Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Auch wenn 2021 nun schon ein paar Wochen hinter uns liegt, als Lilienfan wird einem beim Gedanken an das vergangene Jahr immer noch ganz warm ums Herz. Stolze 68 Punkte holte der SVD 2021 in der 2. Bundesliga. Eine sagenhafte Ausbeute. Mit 79 Buden stellten die 98er zugleich die torhungrigste Offensive. Auch in der Defensive erledigte das Team seine Hausaufgaben. Ein wesentlicher Rückhalt war dabei Keeper Marcel Schuhen, der die Tradition der starken Torhüter beim SVD fortsetzt.

Nach jeder Halbserie setzen sich die Redakteure des Fußballmagazins „kicker“ zusammen, um die Leistungen der Profis genau unter die Lupe zu nehmen. Ihr Urteil schlägt sich in einer Rangliste nieder, die Position für Position die besten Spieler enthält. In nahezu jedem Mannschaftsteil fanden sich Lilienkicker weit vorne. Angefangen beim treffsicheren Sturmduo Luca Pfeiffer und Phillip Tietz über Tobi Kempe und Klaus Gjasula im defensiven Mittelfeld, die Außenverteidiger Fabi Holland und Matthias Bader bis zu den Innenverteidigern Patric Pfeiffer und Thomas Isherwood. Auf der Torhüterposition durfte Marcel Schuhen nicht in der Spitzengruppe fehlen. Neben ihm erhielten lediglich zwei weitere Zweitliga-Keeper das Prädikat „herausragend“: Christian Mathenia vom 1. FC Nürnberg und Daniel Heuer Fernandes vom Hamburger SV.

Günstig geholt, teuer verkauft

Alle drei sind beim SV Darmstadt 98 durch die Torhüterschule von Dimo Wache gegangen. Sowohl Mathenia als auch „Ferro“ nutzten ihre Zeit am Böllenfalltor als Sprungbrett zum HSV. Der Torwarttrainer des SVD sorgte darüber hinaus dafür, dass Jan Zimmermann, einer der Aufstiegshelden von Bielefeld und heute Torwarttrainer bei der Frankfurter Eintracht, sowie Michael Esser die 98er als bessere Schlussmänner verließen. Was hinzukommt: Außer Zimmermann, der die Lilien 2014 ablösefrei verließ, verdienten die Darmstädter mit Esser, Mathenia und Heuer Fernandes gutes Geld. Laut transfermarkt.de kosteten sie lediglich 350.000 Euro, spülten bei ihren Abgängen jedoch über 4 Millionen in die Kasse der Lilien. Wache trug durch sein Wirken also dazu bei, den Kader immer weiter aufwerten zu können.

Keinerlei Torhüterdiskussion

Der ehemalige Torhüter von Mainz 05 wirkte zudem maßgeblich daran mit, dass die drei überhaupt zu den Lilien wechselten. Darmstadt aktuelle Nummer 2, Morten Behrens, betonte ebenfalls, wie entscheidend die Gespräche mit Wache für seinen Wechsel nach Darmstadt waren. Behrens hat bei Magdeburg in der 3. Liga mit starken Leistungen überzeugt und dürfte dafür sorgen, dass Darmstadt auf der Torhüterposition bis auf Weiteres gut aufgestellt ist. 2014 kam Mathenia sogar aus der 4. Liga nach Darmstadt und entwickelte sich – von Wache angeleitet – sofort zum soliden Rückhalt. Und das, obwohl neben Mathenia mit Christian Wetklo zeitgleich ein bundesligaerfahrener Keeper zum SVD stieß. Dass dieser nach anderthalb Monaten das Weite suchte, mag daran liegen, dass Wache den Kampf um die Nummer 1 für offen erklärte. Etwas, das Wetklo wohl nicht schmeckte. Die Leistungen Mathenias zeigten jedenfalls, dass Dimo Wache Torhüter auf ein neues Niveau heben kann. Als Mathenia zum HSV ging, holte Wache zwei Keeper, die bis dahin noch auf ihren Durchbruch warteten. Esser kehrte aus Österreich zurück nach Deutschland und Heuer Fernandes kam als Ersatzkeeper aus Paderborn. Die Leistungen der beiden sorgten dafür, dass in Darmstadt über Jahre keine Torhüterdiskussion aufkam.

