Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Der kleine verrückte Mann ist tot! Von allen Dub-Pionieren war er der beste, von allen Toastern war er der geilste, sorry Dillinger, sorry King Tubby.

Wer jetzt verwirrt sein sollte, weil nicht firm im Reggae: Toasting nennt man den jamaikanischen Sprechgesang – und Dub die in Jamaika entstandene Produktionstechnik, basierend auf Abstraktion durch Reduktion. Drums und Bass, ein Melodieinstrument im Echohall, dazu gerne Fragmente aus den Vocals der A-Seite. So was machte Lee Perry. Machten andere bald auch. Aber nicht so.

Den vom am 29. August verstorbenen Lee Scratch Perry in seinem Black Ark Studio produzierten Musiktiteln (gerne ein wenig düster und spooky in der Grundstimmung) haftet ein besonderer Zauber an. Er produzierte tolle Singles mit unterschiedlichsten Interpreten – und die von ihm genutzte Dub-Technik, vor allem auf den B-Seiten, machte ihn in den 70ern zur Produktionslegende. Zudem begann er seine eigenen Vokal-Versionen zu veröffentlichen. Jene offenbarten eine wunderbare raue Stimme, welche zumeist gereimtes zwischen Christentum und Science Fiction preisgab. Damit nicht genug, wurde es doch seine Spezialität, über seine erste Gesangsspur eine zweite zu legen, in der er sich selbst mit zumeist albernen, dadaistisch geprägten Texten à la „Computer – Martin Luther“ doppelte. Er ließ zunehmend andere die Songs abmischen und konzentrierte sich auf das Singen.

Wobei konzentriertes Singen auf keinen Fall das war, was er tat. Freie Improvisation an allen Ecken und Enden. Dazu lief der keine 1,70 Meter große, optisch früh vergreiste Druidenmeister des Dub, zumindest wenn die Presse zu Besuch kam oder er einen Auftritt absolvierte, mit einem Anzug-Revers voller Unsinn herum, auf dem Kopf eine Art Burger-King-Krone mit daran befestigten Taschen- und Armbanduhren. Ich fand’s spitze! Den Mann und seine Musik. Und zwar nicht nur die aus den 70ern und 80ern, nein, auch in diesem Jahrtausend gab es von ihm fantastisch eingesungene Alben. Das letzte rundum überzeugende veröffentlichte er mit bereits 80 Jahren. Dazwischen Schund mit überhaupt nicht zueinander findenden Sprachtexten zu minderwertigem Dub, produziert von Niemanden, die sich mit seinen Federn schmücken wollten. Das war schade, aber sie werden ihm hoffentlich gut Kohle dafür gegeben haben.

Er wurde 85 Jahre alt, das ist ein würdiges Alter. Aber ich dachte, der kleine Freak würde noch viel älter werden, sah er doch schon immer alt aus. Yoda war ja auch nie jung. Weiß ich gar nicht, vielleicht gibt’s „Die Flegeljahre des jungen Yoda“ bei Pro Sieben Classics +, jedenfalls sah Lee Scratch Perry schon vor über 30 Jahren im Mannheimer Capitol aus wie 70. Jetzt ist er leider tot. Aber das sagte ich bereits.