Illustration: Anna-Lena Cychy

Wenn ich erzähle, dass ich Psychologie studiere, werde ich nicht selten mit den gleichen Aussagen konfrontiert: „Puh, sich immer mit Problemen anderer zu beschäftigen, ich weiß ja nicht …“, gehört dazu. Es gibt durchaus Bereiche in der Psychologie, die sich mit defizitorientierten Themen befassen. Allerdings existieren auch viele weitere Strömungen wie zum Beispiel die Wahrnehmungs- und Kognitionspsychologie – oder auch die Positive Psychologie.

Die Wurzeln der Positiven Psychologie finden sich um 1954, geprägt durch den US-Psychologen Abraham Maslow. 1990 wurde der Terminus vom Psychologen Martin Seligman wieder aufgegriffen und hat seitdem vor allem in den letzten 20 Jahren eine beträchtliche Entwicklung genommen. Positive Psychologie ist die wissenschaftliche Untersuchung positiver Aspekte des menschlichen Lebens. Sie beschäftigt sich unter anderem mit den Grundlagen eines „guten Lebens“. So unterscheidet die Positive Psychologie auf der subjektiven Ebene beispielsweise Erfahrungen wie Wohlbefinden, Zufriedenheit, Optimismus, Hoffnung und Glück. Auf der Ebene des Individuums sieht die Positive Psychologie individuelle Fähigkeiten wie zum Beispiel Hingabe, Mut, Dankbarkeit, Liebe und zwischenmenschliche Fertigkeiten.

Der Darmstädter Professor für Pädagogische Psychologie Prof. Dr. Bernhard Schmitz befasst sich in seiner Forschung unter anderem mit dem Thema Lebenskunst, welches der Positiven Psychologie zuzuordnen ist. Im aktuellen Buch „Psychologie der Lebenskunst: Positive Psychologie eines gelingenden Lebens – Forschungsstand und Praxishinweise“ stellen sich Schmitz und sein Forschungsteam die Frage „Was beinhaltet das gute Leben und wie gestaltet sich der Weg dorthin?“ Die Frage ist also, wie sich ein gutes Leben führen lässt, wie Glück und Wohlbefinden entstehen und vor allem, was jeder Einzelne dafür tun kann? Dieses Thema wird aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet und soll dem Leser kein Patentrezept vorschlagen, sondern ihn auf eine individuelle Betrachtung der Themen aufgrund empirischer Forschungsergebnisse bringen.

Würden Sie sich als Lebenskünstler*in verstehen?

Eine bestimmte Art der Lebensführung, die bewusstes Wahrnehmen des eigenen Lebens sowie das Nachdenken und Reflektieren beinhaltet: So beschreibt Schmitz den Begriff Lebenskunst. Hierbei trägt eine aktive, gekonnte und gezielte Gestaltung des eigenen Lebens dazu bei, mehr Zufriedenheit und Glück im Leben zu erreichen. In seinem Buch nennt Schmitz Zitate von verschiedenen, anonymisiert befragten Menschen, die ihre eigenen, sehr unterschiedlichen Definitionen von Lebenskunst beschreiben. Besonders berührt hat mich dieses Zitat: „Lebt das Leben in Ehrlichkeit, Klarheit und Leidenschaft. Schwere darf da sein und erlebend transformiert werden. Inklusivität, Frohsinn, Herz – ganz viel Herz – und Mut aufzudecken, was oft verborgen bleibt, zeichnet sie aus!“

Die Interviews zeigen, dass viele der befragten Lebenskünstler*innen einige Strategien in sich tragen, die sich positiv auf ihr Leben auswirken können:

> Reflexion: Das Nachdenken über das eigene Sein, die eigenen Ziele und das eigene Handeln, um ein bewusstes Leben zu führen

> Soziale Kontakte: Ein Umfeld, welches zu den eigenen Bedürfnissen passt

> Genuss: Die aktive Suche nach dem Schönen

> Im Moment leben: Kleines Beispiel: Essen wirklich zu genießen anstatt dabei Netflix zu schauen

> Dankbarkeit: Glück aus Momenten der Dankbarkeit erfahren

Vielleicht kannst auch Du Lebenskunst in Dein Leben bringen?

 

Psychologie-Kolumne im P

Unsere Autorin Lea Sahm studiert Psychologie in Darmstadt, war als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin tätig und hat dabei unter anderem in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Im P schreibt sie über Gefühle, mentale Gesundheit sowie den Zusammenhang von Leib und Seele.