Illustration: Pauline Wernig

Haltet Eure ICQ-Nummern parat, entstaubt die Modems und schnallt Euch an. Die nächste Ausfahrt auf der Datenautobahn ist die Digitalstadt Darmstadt.

Der Bundestagswahlkampf ist noch nicht lange her, da hörte man sie alle gebetsmühlenartig wiederholen, wie elementar das Thema Digitalisierung doch sei. In Schulen, in der Verwaltung und überhaupt. Dass Digitalisierung nicht bedeutet, sein Mittagessen ab und an über eine Liefer-App zu bestellen und man deswegen noch lange kein hipper Digitalnomade ist, scheint in der Realität der Darmstädter Ämter noch nicht angekommen zu sein.

Ich musste einen wichtigen Antrag abgeben. Zuerst war ich euphorisch, denn es gab wirklich einen Online-Antrag, den ich sofort ausfüllen und absenden konnte. Hurra, das ging ja einfach. Als ich nach einigen Tagen nichts hörte, der Bearbeitungszustand sich nicht änderte und ich auch sonst keine Rückmeldung erhalten hatte, musste ich aktiv werden. Ich schickte also eine Nachfrage per Mail an die Kontaktadresse aus dem Online-Antrag, doch ich wurde nur recht uncharmant an die offiziellen Seiten der Stadt weitergeleitet, die mit der Auftragsbearbeitung betraut seien. Danke, so weit war ich auch schon. Nachdem direkte Mails dorthin unbeantwortet blieben, griff ich zum Telefon, was mir generell schon komplett zuwider ist, aber wie ich eingangs bereits erwähnte: Es war ein wirklich wichtiger Antrag. Zuerst hörte ich … nichts. Es ging niemand dran. Bei drei Nummern. Zu den offiziellen Geschäftszeiten. Man muss schon wirklich sehr gutmütig sein, um nicht sofort übers Amt zu schimpfen und sich in sämtlichen Vorurteilen bestätigt zu sehen.

Aber ich wollte das noch nicht aufgeben, es gab sicher eine ganz normale Erklärung. Betriebsausflug, Weiterbildung, Internetkabel gerissen oder so. Ein paar Stunden später probierte ich es noch einmal.

Die Mittagessenszeit war vorbei, vor der Kaffeepause dürfte man ja jemanden erreichen und es war noch zu früh für Feierabend. Und tatsächlich: Eine grantige Dame ging ans Telefon. Ich flötete ausgesprochen freundlich mein Problem in den Hörer und fragte nach den weiteren Schritten. „Sie sind ja net die Einzige, die hier was will. Außerdem bin ich komplett alleine, alle sind im Urlaub. Und ich hatte auch grade Urlaub und komm hier zu nix!“, blaffte es mir vom anderen Ende der Leitung entgegen. Ich blieb freundlich, erklärte ihr von dem Online-Antrag und dass ich ja nur wissen wollte, wann ich mit einer Beantwortung rechnen dürfte. „Der Online-Antrag ist der größte Scheiß, sorry, dass ich so deutlich bin. Sie hätten besser mal direkt an uns geschrieben oder ein Fax geschickt!“, grantelte die Dame weiter. Ein Fax … ich gehöre gerade noch zu der Generation, die weiß, was das überhaupt ist. „Hörnse mal, ich erklär Ihnen das mal ganz kurz. Das mit dem Online-Antrag dauert viel länger, weil die müssen den dort bei der Stelle zuerst ausdrucken, dann wird der zu uns geschickt, wir stempeln den, schicken den zurück und dann scannen die den wieder ein.“ … Ja, genau so habe ich auch geschaut. Scheinbar merkte die Dame selbst, wie absurd das klang, denn plötzlich wurde sie ganz milde. „Aber gut, das könne Sie ja net wisse, dass des so kompliziert is. Okay, ich weiß es jetzt, dass sie des brauche, ich gugg‘, dass ich ihr’n Antrag als Übernächstes bearbeite tu.“

Was auch immer „als Übernächstes“ bedeuten sollte, ich gab mich damit zufrieden, denn es klang erst mal nach einer Beschleunigung. Ich schluckte meine Nachfrage runter, ob „als Übernächstes“ eine Zeitspanne von sechs Wochen bedeuten könnte. Um ehrlich zu sein, ich hatte Angst, dass die Antwort „ja“ lautet und die Dame nicht versteht, wieso das problematisch sei. Das Gespräch endete und es hinterließ mich sprachlos, was nicht oft vorkommt.

Ist das Euer Ernst, Digitalstadt Darmstadt? Von hier aus werden Satelliten gesteuert, Roboter lernen Fußball spielen und Ihr druckt Online(!)-Formulare aus? Vielleicht schaffen wir es gemeinsam: Wenn man dreimal hintereinander laut „Digitalisierung“ sagt, galoppiert der Amtsschimmel mit allen alten Faxgeräten aus der Verwaltung. Beim übernächsten Mal klappt’s bestimmt.

 

Du bist fies? Ich bin Fiesa!

Ich bin Isa, 33, spiele Roller Derby und mag Tierbabys aller Art. Ich wohne seit 2007 in Darmstadt, wollte nur kurz zum Studium bleiben … das hat ja hervorragend geklappt. Darmstadt war Liebe auf den zweiten Blick und ist Zuhause geworden. Die Schrullen und Besonderheiten der Stadt bringen mich zum Lachen, daran wollte ich Euch teilhaben lassen. Da ich keine echte Heinerin bin, ist das natürlich nie ganz ernst zu nehmen und mit einem Augenzwinkern zu verstehen.