Foto: Jan Ehlers

Manchmal hilft einfach nur noch: lachen. Es mit Humor nehmen. Für ihr gemeinsames Projekt haben sich Gerd Knebel, die kahlköpfige Hälfte von Badesalz, und Mädness, die bärtige Hälfte von Mädness & Döll, locker gemacht. Mit Witz und Charme, aber vor allem unerbittlich hessisch begegnen die zwei als Dirty Dabbes auf ihrem Album so manchem Irrsinn des Alltags. Konventionen haben der Kult-Comedian und das reife Rap-Talent für „Putzintensiv“ über Bord geworfen und präsentieren sich mit ungewohntem, aber ziemlich souverän-spaßigem Sound zwischen Rock, Funk, Reggae und Irish-Folk. Wie es dazu kam, erzählten uns die beiden Sympathen beim Interview in der Galerie Kurzweil.

Wie habt Ihr zwei – als eher ungleiches Duo – Euch eigentlich kennengelernt?

Gerd: Ich hab’s erste Mal in einem Interview vom Marco gehört. Da hat er gesagt, dass er gerne mal was mit Badesalz machen würde. Das fand‘ ich ganz lustig. Und dann … wie war das noch mal?

Mädness: Dann haben wir uns im Theater kennengelernt. Das muss so 2013 gewesen sein. Ist schon etwas her …

G: Genau! Als Du im Kikeriki-Theater gespielt hast. Da haben wir das erste Mal drüber gesprochen – und einfach angefangen. Texte geschrieben, ich mit der Gitarre geklampft … wir haben uns regelmäßig getroffen, über Monate.

 

Klingt ziemlich ungezwungen. Ihr habt einfach drauflos geschrieben?

G: Ja, also ich habe echt massig Zeug auf Lager. Halbe Sachen, Ideen. Wir haben schnell gemerkt, dass wir uns gar nicht festlegen wollten. Es sollte nicht nur Rap sein.

M: Wir haben auch gemerkt, dass auch wenn das nicht „unsere“ Musik ist – also nicht das, was wir normalerweise machen –, dass das funktioniert. Wir haben ja total unterschiedliche Stücke auf dem Album. Da ist ein Irish-Folk-Song drauf, ein Reggae-Song …

G: Mit meinen Bands habe ich früher ja wirklich alles gemacht. Mit Flatsch! [Gerd Knebels Band aus den 80ern] gab’s überhaupt keinen Genre-Zwang. Von der Jazz-Nummer bis zu kaputtem Techno. Wir haben einmal so ’ne kaputte Nummer in der Batschkapp auf die Bühne gebracht, da sind 1.000 Leute still gewesen. Der Hans [Hans Riffer, Bassist] hatte ’nen BH an mit acht Titten drauf … Die Leute standen mit offenem Mund da und wussten nicht, was das soll.

 

Bei Dirty Dabbes ging das Ausprobieren über einen relativ langen Zeitraum …

G: Ja, klar. Marco hatte Gigs, ich hatte Gigs …

 

… drei Jahre habt Ihr am Album gearbeitet.

G: Klingt jetzt so dramatisch: „Uh, drei Jahre an dem Album gearbeitet.“ [lacht] Hab‘ ich gestern auch bei „Ina’s Nacht“ gesehen, Campino hat sich lustig gemacht über Bands, die so erzählen: „Jaja, fünf Jahre an der Platte gesessen …“. Dazwischen macht man einfach viel anderes. Man ist ja nicht jeden Tag im Studio … wie Metallica … zwei Jahre jeden Tag im Studio – streitest dich und gehst zum Psychologen.

M: Wir haben die Zeit auch gehabt. Dadurch, dass wir uns kein Ziel gesetzt hatten. Wir wollten einfach zusammen ein bisschen Mukke machen und gucken, was dabei rauskommt. Das hat super funktioniert, aber es kam auch viel dazwischen. Deswegen lief das Ganze immer nebenbei.

 

Gerd, Du hast schon abgefahrene Musik auf die Bühne gebracht. Wie war es für Dich, Marco, aus Deinem eher straighten HipHop-Schaffen, aus Deiner Komfortzone auszubrechen?

M: Das war total entspannend, weil ich diese ganzen Konventionen, die ich für meine eigene Musik habe, hinter mir lassen konnte. Ich musste keinem zeigen, wie gut ich rappen oder wie gut ich reimen kann. Das, was in der HipHop-Szene gilt, war bei Dirty Dabbes egal und ich war völlig frei. Für mich war das einfacher zu schreiben als das Rap-Zeug.

 

Gerd, war die Zusammenarbeit mit einem Künstler aus ’nem Rap-Kontext für Dich eine neue Erfahrung?