Ein Torwarttrainer mit Leidensgeschichte

Ausgerechnet an der Verpflichtung von Marcel Schuhen im Sommer 2019 war Wache jedoch nicht beteiligt. Seinerzeit musste er sich vollauf auf andere Dinge konzentrieren. Waches langjährige Profikarriere hatte ihren Tribut gefordert. Ihm mussten beiderseits neue Kniegelenke eingesetzt werden. Hinzu kam ein zu versteifendes Fußgelenk. Drei schwerwiegende Operationen, die der Mittvierziger über sich ergehen lassen musste. Laut eigener Aussage war es nicht einmal klar, ob er jemals wieder richtig laufen könne. Eine für ihn – und auch seine Familie – alles andere als einfache Zeit, wie er in Interviews unumwunden zugab. Doch er kämpfte sich zurück und feierte im Sommer 2021 sein Comeback am Bölle.

Schuhen mit positiver Entwicklung

Zu diesem Zeitpunkt war Marcel Schuhen seit zwei Jahren die unangefochtene Nummer 1. Doch vor der Saison erklärte Wache, die Karten um die Position des Stammkeepers würden neu gemischt. Schuhen sah sich auf einer Stufe mit dem neuen Herausforderer Behrens. Als Marcel Schuhen zu Saisonbeginn in Corona-Quarantäne musste, durfte Behrens in den ersten beiden Partien in die Kiste. Als er dabei nicht vollends überzeugte, erhielt der bei den Fans und in der Mannschaft hoch angesehene „Schuh“ seine Chance. Er wusste sie zu nutzen. Schuhen wurde gar zu einer Säule des Aufschwungs beim SVD. In den 16 Ligapartien bis zur Winterpause kassierte er lediglich 15 Buden. Er wirkt souveräner, stabiler und sicherer als in den letzten Spielzeiten. Zuletzt lief er gar bis zu zwei Kilometer mehr pro Spiel, als noch in den vorangegangenen Spielzeiten. Ein Zeichen, dass Wache auch bei den Keepern auf ein penibles Positionsspiel achtet. Lautstark und emotional war Schuhen auf dem Feld ohnehin schon immer. Dabei gestand Wache, dass Schuhen und er erst einmal zueinander finden mussten. Beide nehmen kein Blatt vor den Mund, was durchaus Konfliktpotenzial bietet. Nun wirkt es allerdings so, als ob sie diese Emotionalität in positive Bahnen lenken würden.

Mit Torsten Lieberknecht schätzt auch der neue Chefcoach Waches Expertise. Die beiden spielten früher zusammen bei Mainz 05 und hielten über all die Jahre den Kontakt. Dennoch arbeiten sie in Darmstadt nun erstmals als Trainer zusammen. Lieberknecht sagte zu Saisonbeginn, dass Wache gegenüber den Keepern eine gute Ansprache habe. Sie würden sofort merken, dass da einer sein Handwerk verstehe. Kein Wunder. Seit Wache hier ist, hat er in Darmstadt eine hervorragende Keeperschmiede etabliert. Eine, die immer wieder starke Torhüter produziert.

 

Wir sin‘ die Heiner … !

So, 06.02., 13.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Hamburger SV

So, 13.02., 13.30 Uhr: Hannover 96 – SV Darmstadt 98

So, 20.02., 13.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – FC Hansa Rostock

Sa, 26.02., 20.30 Uhr: Dynamo Dresden – SV Darmstadt 98

sv98.de

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

kickschuh.blog