Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Auf der Suche nach Kultur? Aber keine Lust auf ein ödes, gewöhnliches Museum? Eine Visite im Besucherinformationszentrum der Grube Messel ist die kleine Busreise aus der Stadt auf jeden Fall wert.

Wenn man schon das Glück hat, Deutschlands erstes UNESCO-Weltnaturerbe direkt vor der Haustüre zu haben, sollte man sich das nicht entgehen lassen. Zumal dessen heutiger Bestand nicht selbstverständlich ist: Nachdem der Abbau des Ölschiefer-Vorkommens der Grube Messel zur Rohölgewinnung nicht mehr rentabel war, sollte aus ihr in den 1980er Jahren eine Mülldeponie werden. Dies konnte nur durch das langjährige Engagement einiger Bürger und Wissenschaftler verhindert werden.

Zeitreise mit dem U-Bus

Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Also nichts wie hin! Mit dem U-Bus kommt man via ÖPNV zur „Grube“. „Grube Messel?“, fragt der Busfahrer interessiert, „da fahr’ ich jeden Tag vorbei. Wollt’ schon immer mal wissen, was es da so gibt.“ Darüber informiert das im August 2010 eröffnete Besucherinformationszentrum (BIZ). Von der Entstehung der Grube Messel über die Arbeit von Geologen und Paläontologen bis hin zum Urpferdchen, einem 50 Millionen Jahre alten Baustein der Evolution, gibt es im BIZ einiges zu entdecken.

„Evolution, daran glaub’ ich nicht“, meint der Busfahrer, „das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“ Evolution begreifbar zu machen ist das Ziel der Austellung „Zeit und Messel Welten“ – und das im wahrsten Sinne des haptischen Wortes: „Bitte berühren!“ lautet beispielsweise die Exponatunterschrift eines Knochenhechtabgusses. Schon von Weitem ist zu erkennen, dass es sich beim BIZ um kein Museum herkömmlicher Art handelt: Kantig, verschachtelt, gar futuristisch ist die Architektur des Gebäudes. Betritt der Ausflügler das begehbare Dach, wird ihm der Sinn der architektonischen Gestaltung klar: Sie imitiert die Schichtstruktur von Ölschiefer. Diesem Gestein ist es zu verdanken, dass heute in der Grube Messel unzählige gut erhaltene Fossilien zu finden sind.

Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Aus Faulschlamm wird Ölschiefer

An der Stelle der heutigen Grube befand sich vor über 40 Millionen Jahren ein See. Dieser kippte wegen dauerhaften Sauerstoffmangels regelmäßig um, was jedes Mal zu einer regen Algenblüte führte. Durch abgestorbene Biomasse bildete sich am Grund des Sees eine Schicht aus Faulschlamm, die über die Jahre stetig anwuchs, bis sie den kompletten See ausfüllte. Der See verlandete und die Faulschlammschicht verfestigte sich zum heutigen Ölschiefer. Die im Ölschiefer konservierten Fossilien sind nicht nur gut erhalten, bemerkenswert ist auch, dass sogar die Farbe von fossilen Vögeln und Käfern im Ölschiefer noch gut zu erkennen ist.

Zurück von der kleinen Expedition aufs Dach, geht es ins Foyer des BIZ. Ein flüchtiger Blick in die ersten Ausstellungsräume verrät, dass dieses Museum außergewöhnlich ist. Es ähnelt der „Villa Kunterbunt“ und verführt dazu, mehr entdecken zu wollen. Der Rundgang beginnt für den neugierigen Besucher mit einer Fahrt gen Erdmittelpunkt. Mit einer Art Bohrungsfahrstuhl rast er tief unter die Erdoberfläche und erkundet dabei auf atemberaubende Weise die verschiedenen Gesteinsschichten. Zwar handelt es sich nur um eine Simulation, aber dank einer 360-Grad-Projektion ist es eine täuschend echte, die das Herz eines jeden Achterbahn-Freundes höher schlagen lässt. In 433 Metern Tiefe öffnet sich die Fahrstuhltür und präsentiert den Bohrkern. Einem Gang folgend gelangt der Erdschichtenerkunder dann Schicht für Schicht wieder bis an die Erdoberfläche.

Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Klima wie in der Karibik

Dort angekommen steht auch schon die nächste Reise an: eine Reise in die Vergangenheit, zurück in die Zeit, als die Grube Messel noch ein von Palmen gesäumter See war, durch dessen Unterholz das Urpferdchen strich. Das damalige Klima entsprach dem der heutigen Karibischen Inseln. Die Wände des ganz realen Museumsraumes sind komplett in Grün gestaltet. Schemenhaft sind Urwaldriesen, Farn und Gestrüpp zu erkennen, dazu sind Vogelgezwitscher und Wassergeplätscher zu vernehmen. Dann und wann huscht die Simulation eines Urpferdchens an der Wand entlang und scheint die Museumsabenteurer neugierig zu beobachten, die über Duftdosen gebeugt die Gerüche des Regenwaldes entdecken oder durch Antippen des Touchscreens ihre virtuelle Umwelt erkunden.

Im nächsten Raum findet sich der Urwaldentdecker in der Welt der Archäologen und Evolutionsbiologen wieder: Der Arbeitsplatz eines Paläontologen lädt zur Betrachtung ein und ein Film zeigt, wie die im Ölschiefer gefundenen Fossilien präpariert und haltbar gemacht werden, bevor das feuchte Gestein nach wenigen Tagen an der Luft zu Staub zerfällt.

Vom Urpferdchen zum Zebra

Auch eine kreisförmige Illustration zieht die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich: Hier wird künstlerisch die Evolution vom Einzeller zum komplexeren Organismus dargestellt. Daneben wird exemplarisch die Evolution des Pferdes erläutert. Der Besucher kann an einem Rädchen drehen und so erfahren, wie sich aus dem Urpferdchen, dessen Körpergröße der eines heutigen Pferdekopfes entspricht, nach und nach andere Pferdearten entwickelt haben. Vom Islandpony bis zum Zebra in Afrika – alle sind sie in irgendeiner Art mit dem Messler Vorfahren verwandt. In zwei salattrommel förmigen Daumenkinos kann man das Urpferdchen und ein heutiges Pferd um die Wette laufen lassen und so spielerisch nachvollziehen, wie sich die Gangart vom laufend-trabenden Urpferdchen zum heutigen galoppierenden Pferd mit elastischer Wirbelsäule weiterentwickelt hat.

Zum Abschluss geht es in die „Schatzkammer“ des BIZ, wo es noch einige rare Fossilienfunde zu sehen gibt – und damit endet eine vielseitige Entdeckungsreise, die zeigt, dass ein Museumsbesuch aufregend und bildend zugleich sein kann.

 

Besucherzentrum (BIZ) der Grube Messel

Rossdörfer Straße 108, Messel (bei Darmstadt)

Täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet

Telefon (06159) 717590

Weitere Infos, das Wochenend- und Ferienprogramm unter:
www.grube-messel.de