Foto: Jan Ehlers

Ende Juni hätte es eine mehrtägige Sause am Lichtwiesenweg geben sollen. Dann hätte die Sektion Darmstadt-Starkenburg im Deutschen Alpenverein (DAV) ihr 150-jähriges Jubiläum mit einem Festakt begangen. Und bei dieser Gelegenheit gleich noch die neue, spektakuläre Outdoor-Anlage des Kletterzentrums im Lichtwiesenweg eingeweiht. Außerdem hätte es auch einen Kletterwettbewerb für Kinder geben sollen. Doch coronabedingt wurde der „Kids Cup“ abgesagt und die neue Anlage im Stillen eingeweiht. Die Jubelfeier musste um ein Jahr verschoben werden. Corona, nimm dies: Wir vom P feiern die neue Anlage einfach trotzdem jetzt schon!

Schon länger wollte der Alpenverein Darmstadt sein im März 2009 eröffnetes Alpin- und Kletterzentrum mit einer schicken Außenkletteranlage aufwerten. Gleich mehrere Gründe sprachen laut Doris Ihlefeld, der stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins, und Anke Wille, der Leiterin des Kletterzentrums, dafür: „Historisch gewachsen ist Klettern ein Sport, der ursprünglich von draußen kommt, vom Bergsteigen in den Alpen.“ Klettermaxe sind nun mal gerne an der frischen Luft, um sich dort Muckis für größere Routen anzutrainieren. „Mit der Kombination von Indoor- und Outdoor-Kletten wollen wir ihnen in Darmstadt ganzjährig attraktive, abwechslungsreiche Trainingsbedingungen bieten.“ Schließlich ist man ja auch Landesleistungsstützpunkt. Dann sind da noch die Wettkämpfe, „die nur durch künstliche Kletteranlagen überhaupt planbar und naturverträglich ausführbar sind“. Hinzu kommt: Der Kletterboom hält an – und wenn Sportklettern 2021 endlich olympisch wird, kommen vermutlich noch mehr Fans hinzu. „Dass die Fertigstellung mit dem 150-jährigen Jubiläumsjahr der Sektion zusammenfällt, ist Zufall“, betont Ihlefeld. Finanziert wurde das in rund sechs Monaten fertiggestellte Bauwerk durch eigene Rücklagen und Kredite sowie mit Fördergeldern von Stadt und Land sowie der Unterstützung vom DAV Hauptverband.

Die neue Außenkletteranlage in Darmstadt …

… wurde von Architektin und Sektionsmitglied Sabine Waldmann (in Kooperation mit mehreren Tragwerksplanern) als eigenständig stehendes Bauwerk konzipiert – auch aus statischen Gründen.

… besteht (unter den gelochten Multiplexplatten) aus großen, tragenden Fachwerkrahmen, also jeder Menge Holz.

… hat drei Kletterwände, die in verschiedene Himmelsrichtungen weisen – Südwand, Ostwand, Westwand – plus eine ummantelte Stütze, die ebenfalls zum Klettern genutzt werden kann.

… liegt idyllisch am Waldesrand.

… hat ein kleines Amphitheater – zum Zuschauen, Ausruhen, Routen studieren.

 

Faktencheck: Die neue Outdoor-Anlage

Südwand: Kletterfläche 564 m² (die Wand ist 17,50 Meter hoch und fast 19 Meter breit).

Westwand: Kletterfläche 172 m² (15 Meter hoch und fast 10 Meter breit).

Ostwand: Kletterfläche 116 m² (15,50 Meter hoch und 6 Meter breit).

Es gibt circa 60 Routen auf 30 Linien plus 2 Speedrouten.

Die Schwierigkeitsgrade reichen von UIAA 2 bis 10, also von leicht bis olympisch.

 

Faktencheck: Die Indoor-Anlage (für alle, die noch nie im Kletterzentrum waren):

– Knapp 2.000 m² Kletter- und Boulderfläche: mehr als 1.500 m² Hauptwand (Halle) und 350 m² im Boulderraum (im 1. Stock des Kletterzentrums).

– Wandhöhe in der Halle: über 17 Meter, im Boulderraum: bis zu 4 Meter

– Routen: etwa 150 Routen von UIAA 3 bis 11, wobei UIAA 4 bis 8 überwiegen und die Routen und Boulder regelmäßig umgeschraubt werden, damit die Halle auch für routinierte Besucher attraktiv bleibt.

– Sonstige Goodies: 16 Toprope-Bahnen, Speedkletterwand, die Anlage ist für nationale Wettkämpfe geeignet, in vielen Routen sind Vorstieg und Toprope möglich. In der Coronaschließzeit wurde im Kletterzentrum eine neue LED-Beleuchtung installiert, die den Energieaufwand für die Beleuchtung um satte 75 Prozent reduziert.

