Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Man hört es immer wieder aus und in den dunklen Ecken diverser Klubs. Vielmehr: Man spürt es. Denn die aus Bässen gebildeten Melodien und Rhythmen wirken sich direkt auf den Körper aus: Es wummert in der Magengegend, das T-Shirt zittert. Man weißt nicht wie, aber man muss tanzen. So muss Dubstep sein. In Berlin ist der Sound schon länger in den Klubs, in Darmstadt befindet er sich noch auf dem Weg dorthin. Und so ruht sich die Bewegung – trotz mittlerweile zehnjährigen Bestehens, was für unsere schnelllebige, moderne Musikgeschichte ja nicht wenig ist – immer noch auf dem Underdog- und Undergroundstatus aus. Mit Chrome hat sich in Darmstadt ein Kollektiv gebildet, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Dubstep aus dem Dreck an die glänzende Oberfläche zu bringen. Das P wollte es genauer wissen.


Was ist Dubstep überhaupt?

Oli: Als eigenständige Musikrichtung ist Dubstep aus einer dunkleren Variante von Garage House und Two Step entstanden. Auf Partys um die Jahrtausendwende hat eine Handvoll Leute aus Croyden (England) sich des Two Step Beats bedient und eine düstere Basslinie drunter gelegt.

Joel: Den ersten Bericht, den ich in den Medien wahrgenommen habe, war in der DeBug [Magazin für das Leben mit elektronischer Musik, Anm. d. Red.] über Kode9, dessen Tracks wurden da noch gar nicht als Dubstep bezeichnet. Es ging einfach um basslastige, deepe Musik mit SubBässen. Es gab noch keine Definition. Auch der Name kam erst viel später.

Oli: Mit dem kommerziellen Auslaufen von Two Step hat sich das musikalische Erbe ein bisschen konkretisiert. Es war alles neu und total im Underground. Parallel dazu hat sich dann auch Grime aufgetan…

Joel: Grime, bei dem der Rap im Vordergrund steht, hat sich auch aus dem Two Step generiert. Die Leute, die keine Lust mehr auf MCs hatten, haben sich mehr und mehr davon abgekapselt. Dann entstanden die ersten Dubstep-Compilations mit dem Titel „Dubstep Allstars“.

Jürgen: Altersgerechter Drum’n’Bass. [allgemeines Lachen]

Oli: Es bedient auch genau die Leute, die dem älteren Semester entstammen, denen Drum’n’Bass vielleicht zu schnell und hektisch geworden ist.

Es gibt immer wieder Leute, die behaupten, man könne auf Dubstep nicht tanzen.

Dirk: Das passiert, wenn die Leute sich nur kurz und flüchtig damit befassen, mal schnell Dubstep googeln und die falschen Lieder über das falsche Soundsystem hören. Die erste „Dubstep Allstars“, ist nicht für die Klubs gemacht. Für die Heads schon, aber der Anfänger hört einen schleppenden Beat mit ein paar wobbelnden Bässen und weiß gar nicht, dass es so etwas auch noch in schnell, funky und geil gibt.

Drum’n’Bass hat in den 90ern einen ziemlich großen Hype ausgelöst. Glaubt ihr Dubstep kann so einen Höhepunkt erreichen?

Joel: Es gibt so absurde Momente. Dubstep ist eine Underground-Bewegung nach wie vor, obwohl es schon eine ganze Weile existiert. Es gibt Namen wie Chase & Status, die sich zwischen Drum’n’Bass und Dubstep bewegen und aktuell das Rihanna-Album produzieren, aber es wird nicht als offizieller Hype verbucht. Und dann gibt es Jungs wie Skream, der mit einem Online-Remix von La Roux‘ „In for the Kill“ große Aufmerksamkeit erreicht. Was keinen kommerziellen Hintergrund hatte, aber durch diesen Vibe eine unglaubliche Hörerschaft bekam. Benga und Skream sind in den Staaten schon Riesennummern, das sollte man nicht unterschätzen. Aber Dubstep lebt nicht vom Ausverkauf. Es steht ganz klar die Musik im Vordergrund und kein Image. Du findest auf Dubstep-Dances den Reggae-Typen neben dem tätowierten Metaller und den neuen Hippster zwischen HipHop- und House-Leuten. Da ist alles erlaubt.

