Kollage: Lisa Zeißler

Wer zum Studieren nach Darmstadt kommt, dem geht’s ums Fachliche. Da wurde vorher intensiv recherchiert, es wurden die persönlichen akademischen Ansprüche mit den angebotenen Studiengängen abgeglichen. Wem neben der fachlichen Ausrichtung auch ein schöner Campus wichtig ist, der geht aber eher nach Heidelberg, Mannheim oder Tübingen. Selbst Frankfurt hat einen beeindruckend grünen Campus und punktet ja immer noch mit dem fragwürdigen Image der ach so internationalen Banker-Stadt, in der man Europaluft schnuppern kann. Und ja, es gibt halt einen Fluss. Pfft!

Aber die anderen Studierenden, die nicht so oberflächlich sind und die der Darmstädter Wohnungsmarkt noch nicht abgeschreckt hat, dieser Rest kommt dieser Tage hier im herbstlich-grauen Darmstadt an. Bonjour tristesse! Man kann es nicht anders sagen: Der erste Eindruck ist niederschmetternd.

Egal ob man per Zug oder Auto ankommt, die architektonische Begrüßung rund um den Hauptbahnhof gleicht einem kalten Waschlappen, der einem mit Schmackes ins Gesicht geworfen wird: Aufwachen, wir sind hier nicht zum Spaß!

Auch die Zubringerstraßen in die Stadt rein begrüßen die neuen Studierenden in ihren Kleinwägen mit fremden Kennzeichen mit einem Plakat, das da seit Jahren hängt: „Feinstaub! Innenstadtsperrung – letzte Wendemöglichkeit!“ Einfach sympathisch.

Eine Freundin kam aus dem wunderschönen Innsbruck zum Studium hierher und beim Passieren der Stadtgrenze von Darmstadt brach sie in Tränen aus. Warum? Weil sie nicht fassen konnte, wie es hier aussieht und nicht dachte, dass sie es hier aushält. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, aber trotzdem: vollstes Verständnis!

Okay, rund um die Stadtmitte gibt es altehrwürdige Gebäude und auch die Lichtwiese hat ihren Charme. Aber ansonsten? Geht die Ernüchterung weiter: Tankstellenvibes am Studierendenservicecenter „Karo 5“, von außen wie von innen. Immerhin: Die ULB ist fast noch neu. Mehr gibt es über den verklinkerten Klotz aber auch nicht zu sagen.

Von der Hochschule Darmstadt brauchen wir gar nicht sprechen, das größte Gebäude dort sieht aus wie eine Käsereibe und der Rest hat den Charme eines in die Jahre gekommenen Krankenhauses. Oder befindet sich in Dieburg. Und weiß irgendjemand eigentlich wirklich, wie die Evangelische Hochschule aussieht?

Es ist leicht, andere Städte für ihre tollen Unis zu loben und das besondere Flair dort zu genießen. Aber wer es einfach mag, kommt nicht nach Darmstadt. Wenn man nicht hier aufgewachsen ist, muss man sich die Liebe zu dieser Stadt hart erarbeiten. Und Darmstadt spielt anfangs gerne hard to get: Wieso schmeckt Äppler, als ob er eigentlich nicht zum Verzehr bestimmt ist? Gibt es in dieser tristen Innenstadt einen Ort zum Feiern? Was soll ich eigentlich im „Hotzenplotz“?

Ich beobachte gerne die Erstsemester, wie sie im Herrngarten während der Orientierungswochen Spielchen spielen müssen, die meistens Alkoholkonsum beinhalten. Zusammengewürfelte Gruppen unterschiedlicher Menschen, die dennoch alle in den Monaten davor eine Entscheidung getroffen haben: Ich studiere in Darmstadt! Da schwingt für mich ein bisschen auch der Mut der Verzweiflung mit: Das wird die Zeit meines Lebens, Darmstadt hat ja auch schöne Ecken.

Und irgendwann, nach ein paar Wochen, wenn der erste Schock verdaut ist, kehren die neuen Studierenden in ihre Heimatorte zurück, treffen alte Freund:innen und alle berichten von den ersten Wochen an ihren Unis. Während man beim heimischen Bier den Storys aus Berlin, München und Hamburg lauscht, erwischt man sich bei dem Gedanken, dass man jetzt lieber einen Sauergespritzten bestellen würde. Ein Grinsen huscht über das Gesicht und man spürt es zum ersten Mal: Vorfreude, schon bald wieder zurück nach Darmstadt zu kommen.

Zum Abschluss noch ein bisschen Motivation für neue Leser:innen: Wenn Ihr Erstsemester gerade zum ersten Mal das P-Magazin lest, lasst Euch gesagt sein: Ich wollte nur kurz hierbleiben – und das war 2007. Haltet durch!

 

Du bist fies? Ich bin Fiesa!

Ich bin Isa, 34, spiele Roller Derby und mag Tierbabys aller Art. Ich wohne seit 2007 in Darmstadt, wollte nur kurz zum Studium bleiben … das hat ja hervorragend geklappt. Darmstadt war Liebe auf den zweiten Blick und ist Zuhause geworden. Die Schrullen und Besonderheiten der Stadt bringen mich zum Lachen, daran wollte ich Euch teilhaben lassen. Da ich keine echte Heinerin bin, ist das natürlich nie ganz ernst zu nehmen und mit einem Augenzwinkern zu verstehen.