Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Eher selten gelingt es Kunstwerken, die an oder für Bauten entwickelt werden, eine neue Einheit mit der Architektur einzugehen, um etwas zu schaffen, das – wie man so schön sagt – größer ist als die Summe seiner Teile. Im vorliegenden Fall gelingt dies beispiellos und eine für sich genommen schon interessant angelegte Fassade wird durch Ergänzung eines relativ einfachen, geometrischen Formspieles zur Bühne des Lebens.

Wenige Gebäude in Darmstadt erwecken eine derartige Schaufreude, das theatrale Potenzial geht durch die Decke, jede Regung wird zum Spiel. Es scheint fraglich, ob es sich bei gesichteten Personen um tatsächliche Bewohner oder doch eher um das Ensemble des Hauses handelt. Vielleicht ist die Unterscheidung aber auch gar nicht so wichtig. Mit Blick auf die Soziologie sind die Grenzen zwischen Darstellender Kunst und Leben sowieso unscharf – insbesondere, wenn man sich mit den Schriften von Erving Goffman beschäftigt. Der kanadische Forscher hat den schönen Begriff des „Impression Managements“ geprägt. Gemeint ist damit der Versuch, das eigene Erscheinungsbild unter anderem durch Wortwahl, Verhalten und Kleidung zu kontrollieren. In den sozialen Medien geht das Impression Management dank Filtern und selbst gewählten Ausschnitten weiterhin seinen gewohnt glatten und langweiligen Gang. Doch im echten Leben, da geht es derzeit rund. Die Selbstinszenierungen scheitern vermehrt, zu häufig hat in den letzten Monaten die Bühne zum Proben gefehlt. Begrüßungen gehen schief, der Abstand zur nächsten Person wird permanent falsch eingeschätzt und sogar Einsätze im Dialog werden verpasst. Für geneigte Beobachter der kleinen Momente ist es eine fruchtbare Zeit. Es ist aber auch eine gute Gelegenheit, das eigene Management mal genau zu überprüfen.

 

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.