Wie und warum habt Ihr als Kollektiv zusammengefunden?

Jürgen: Oli und ich haben 2008 die erste Dubstep-Party im Irie Inn mit Benga gemacht. Dort haben wir auch Dirk und Joel getroffen.

Dirk: Es hat Sinn ergeben. Ihr habt im Irie Inn veranstaltet und ich habe die erste Dubstep-Veranstaltung in Darmstadt unter dem Namen „Pressure“ gemacht, daraus entstand „Chrome“ als Kollektiv.

Joel: Kräfte bündeln!

Wie schwer ist es, als deutscher DJ an die Musik heranzukommen? In England wird viel von den DJs selbst produziert und oft auch wegen der Exklusivität gar nicht veröffentlicht. Das fehlt noch ein wenig in Deutschland.

Joel: Es ist fraglich, ob in Deutschland so etwas passieren wird. Der Schmelztigel der modernen elektronischen Klubmusik liegt momentan in England. Vieles, was an neuen Tendenzen entsteht, geschieht in London.

Dirk: Es gibt natürlich ausgewählte Läden für Vinyl, ansonsten kannst du aber alles, was veröffentlicht wird, online kaufen zum Beispiel über Hardwax oder Beatport.

Ihr ladet ja auch immer wieder DJs aus England ein…

Joel: Wir legen zwar nicht den Fokus darauf, aber wenn Walsh mit 90 Dubplates ankommt und auf jeder Platte mit Edding nur der Titel steht, das ist einfach cool.

Wollt Ihr als Chrome im reinen Veranstaltungssektor bleiben oder weitergehen?

Dirk: Wir wollen ein Label gründen und darauf verschiedene Künstler präsentieren. Momentan planen wir noch das erste Release.

Joel: Als Kollektiv ist vieles einfacher. Neben der Leidenschaft zur Musik haben wir verschiedene Bereiche abgedeckt. Wir haben Leute, die sich in der Produktion auskennen, wir haben DJs und Leute, die das Booking machen. Ich setze das Ganze grafisch um.

Dirk: Das passt super zusammen und so kommen wir gemeinsam besser zum Ziel, als wenn jeder für sich arbeiten würde.

Jürgen: Zudem kommt noch das 603qm ins Spiel, mit dem wir endlich eine Plattform gefunden haben.

Wie sieht es denn aus mit Dubstep im Rhein-Main-Gebiet?

Oli: Es ist schon noch ein bisschen Missionarsarbeit.

Joel: Es gab Skream im Robert Johnson, von dem man kaum etwas mitbekommen hat, es gab Benga, dann Hatcha und DJ Chef im Nachtleben. Da waren 20 Leute.

Dirk: Wir können mit unseren 300 bis 400 Leuten in Darmstadt schon stolz sein.

Jürgen: Jetzt bauen wir auf die dritte Party mit N-Type am 16. April im 603qm und hoffen auf ein besseres, kürzeres Intervall für Dubstep-Partys.

Wenn man sich mit Dubstep auseinandersetzt, stößt man auf eine Menge mysteriös anmutender Begriffe..

Joel: Wonkee, Glitch, Dubby, Tekky, Wobble … was auch immer, es ist Bassmusik und du musst es im Bauch spüren! Scheiß‘ auf die Begriffe, es gibt jetzt sogar schon Lovestep…

… ein Bekannter sprach neulich von Deppstep. [Gelächter]

Joel: Kode9 hat in einem Interview zu dem Thema gesagt: Er weiß gar nicht mehr, was es ist. Es ist neue elektronische Musik. Es geht darum, nicht zu stagnieren, es geht um neue Ideen, fertig.

Vielen Dank für das Gespräch.

 http://chrome-dub.de/