G: Das sehe ich gar nicht so. Für mich ist alles Musik: Rap, Punk, Jazz. Ich arbeite immer mit Menschen aus verschiedensten Genres zusammen. Da gibt’s so manches merkwürdige Projekt. Mit Aren Emirze von Harmful [Noise-Rock-Band aus Frankfurt] habe ich „Angst vor Clowns“ gemacht. Das ist ziemlich kaputte Mussig. Mit Flatsch! haben wir eigentlich auch schon Rap gemacht, diesen Song „Austrinke“. Das ist ja schon hundert Jahre her. Ich glaub‘ da gab’s in Deutschland den Begriff Rap noch gar nicht. [lacht] Ich habe schon immer experimentiert. Den Marco habe ich ja sogar zum Singen überredet. Das wollte er erst gar nicht und ich sagte: „Doch, ich will, dass Du das singst!“.

M: Genau, beim Song „Tut so weh“.

G: Zuerst war er total unsicher, aber es klingt voll gut. Die Gitarre ist umgestimmt. Hat ein klasse Charakter, das Lied. Es gibt nur ganz wenig, das mir gar nicht reingeht. Dixieland von so alten Jazz-Typen, so biederen Studienräten. Da krieg‘ ich das Gruseln.

 

Aufgenommen habt Ihr die Platte in Darmstadt bei Philipp Rittmannsperger im Lui Hill Studio, Lukas Lehmann hat Synthies eingespielt. War das für Dich auch ein Eintauchen in die Musik-Szene der Stadt, Gerd?

G: Hm … auch das ist für mich irgendwie normal. Ich habe immer irgendwo in irgendwelchen Studios aufgenommen. Ich sage da nicht: „Ich tauche jetzt ein in Sprendlingen.“ Ich war schon in hunderten Studios mit Badesalz und meinen Bands. Aber es war klasse, Phil kennenzulernen. Super Musiker, gute Ideen, angenehme Leute. Einfach klasse. Das ist auch nicht so ein aufgemotztes Studio, eher so wie hier … [der Blick schweift durch die Galerie Kurzweil]

 

… so wie Darmstadt eben ist, nicht so aufgemotzt.

G: Genau, ich mag ja auch Darmstadt. Fast mehr wie Frankfurt, darf ich nur nicht so laut sagen. Mit meiner Band habe ich früher schon im Schlosskeller gespielt, mit Flatsch! und so’n Zeusch.

M: Echt? Da habt Ihr gespielt?

G: Ja, da gibt’s Bilder. Ich stehe halbnackt mit irgendwelchen BHs auf der Bühne. Skurrile Nummer. Ich war in Darmstadt auch an der Akademie [für Tonkunst], habe Gitarre gespielt …

 

Eure Songs kommen von Herzen, wurden frei von der Leber weg geschrieben und sind mitunter bittersüße Alltagswahrheiten mit satirischem Blick.

G: Da schlägt unser hessisches Idiom durch. Das ist ganz gut für so was geeignet, finde ich. Im Hessischen kriegt vieles noch mal ’ne Lockerheit. Dann klingt das nicht so oberlehrermäßig wie bei ’nem Liedermacher.

 

Gibt’s Sachen, die Euch wurmen, es aber nicht als Song auf die Platte geschafft haben?

G: Ja, aber das sind, ganz ehrlich, immer dieselben Themen. Es gibt Unterdrückung, Diskriminierung, unnötigen Hass – aber das gibt’s, seit ich Jugendlicher bin, in jeder Form.

M: Das hat meist ein anderes Gewand …

G: … genau, ist egal, wie die jetzt aussehen. Am meisten geht mir gerade auf den Keks, dass alle am Brüllen sind, niemand hört zu. Am besten direkt: „Nein, Du hast nicht Recht, Du bist nicht meiner Meinung, also bist Du gegen mich!“ Ich kenne noch andere Zeiten. Ich habe mit allen möglichen Leuten diskutiert, auch mit rechten Skins. Als ich jung war, dachte man, dass alles offener wird. Selbst Grüne möchten heute am liebsten alles nur noch verbieten … davon wollten wir doch eigentlich weg, das war doch die Generation meiner Eltern und jetzt wird nur noch verboten, verboten, verboten. Kann man nicht mehr reden? Kann man nicht sagen: „Setzt Dich mal hin, AfD-Heinz, was willst Du denn? Ja? Du erzählst Scheiße!“ Ein Kabarettisten-Freund, der berühmte Matthias Beltz, kennst Du den … ?

 

Ne, bin aber auch nicht so der Kabarett-Typ …

G: Ja, haste wahrscheinlich Glück. Da sitzen auch nur alle geduckt, blicken nach unten und fühlen sich schlecht, weil da oben die Besserwisser mit Zöpfen am Klavier meinen, sie müssten die Welt erklären. Jedenfalls: Unser Lied „Zutiefst beleidigt“ bringt das Thema auf einem ganz guten Level rüber. Das ist uns auch schön gelungen mit dem Refrain, finde ich: „Egal, was Du bist, ob Moslem, Jude, Christ – oder aus Leipzig: Hauptsache, Du bist zutiefst beleidigt.“ Auf ’ne lockere Art gut erzählt.