Coronaregeln, Eintrittspreise und Öffnungszeiten – findet Ihr online unter: kletterzentrum-darmstadt.de.

 

Foto: Archiv des DAV München

„Berg Heil!“: 150 Jahre Highlights & Lowlights der Darmstädter Gipfelstürmer

Am 27. April 1870 gründen zehn bergbegeisterte und naturverbundene Darmstädter Bürger die Sektion Darmstadt – als zwölfte im noch jungen Deutschen Alpenverein, der erst ein Jahr zuvor gegründet worden war. Schon 1880 zählt man in Darmstadt 100 Mitglieder. Und erste Rufe nach einer eigenen Hütte in den Bergen werden laut.

1884 spaltet sich die neu gegründete Sektion Starkenburg von der Sektion Darmstadt ab. Angeblich gab es Unstimmigkeiten darüber, ob Frauen dem Verein beitreten dürfen oder nicht. Erst 2007 fusionieren die beiden Sektionen wieder. Die Gräben müssen tief gewesen sein …

1888 wird die erste Darmstädter Hütte im Verwall nahe St. Anton/Tirol errichtet. Doch schon kurz vor ihrer Eröffnung fällt die Holzhütte einem Sturm zum Opfer. Daraufhin baut man eine neue Hütte aus Stein. Die bleibt zunächst unbewirtschaftet und wird von Bergsteigern als Notlager genutzt.

1889 machen sich erste antisemistische Tendenzen im Deutschen Alpenverein breit. 1920 genehmigt der Dachverband den Sektionen, Arierparagrafen in ihre Satzungen aufzunehmen und Juden als Mitglieder auszuschließen. Das bleibt auch in Südhessen nicht ohne Wirkung.

Bei den Bombenangriffen auf Darmstadt verbrennt im Spätsommer 1944 alles, was an Vereinsdokumenten im „Alpinzimmer“ des Restaurants „Sitte“ lagert: das Vereinsarchiv, die Bibliothek und die Mitgliederliste. Erst nach 1946 erholt sich das Vereinsleben langsam wieder vom Krieg.

1970 zählt die Sektion Darmstadt über 2.700 Mitglieder. Und die sind ziemlich aktiv: Hütten werden gebaut, anspruchsvolle alpine Touren – zum Beispiel zum Mont Blanc – werden absolviert, die Jugendarbeit und die Ausbildung werden intensiviert, Wettkämpfe werden veranstaltet und ein Vereinsheim wird angedacht.

Fast 40 Jahre später, im März 2009, kann das Alpin- und Kletterzentrum Darmstadt, errichtet auf Erbpachtgelände der TU Darmstadt und in Kooperation mit deren Hochschulsportzentrum, eingeweiht werden. Der Verein hat nun ein endlich sein eigenes „Basislager“ – mit Seminarräumen, Geschäftsstelle, Bücherei, Kletterwänden und einer netten Kaffeebar gleich an der Check-in-Theke.

Zoom in die Jetzt-Zeit: 2020 zählt der Alpenverein Darmstadt 12.000 Mitglieder und ist damit größter Sportverein Darmstadts sowie eine der größten alpenfernen Sektionen Deutschlands.

 

Foto: Martin Frey

Urige Hütten in den (südhessischen) Alpen

Neben drei Destinationen im Odenwald – der Felsberghütte im Lautertaler Felsenmeer, dem Kletter- und Vereinsgelände in Heubach (bei Groß-Umstadt) und dem Steinbruch und Klettergarten Hainstadt (nordöstlich von Höchst im Odenwald) – gibt es noch zwei Schutzhütten in den österreichischen Alpen: die südlich von St. Anton/Tirol in einem eindrucksvollen Hochgebirgskessel gelegene Darmstädter Hütte (auf 2.384 Meter Höhe) und die in den Stubaier Alpen gelegene Starkenburger Hütte (2.237 Meter). Beide Hütten sind im Sommer bewirtschaftet und eignen sich theoretisch auch für Übernachtungen und Touren, wobei man sich in diesem Jahr aufgrund der besonderen Umstände zunächst beim jeweiligen Hüttenwirt nach den aktuellen Regularien erkundigen sollte. Weitere Infos zu allen Hütten des Alpenvereins Darmstadt gibt es online unter: alpenverein-darmstadt.de.

Rischdisch (un)wischdisch: Es gibt noch eine weitere Darmstädter Hütte – auf 1.030 Meter Höhe im Nationalpark (Nord-)Schwarzwald gelegen und nur zwanzig Gehminuten vom Parkplatz an der Schwarzwaldhochstraße (B 500) entfernt. Sie gehört allerdings nicht dem Alpenverein Darmstadt, sondern wurde 1924 bis 1926 vom einstigen Ski Club Darmstadt-Odenwald (SCDO) errichtet. Mehr Infos: darmstaedter-huette.de