Illustration: Hans-Jörg Brehm

Am 14. März bei der hessischen Kommunalwahl steht die grün-schwarze Koalition in Darmstadt zur Wiederwahl – nach zehn Jahren an der Macht. Zeit für eine Bilanz. Spoiler-Alarm: Sie ist gut. Aber ihr größtes Vermächtnis ist außerhalb Darmstadts zu finden.

Um zu sehen, wie sehr die Regierung von Grünen und CDU die Stadt verändert hat, reicht eigentlich schon ein Blick aus dem Fenster. Nach jahrzehntelangem Stillstand ist endlich der Friedensplatz gemacht, auf den ehemaligen US-Geländen im Süden Darmstadts entstehen neue Stadtviertel für Tausende alte und neue Darmstädter. Im Westen konnten mit Alnatura ein großer Gewerbesteuerzahler angesiedelt und mit Akasol eine kleines, aber weltweit führendes Hightech-Unternehmen gewonnen werden. Dort, wo mittlerweile ein neues Bundesligastadion steht, hätte vor ein paar Jahren selbst der betrunkenste Lilienfan über eine VIP-Lounge am Bölle nur gelacht.

Umbau zur fahrradgerechten Stadt läuft

Aber vor allem hat die Stadt in jeder Ecke neue Fahrradwege ausgerollt. Autos haben dafür auf den Hauptverkehrsachsen Spuren verloren oder sind nur noch mit Tempo 30 unterwegs. Hinzu kommen pandemiebedingt jede Menge Pop-up-Bike-Lanes – keine Selbstverständlichkeit in anderen Städten. Allerdings verlief der von den Grünen versprochene Umbau zur fahrradgerechten Stadt die ersten acht Jahre mehr als schleppend. Erst ein Bürgerbegehren brachte die Verantwortlichen dazu, hier Fahrt aufzunehmen. Bis 2023 möchte die Stadt nun jährlich vier Millionen Euro in Radwege stecken, jüngst hat sie Pläne für 34 Brücken, Wege und Furten vorgestellt, von denen einige sogar schon fertig sind.

Bürgerbeteiligung?

Dass dies allerdings erst auf Druck aus der Bevölkerung geschieht, ist symptomatisch für den größten Kritikpunkt an den Grünen: Sie werden ihrem eigenen Anspruch von Transparenz und der versprochenen Bürgerbeteiligung nicht gerecht. Ob das die ICE-Trasse oder die neuen Straßenbahnen an der Lichtwiese oder an der Ludwigshöhe sind – kaum ein Projekt, bei dem sich keine Bürgerinitiative dagegen gründet. Bei der umstrittenen Entscheidung über einen „Aldi“ in Arheilgen hat die Stadtregierung definitiv verpasst, die Bürger zu befragen und ließ sich stattdessen von einer kleinen Interessengruppe vor sich her treiben.

Der Juniorpartner CDU unter Führung von Rafael Reißer indes hat es in den vergangenen Jahren verpasst, sich in der gemeinsamen Koalition Profil zu verschaffen. Das Personal bleibt farblos, und auch thematisch beschränkt sich die Law-and-Order-Partei zuletzt auf Video-Überwachung am Luisenplatz, die jedoch nach über einem Jahr immer noch nicht umgesetzt ist. Schuld sei erst Corona gewesen, dann das Ingenieurbüro, heißt es aus dem Rathaus. Dafür erinnert sich deutschlandweit noch mancher Fußballfan an den Versuch Reißers, Eintracht-Fans aus dem Stadtgebiet zu verbannen. Der Plan endete in einer Blamage, die die Stadt mehr als Hunderttausend Euro kostete.

Dass sich die Posse kurz nach der Kommunalwahl 2016 ereignete und nicht zuvor, kann als Glück im Unglück für Grün-Schwarz bezeichnet werden. Denn die Koalition wurde zur Halbzeit bereits massiv abgestraft: Sie verlor ihre komfortable Mehrheit, sieben Sitze gingen an die damals neue AfD. Grün-Schwarz blieb jedoch als Minderheitsregierung – durch Uffbasse geduldet – an der Macht. Weil die Grünen-Fraktion jedoch den Wechsler Jürgen Barth (von Uffbasse) und die Hospitantin Claudia Stricker (Piraten) gewinnen konnte, hat die Koalition heute wieder einen Sitz Mehrheit.

Die CDU schaut zu

Darmstädter Regierungsarbeit fasste vor zwei Jahren folgende Bildunterschrift in der FAZ treffend zusammen: „Partsch führt aus – Reißer darf (von rechts) zuschauen.“ Neben dem offensichtlichen Stich gegen die CDU offenbart der Satz auch, dass Oberbürgermeister Jochen Partsch, anders als sein Vorgänger Walter Hoffmann (SPD), der gegenüber seinen Dezernenten stets in Unterzahl erschien, viele Kompetenzen an sich gerissen hat. So entzog er seiner Baudezernentin Barbara Boczek mit dem neu geschaffenen Verkehrsplanungsamt wichtige Zuständigkeiten.

Auch im mehrdeutigen „von rechts“ in Bezug auf Reißer steckt Wesentliches: Denn inhaltlich trennt die linken Grünen nach wie vor einiges von der konservativen CDU. Gerade in der Verkehrspolitik gelten sie auch in Darmstadt als Bremser. Allerdings liegt auch genau darin eine große Leistung der Koalition: Sie war nicht nur die erste grün-schwarze Regierung in einer hessischen Großstadt, sie blieb auch über zehn Jahre stabil. Mittlerweile regieren Ökos und Konservative zusammen Baden-Württemberg und Hessen. Was als Experiment begann, wird im Superwahljahr 2021 sogar als Modell für den Bundestag diskutiert.

 

Im Wahllokal oder per Briefwahl

Am 14. März 2021 finden die Kommunalwahlen in Hessen statt. Wahlberechtigte können ihre Stimme abgeben, um Vertreter*innen für die Stadtverordnetenversammlung sowie die Mitglieder der Ortsbeiräte und Ausländerbeiräte zu wählen.

Neben dem Besuch eines Wahllokals unter Beachtung der aktuell geltenden Hygieneregeln haben die Wähler*innen die Möglichkeit, ihre Stimmen vor dem Wahltag per Briefwahl abzugeben. Weitere Informationen unter:

wahlen.hessen.de/kommunen/kommunalwahlen/kommunalwahlen-2021

 

P-Mini-Wahlomat

Nutzt unseren Mini-Wahlomaten, entscheidet Euch – und geht am 14. März wählen!

p-stadtkultur.de/kommunalwahl2021