Den bisherigen Saisonverlauf haben sich die Blau-Weißen vom Bölle sicher anders vorgestellt. Das Team von Markus Anfang spielt oft ansehnlich, versäumt es allerdings immer wieder, sich dafür mit einem Sieg zu belohnen. Da ist es vielleicht gar nicht verkehrt, in der ersten Februarwoche mal ganz ohne Druck im DFB-Pokal anzutreten.
Aufgrund des dicht gedrängten Terminkalenders wird das Pokal-Achtelfinale außerplanmäßig nach dem Jahreswechsel ausgetragen. Das bedeutet zugleich, dass die 98er erstmals seit über drei Jahrzehnten im nationalen Pokalwettbewerb überwinterten. Die ersten beiden Runden gastierten die Lilien bei Drittligisten. Den Auftakt in Magdeburg verschlief die Truppe und lag zur Pause verdient mit 0:2 hinten, ehe sie nach dem Seitenwechsel zwei Gänge hochschaltete und mit 3:2 gewann. In der zweiten Runde stand dann ein überaus dominantes und abgezocktes 3:0 beim Drittligakrösus aus Dresden. Das Team bestätigte im letzten Spiel vor Weihnachten seinen damaligen Aufwärtstrend, ehe der Jahresauftakt in der 2. Bundesliga nicht unbedingt wunschgemäß verlief.
Der letzte Achtelfinaleinzug führte zu den Bayern
Nun warten im Pokal-Achtelfinale die Champions-League-Sieger-Besieger aus Kiel. Sie verwehrten den Lilien ein neuerliches Aufeinandertreffen mit Bayern München. Zum Rekord-Pokalsieger waren die 98er gefahren, als sie letztmals unter den besten 16 Teams des Wettbewerbs standen. 2015 zog sich Erstligaaufsteiger SVD überaus achtbar aus der Affäre. Der „kicker“ schrieb nach der Partie von Bayern, die sich „gegen gut stehende Lilien“ schwer taten. Vor über 70.000 Zuschauern unterlagen Dirk Schusters Underdogs letztlich aber doch mit 0:1. Und das gegen einen Kontrahenten, bei dem Pep Guardiola seine volle Kapelle aufgeboten hatte. Um die zähen Lilien zu besiegen, musste schon ein Traumtor des spanischen Weltmeisters Xabi Alonso her. Die Bayern hatten ihre Pflichtaufgabe erledigt, die Lilien durften sich erhobenen Hauptes aus dem Pokal verabschieden.
St. Pauli, Freiburg und der S04
Ein Jahrzehnt zuvor hatten die 98er bundesweit aufhorchen lassen. Als Drittligist besiegten sie 2001 in der ersten Runde bei brütend heißen Temperaturen Bundesligist FC St. Pauli mit 3:1 (Torschützen: Boris Kolb, Sascha Maier und Audenzio Musci). In der zweiten Runde zeigten sie dem nächsten Bundesligisten das Stoppschild. Der SC Freiburg war mit seinem Jungstar Sebastian Kehl ans Bölle gekommen. Der frisch gebackene Nationalspieler reagierte mit zunehmendem Spielverlauf immer entnervter auf giftige Lilien. Sascha Maier hatte die Führung der Gäste egalisiert, bevor Richard Hasa und erneut Sascha Maier die Lilien jeweils in Front brachten. Da die Breisgauer immer eine Antwort hatten, musste das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen. Und hier versagten dem Bundesligisten unter Flutlicht die Nerven. Während alle Lilien verwandelten, verschossen drei Freiburger und machten das Bölle zum Tollhaus. Als Nächstes empfingen Zivo Juskic, Elton da Costa & Co. Titelverteidiger Schalke 04. Das pickepackevolle Bölle erlebte einen wahren Pokalfight mit je einem Platzverweis auf beiden Seiten. Und als die 25.000 Zuschauer schon mit einem weiteren Elfmeterschießen rechneten, da hämmerte Ebbe Sand in der 115. Minute die Pille im Anschluss an eine Ecke ins Tor des zuvor unüberwindbaren Andreas Clauß. Der Lilien-Keeper verdiente sich später beim „kicker“ dennoch eine glatte 1. Anschließend gelang es den Schalkern, ihren Pokaltriumph zu verteidigen, was die engagierte Leistung der Lilien gleich in einem noch besseren Licht erscheinen ließ.
Ein „Misttor“ entscheidet das Duell gegen den HSV
Der größte Pokalerfolg der Lilien datiert aus der Saison 1986/87. Erst im Viertelfinale war Endstation. Zuvor hielten sich die 98er gegen den SC Charlottenburg (3:0), Blau-Weiß Friedrichstadt (2:1) und Fortuna Köln (2:0) schadlos. Jeweils in der Fremde. Das erste Heimspiel bescherte ihnen dann ein Gastspiel des Hamburger SV. Gegen den damaligen Bundesligazweiten entwickelte sich ein packendes Duell. Das Stadion war derart voll, dass einige Zuschauer gar auf der Tartanbahn Platz nehmen mussten. Und sie sollten ihr Kommen nicht bereuen. Das Zweitligaspitzenteam mit Oliver Posniak, Rafael Sanchez und Bernhard Trares trotzte dem Bundesligisten bis zur 88. Minute. Dann erst ließ Manni Kastl Lilienkeeper Willi Huxhorn keine Chance. Allerdings aus abseitsverdächtiger Position. Die 98er waren not amused. Stürmer Bruno Labbadia sprach anschließend von einem „Misttor“. Libero Kalle Emig ätzte über zwar erworbene Sympathien, von denen die 98er nun aber mal nichts hätten. So zog der Favorit mit Uli Stein, Dietmar Jakobs, Thomas von Heesen und Trainerlegende Ernst Happel ins Halbfinale ein und holte später gar den Pott an die Elbe.
Der Zweitligist lässt aufhorchen
Als Zweitligist ließen die Lilien auch zuvor immer mal wieder aufhorchen. 1982 führten sie im Achtelfinale bereits mit 2:0 bei Borussia Dortmund, ehe die Westfalen nach der Pause das Spiel drehten. 1979 schickte der SVD unter Trainer Jörg Berger Erstligist Kaiserslautern mit 4:0 nach Hause, um daraufhin Ligakonkurrent Fortuna Köln mit 7:2 aus deren Stadion zu schießen, bevor Stadtrivale FC den SVD im Achtelfinale ausschaltete.
Nun geht es also nach Kiel. Keine dankbare Aufgabe gegen einen spiel- und laufstarken Ligakontrahenten. Zudem bedeutet das Duell reichlich Reisekilometer. Nach dem Sieg gegen die Über- und Triple-Bayern hat Kiel allerdings die Favoritenrolle inne. Und das ist dann doch gar keine so schlechte Ausgangssituation.
Pokalkitzel und Ligaalltag
Di, 02.02., 18.30 Uhr (DFB-Pokal-Achtelfinale): Holstein Kiel – SVD
Sa, 06.02., 13 Uhr: SVD – 1. FC Nürnberg
So, 14.02., 13.30 Uhr: SVD – VfL Osnabrück
Sa, 20.02., 13 Uhr: FC St. Pauli – SVD
Fr, 26.02., 18.30 Uhr: SVD – Karlsruher SC
Fr, 05.03., 18.30 Uhr: SC Paderborn – SVD
Sa, 13.03., 13 Uhr: SVD – Erzgebirge Aue
Sa, 20.03., 13 Uhr: Eintracht Braunschweig – SVD
Matthias und der Kickschuh
Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!