsteckte Dorscht auch heute noch überall zu finden ist: bei den „Lilien“, in den Kneipen und vorm Computer beim Verfassen dieser Zeilen.

24. Darmstadt, worum soll dann net do gebliwwe wern?

25. Arbeit macht das Leben süß, süß wie Maschinenöl.

26. Denn auch wir sind in Arkadien geboren.

27. Schade, dass einer immer fehlen muss.

28. Eigentlich gar nicht soooo schlecht, in einer Stadt zu leben, die Figuren wie den Datterich zulässt, erhält und jetzt auch noch feiert!

 

Datterich Festival vom 4. bis 14. Juni 2015

In Darmstadt feiert 2015 ein neues, partizipatorisches (Theater-) Festival Premiere. Es ist dem berühmten Sohn und legendären (Anti-) Helden der Stadt gewidmet: dem Datterich, Inbegriff der lokalen Kultur und des Heiner-Humors. Veranstaltet wird es anlässlich des 200. Geburtstages des Autors Ernst Elias Niebergall (1815–1843), des 100-jährigen Jubiläums der Erst-Aufführung des „Datterich“ am Darmstädter Hoftheater und des 90-jährigen Bestehens der Hessischen Spielgemeinschaft, einer der wichtigsten Akteure im „Datterich“-Kosmos.

Zu den Höhepunkten des Festivals zählen (neben diversen „Datterich“-Aufführungen):

Mi, 03.06., 18.30 Uhr: Festival-Preview und Vernissage der „Wir sind alle Datterich“-Fotoausstellung in der „Datterich Klause“, dem Festival-Biergarten am Hauptbahnhof

Do, 04.06. bis So, 14.06.: „Schulden. Eine Befreiung!“ 13 Dionysien von Regisseur Michael v. zur Mühlen im „Das Theater“-Theatertempel im Carree vor der Centralstation, Untertitel: „Würde und Schönheit statt Demut und Blödheit“

Fr, 05.06., 18 Uhr: Ausstellungseröffnung „Ernst Elias Niebergall. Eine Spurensuche“ im Justus-Liebig-Haus

Fr, 05.06., 22 Uhr: „Nerdnoiz & Biederbeatz“ Kostümparty auf der Terrasse vor der Centralstation. Eintritt frei!

Do, 11.06., 18 Uhr: „Medien und Muße“ Vorträge des h_da-Masterstudiengangs Medienentwicklung im Osthang auf der Mathildenhöhe

Do, 11.06., 18.30 Uhr: „Weniger Arbeit – mehr Kunst“ Vortrag von Karl-Heinz Land in der Kunsthalle

Do, 11.06., 23 Uhr: „Der Bubb werd gut!“ Szenische Collage der Gruppe Theaterquarantäne im Hoffart-Theater

Fr, 12.06., 21 Uhr: „Besser wie nix! – Die Spielshow mit Ei“ mit dem Team des Kikeriki Theaters, Aurora De Meehl, Malladd in de tête und anderen in der Centralstation

Sa, 13.06.: „Lange Nacht des Datterich“ Bürger und Theatermacher spielen und gestalten rund 60 Veranstaltungen in 12 Stunden in Darmstadt und Umgebung (unter anderem mit „Slam the Datterich“-Mundart-Slam in der „Krone“ und Video-Sound-Collage der Messer Brüder in der „Pilsstube Herkules“). Es fahren Shuttlebusse.

So, 14.06., ab 11.30 Uhr: „Nach Drahse? Eher wie net!“ Abschlussprogramm mit mehreren Spielorten in Traisa

Details zu allen rund 100 Veranstaltungen, Infos, Tickets und Videos unter www.datterich-festival.de

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