Wer sich in einem schwachen Moment schon einmal ausgerechnet hat, wie viel zeit seines Lebens er in seinem Job verbringt, der weiß: Es ist ein großes Glück, wenn der Beruf auch Berufung ist. Dina Rautenberg dürfte ein ziemlich glücklicher Mensch sein.
Die 31-Jährige näht Bilder. Mit Garn. Auf Baumwollstoff. ihre Motive reichen vom Schirm über den Klappstuhl bis hin zu Frauen mit großen Augen, zart und ausdrucksstark zugleich. „Manchmal habe ich eine Idee, die einfach raus muss. Vor kurzem zum Beispiel hatte ich spontan Lust auf Eulen“, erzählt Dina. Dann setzt sie sich an ihren Arbeitstisch, über ihr Regale voller bunter Garnrollen. Zuerst zeichnet sie das Motiv auf dem Stoff vor, dann packt sie die Maschine aus und näht los. Manchmal nur die Konturen, manchmal auch flächig. immer jedoch geben die nähte ihren Bildern eine besondere tiefe und Struktur – und wenn die leinwand Falten schlägt, fließt auch das in die Wirkung des Werkes ein. Dinas Werke beeindrucken sowohl als abfotografiertes Foto als auch live. Der haptische Aspekt der Bilder sei nicht zu unterschätzen, sagt Dina, und wünscht sich, dass die Bilder beim Betrachter den Impuls auslösen, das Werk anfassen zu wollen. „Wenn ich aber eine Ausstellung wie im Café Rings habe, schreibe ich schon mal ‚Don’t touch‘ unter die Bilder – da wird schließlich gegessen.
Auf den Musenkuss warten muss die Darmstädter Kommunikationsdesignerin und Illustratorin aber nicht. Manchmal kommen neue Impulse auch einfach per Telefon: im Jahr 2007 hat sich die geborene Odenwälderin selbstständig gemacht, seitdem arbeitet sie als freiberufliche Illustratorin. Für Magazine hat sie Bilder genäht (darunter jetzt schon zweimal für das P, dieses Mal eine winterlich-besinnliche „traumfrau“), für einen Garnhersteller – und neuerdings melden sich immer mehr private Kunden. Auch die Medien haben Dina inzwischen für sich entdeckt: So war sie schon im hr Fernsehen und bei Rheinmain TV zu sehen.
„Ich bewege mich zwischen angewandter und freier Gestaltung“, erklärt sie. „Zwischendurch finde ich es entspannend, grafische Aufträge einfach nur abarbeiten zu müssen. Aber dann bin ich auch wieder froh, wenn ich meine Kreativität ausleben kann.“ Das nähen hat sie sich in Kindheitstagen von ihrer Mutter abgeguckt. Auf die Idee, ihre Bilder so zu gestalten, kam sie jedoch erst im Studium – als sie für das Vordiplom nach neuen Darstellungsformen suchte.
Je mehr Aufträge hereinkommen, desto stärker muss die Kreativität auf Knopfdruck anspringen: „Dann versuche ich, Schwerpunkte zu setzen und mich auf ein Projekt zu fokussieren.“ nicht ganz einfach, wenn Kunst und Familie unter einen Hut gebracht werden müssen. Dinas Arbeitstisch steht mitten im Wohnzimmer, und da wuselt auch schon mal der kleine Johannes (2) herum. Dass auch er eine kreative Ader hat, ist schnell erkennbar: Oben an der Wand hängen Dinas Bilder, darunter hat sich die nächste Künstlergeneration mit Malfarben verewigt. Und auch Papa Martin – Musiker, Schwerpunkt Gitarre – hat ein Künstlerherz. Aber Druck und Trubel lassen Dina weitgehend kalt: „Im Zweifelsfall lege ich eine Runde Yoga ein.“
Das nächste Großprojekt steht bereits an: Für einen Nähgarnhersteller soll Dina mit Neongarn auf schwarzem Hintergrund nähen. „Das will ich unbedingt bis Februar 2010 erledigen“, erzählt sie. Denn dann hat sich nachwuchs angekündigt – sicher auch ein kreativer Kopf.