 

Ja, das Stück bringt den beschriebenen Zeitgeist ganz gut auf den Punkt …

M: Dadurch, dass man im Internet jede Meinung äußern kann, wird das potenziert. Die Leute sind ohnehin schon beleidigt wegen allem. Jetzt können sie es öffentlich äußern und alle können es lesen.

G: Ich sag‘ Dir mal, wie das früher war. Früher warste in der Kneipe, da waren hinten in der Ecke ein paar Arschgeigen, die haben Scheiße gebabbelt. Dann haben wir, so Musik-Hippies, einfach gesagt: „Halt doch einfach mal die Fresse, Walter. Halt doch einfach mal’s Maul!“ Der ist dann besoffen nach Hause, hat gekotzt, die Alde hat ihm eine gebatscht, weil er zu spät war und dann war Ruhe. Heute geht der heim, setzt sich an den Computer und tippt noch irgendeine Scheiße rein: „Ja ja, ab in die Gaskammer …“ Früher hat der die Fresse gehalten, heute verbreitet sich jeder Idiot. Und andere steigen drauf ein! Ich lese manchmal Kommentare im Netz, ist fast schon ein Hobby geworden. Das ist unfassbar! Wahnsinn! Die hetzen sich gegenseitig auf. Das eskaliert total. Was geht denn hier ab?

Schlägt Euer Song „Finger da weg!“ nicht auch in die Kerbe? Der ist die musikalische Aufarbeitung des Odenwaldhölle-Eklats, der allerlei irre Netz-Reaktionen hervorgerufen hat.

M: Richtig, der Song ist die ironische Reaktion auf das, was rund um den Artikel damals abging. Das war ja echt irre.

G: Genau, wir haben ja keinen Hass auf die Autorin. Die ist super intelligent. Antonia Baum heißt sie. Ich lese regelmäßig Artikel von ihr.

M: Mich würd‘ mal interessieren, was sie zu unserem Song sagt.

G: Ob sie Humor hat? Die schreibt echt saugut. In der „Zeit“, glaub‘ ich … vielleicht hat sie ja Humor. Ich denk‘ schon …

M: Daran habe ich keinen Zweifel. Für sie war das ja auch eine Extremsituation. Alle sind auf die! Da gab’s Fernsehberichte, Gegenberichte, Kommentare in Zeitungen. Wäre interessant zu erfahren, wie ihre Meinung zu diesem ganzen Ding rückblickend ist. Wie lange sie das beschäftigt hat. Sie hat, glaube ich, auch viele böse Briefe bekommen, viele E-Mails.

G: Skurrile Aktionen gab es damals. Irgendwelche Bürgermeister, die Behinderte im Rollstuhl vorgefahren haben mit „Odenwald“-Aufklebern. Die Leute sind nicht darauf klargekommen.

 

Habt Ihr eigentlich vor mit Dirty Dabbes auch live zu spielen und auf Tour zu gehen?

G: Ehrlich gesagt: Das steht nicht an. Dazu müssten wir ’ne richtige Band an den Start bringen und dann reicht unser Material auch nicht. Da müssten wir schon zwei Scheiben haben. Wir müssten richtig proben … und Marco lebt in Berlin. Ich schreibe auch gerade mit Henni [Nachtsheim, Badesalz] ein neues Programm für nächstes Jahr, mache mit zwei Frauen ein kleines Soul-Trio … als Gast-Nummer könnten wir vielleicht mal spielen.

M: Einmal haben wir ja schon live gespielt. Als ich bei Deinem Solo-Gig zufällig Zeit hatte, weißte noch? Aber im Grunde ist Dirty Dabbes ein Studio-Projekt. Wichtig war für uns, die Songs zu veröffentlichen, dass der Kram rauskommt!

G: Es gibt ja echt viele Bands, da passiert am End‘ nie was. Die verplappern und verlieren sich: „Eh, ja keine Ahnung, de Uli ist jetzt in Afghanistan … beim IS.“ [lacht]

M: Wir haben das Projekt ohne große Pläne gestartet. Und wir gucken jetzt einfach mal, was passiert …

G: Das haste ja wirklich oft in Musiker-Kreisen. Da werden die größten Pläne geschmiedet und alle haben Forderungen: „Wir müssen auf Tour! Kohle! Raus! Spielen!“ Ich habe aber einen ganz anderen Anspruch an einen Auftritt. Ich will nicht einfach nur auf die Bühne mit „Das nächste Stück ist von unserem Keyboarder!“ …

M: Drei, zwo, eins …

G: … ja, echt, das ist dann die einzige Ansage! Ich will ’ne Show bieten, die überlegt ist, mit Zwischenmoderation und allem, was dazugehört. Das ist Arbeit und kostet Zeit. Das macht man nicht zwischendurch. Und einfach so schnell runterrotzen, das ist nicht meine Nummer.

 

Dirty Dabbes

Das Album „Putzintensiv“ erscheint am 02.03. beim Badesalz-Label Frau Batz Records.

www.dirty-dabbes.de