Kurze 37 Minuten benötigt Sinje Köhlers Film „Nadja & Lara“, um den Zuschauer noch lange zu beschäftigen. Gut produziert, glaubwürdig erzählt, am Puls der Zeit: Für diese Leistung wurde die junge Regisseurin und Drehbuchautorin Mitte Oktober mit dem Hessischen Filmpreis für den besten Hochschulfilm des Jahrgangs 2012 ausgezeichnet. Nach Enkelejd Lluca (Frankfurt Coincidence) ist sie das zweite junge Filmemacher-Talent, das den Fokus innerhalb kurzer Zeit auf den Mediencampus Dieburg der Hochschule Darmstadt (h_da) lenkt.
Sinje Köhler (24), die aus Kranichstein stammt, ließ sich für ihren Kurzfilm, der zwischen den Hochhäusern der Vorstadt angesiedelt ist, von vielem inspirieren, was sie aus dem dortigen Umfeld kannte. Allerdings wollte sie kein Drama als Abschlussarbeit an der h_da einreichen (was vielleicht naheliegend gewesen wäre), sondern einen Thriller.
Über das Internet und seine Gefahren
In dessen Mittelpunkt steht die Freundschaft der beiden Teenager Nadja und Lara, die aufgrund eines waghalsigen Zeitvertreibs zu zerbrechen droht. Dabei thematisiert Sinje nicht nur die Langeweile und Anonymität in der Vorstadt, sondern auch die Orientierungslosigkeit der oftmals vernachlässigten Jugend in eben solchen sozialen Brennpunkten. „Ich beobachte und versuche nicht unbedingt zu kritisieren, sondern eher zu dokumentieren. Ich wollte zeigen, auf welche Ideen man als Mädchen kommt, wenn man jung ist“, erklärt die Darmstädterin. Dabei nimmt ihr Film Bezug auf die zentrale Rolle, die das Internet im Leben junger Menschen spielt – und welche Gefahren dort lauern können.
Zum Medium Film zog es die Regisseurin zwar schon lange, jedoch kam der Entschluss, es wirklich zu versuchen, erst nach einem Semester Politikwissenschaften, „das zwar interessant, aber schlicht zu trocken war“. Nach einem Praktikum in einer Filmproduktionsfirma wechselte sie an den Campus Dieburg der h_da zum Studiengang „Digital Media Video“.
Bis sie ihren Film als Bachelor-Arbeit einreichen konnte, war gut ein Jahr Arbeit nötig. Davon strickte sie allein etwa fünf Monate am Drehbuch, besichtigte anschließend Drehorte, legte Kamera-Einstellungen fest und castete die Darsteller. Hierfür ließ sich Sinje besonders viel Zeit: „Es war nicht leicht, junge Schauspieler mit einer gewissen Erfahrung zu finden“. Das intensive Casting hat sich augenscheinlich gelohnt, die beiden Protagonistinnen spielen ihre Rollen sehr authentisch.
Sinjes Arbeit überzeugte schließlich auch die Jury des Hessischen Hochschulfilmpreises. Manchmal, gesteht sie, frage sie sich aber selbst, ob sie den Preis überhaupt verdient habe. „Der Film wird jetzt nicht mehr nach mir, sondern nach dem Preis bewertet. Er bringt die Zuschauer dazu, ganz genau hinzusehen“, antwortet Sinje auf die Frage, ob die Auszeichnung sie zukünftig unter Druck setze. Allerdings, erwähnt sie, werde man mit der Zeit immer sicherer und merke, dass man mit den Anforderungen umgehen kann, die ein solches Filmprojekt stellt: „Ich zweifle weniger an mir selbst.“ Nach etlichen Vorführungen fielen ihr bei „Nadja & Lara“ dennoch immer wieder gewisse Fehler auf, erklärt sie. Doch wenn sie den Film eine Weile nicht gesehen habe, denke sie im Nachhinein trotz der kleinen Makel immer wieder: „Gut gemacht, Sinje.“
Ohne Moos: nix Film
Zu den größten Schwierigkeiten junger Filmemacher zählt Sinje, überhaupt eine Chance zu bekommen. Gute Kontakte seien sehr wichtig und auf lange Sicht unverzichtbar. Ein schwer zu bekommendes Regiepraktikum oder die Arbeit in einer Produktionsfirma könne da schon ein großer Schritt sein. „Man muss hartnäckig sein, Kontakte aufbauen und nutzen“, rät sie. Darüber hinaus müsse man natürlich noch an das nötige Geld kommen. Dabei können Filmförderungen eine Hilfe sein, wenn man deren zahlreiche Anforderungen erfüllt. Gerade am Anfang müsse man Kompromisse eingehen, so Sinje: „In der Regel kann man sich nicht sofort selbst verwirklichen.“
Durch den Preis habe sie zwar einige Aufmerksamkeit bekommen, erklärt Sinje. Es sei aber trotzdem anfangs erst mal schwer, in der Branche Fuß zu fassen. Unterstützung erhält sie hierbei von ihren Freunden, der Familie und ihrem Professor Thomas Burnhauser. Der Dieburger Campus halte zudem viele Kontakte bereit und biete außerdem gute technische Voraussetzungen für junge Filmemacher, lobt Sinje.
„Alle Mittel des Films eignen sich sehr gut, um sich auszudrücken“, findet die ambitionierte Regisseurin. Und so soll ihr nächstes Projekt zwar kürzer und wesentlich lustiger, aber nicht minder nachdenklich werden.