Foto: Jan Ehlers

In letzter Zeit hat sich eingeschlichen, dass Politiker und sich mit Medien beschäftigende Leute wie Journalisten unbedacht von „doppeltem Standard“ sprechen, sobald ein englisch-sprachiger Kollege von „double standard“ spricht. Ich bitte um zügiges, kräftiges Zurückrudern, die Blätter hart im Wasser, was die inflationäre Nutzung dieses Ausdrucks angeht!

Soll unser schönes „zweierlei Maß“ in Vergessenheit geraten? Ich bitte Euch! Warum denn? Ist es doch der Ausdruck, mit dem man in unserer wirklich facettenreichen Sprache den entsprechenden Sachverhalt korrekterweise benannte. Es ist ein prima Ausdruck mit tollem Klang und weil Wohlklang Sprache sympathisch gleiten lässt, wurde er auch lange benutzt. Jetzt wackelt er, doch ich bringe Seile und diesen Pfeiler aus Worten!

Sein Partner, die „Doppelmoral“, hält sich zwar gottlob noch im selben Sektor schadlos, doch ist seine Bedeutung slightly different. Hört sich aber auch gut an – etwas muffig, aber wahr. „Doppelter Standard“ hingegen, zwar bestimmt im Duden auffindbar, wenn auch lediglich im Kapitel „Ausdrücke, die es zu vermeiden gilt, weil sie unnötig sind, nicht zielführend und sich zudem unangenehm anhören“, spricht sich hart, klingt nach Kaserne. Oder nach Klassifizierungen von Dingen wie Tabakschnitt, Waschpulver (vor 1958) oder Drogen in deutschen Fernsehkrimis (nach 1967).

Wenn wir hingegen mit zweierlei Maß messen, sollten wir uns a) sowieso schämen, und b) es auch so formulieren. Denn dann hört sich das Fehlverhalten wenigstens schön an. Wie eine Reise durch den ganzen Mund! „Halfszware Shag“ war eine andere interessante Reise durch den Mund, allerdings ist diese seit 2003 verboten. Denn es war der holländische Begriff für leichteren Tabak, und den verbot die EU, weil er wohl als gesundes Light-Produkt mißverstanden wurde. Hoppla, „mißverstanden“ schreiben wir ja seit 1996 „missverstanden“. Da muss ich kein Mitglied der „Forschungsgruppe Orthographie“ in der DDR gewesen sein, um das zu wissen. Wäre ich aber gern …