15-06-09-hörspiel
Foto: Mathias Hill

Sie sind meistens zu zweit und manchmal zu dritt. Fahr’n sie im Bus, fahr’ ich gerne mit! Sie steh’n auf Natur, sie steh’n auf Gewalt, sie steh’n auf die Heimat, doch das lässt mich kalt. Sie sind die Förster – vom Silberwald! Und in letzter Zeit konnte man sie recht häufig dabei beobachten, wie sie aus dem Dickicht hervortraten und die Nacht-der-Clubs Busse und P-Party-Vorhöfe … nun … rockten? Oder doch eher: volkstümlich verschlagerten? So oder so hinterlassen Patrick Lins und Tobias Groß aus Schlüchtern mit ihrer Trachten-Travestie immer mindestens so viele verwirrte wie begeisterte Zuschauer. Weniger bekannt ist hierzulande bislang noch, dass sie auch noch in einer echten, großen (Anti-)Rockband namens Tournée Du Chat Noir spielen, Mittelhessens best kept secret. Die musikalischen Eckpfeiler der Förster-und-schwarzen-Katzen-Welt markieren Schlager, Metal und kranker Humor. Und davon gab es reichlich, als das P für Förster Tobias zur Jagd blies.Waidmannsheil!

 

Die Kastelruther Spatzen (aus Südtirol) „Ein bisschen Mensch sein“

Die phänomenalen Spatzen mit einem Smasher aus ihrem 2006er Hit-Album „…und singen ist Gold“.

Tobias: Ja, sowas hatt’ ich befürchtet [freut sich augenscheinlich über die gesungenen Weisheiten der Konkurrenz]. Ja … Was fällt mir dazu ein: Koks, Selbstmord … Keine Ahnung, was das sein soll.

Das sind Eure großen Rivalen, die Kastelruther Spatzen.

[betrachtet das Cover]: Ja, „Ein bisschen Mensch sein“, das reicht ja auch. Zumindest für die Volksmusikszene. Ich bin ja damals da rein gegangen, um dem Ganzen neues Leben einzuhauchen, aber die Strukturen sind zu festgefahren. Zwangsheterosexualität, das bereits erwähnte Koks, von meinem konservativen Standpunkt aus ist das nix.

 

Japanische Kampfhörspiele „Ich verabscheue Euch wegen Eurer Kleinkunst zutiefst“

Tocotronic wussten schon früh, was sie von Jongleuren und anderen Gauklern zu halten haben. Hier die mit viel Liebe gegrunzte Grindcore-Version der JaKas.

[nach 30 Sekunden]: Ach, Japanische Kampfhörspiele! Ach Mann, ich find die echt gut, aber man muss die Texte immer nachlesen. Aber was uns ja mit den Metal-Bands verbindet, ist die Vorliebe für naturromantische Phänomene: Schwarzwald, Wolpertinger, Schwerter. Ich seh’ da eine innere Verbundenheit der Förster mit der Metal-Musik.

Bezüglich der Motive?

Der Ästhetik vor allem. Es gibt ja diesen schönen Song „Hammerfall“ von Hammerfall (aus dem Album „Hammerfall“), mit dessen Video kann ich mich sehr gut identifizieren. Da flieht ein Mädchen durch den Wald, sie hat Angst, dann rennt sie in eine Hütte und dort spielt die Band Hammerfall den Song „Hammerfall“ (aus dem Album „Hammerfall“). Und dann reicht der Sänger der Gruppe Hammerfall dem Mädchen die Hand. Und sie lächelt. Das ist so die Art von Romantik, die ich mag. Seitdem wohne ich auch wieder im Wald und warte dort.

 

Das Bierbeben „Kein schöner Land“

Wir bleiben volkstümlich mit dieser düsteren Coverversion, wieder mit Tocotronic-Beteiligung.

Kommen jetzt endlich die Bee Gees?

Nee.. die hab ich diesmal weggelassen.

[nach konzentriertem, entrücktem Zuhören]: Also, wer das ist, weiß ich nicht, aber es ist eine fürchterliche Verwurstung eines sehr schönen Traditionals.

Könnte die Machart nicht ein Kommentar zum Zustand unseres Landes sein?

Ja, Verfall, Agonie, wohin man hört. Insofern ist das dann doch recht passend. Aber ich finde, dass Musik ja eher Spaß und Freude bringen soll. Selbst die depressiven Sachen find ich nur gut, wenn sie etwas Animierendes haben. Zum Beispiel „Transmission“ von Joy Division.

 

Voivod „Batman“

Die kanadischen Thrash-Metal-Pioniere spielen das Thema der Fledermaus-TV-Serie.

Bee Gees, jetzt endlich. Das hör’ ich am Schlagzeugsound.

Ich muss Dich erneut enttäuschen…

Klingt auf jeden Fall ganz cool. Ist das… Kreator?

Knapp vorbei. Einer von denen war mal bei Metallica.

Äh… Voivod. Dacht’ ich auch erst dran. Der bei Metallica war der Bassist [Jason Newsted, Anm. d. Red.], den haben die Metallicas dann auch rausgeekelt. Ist wohl auch ein ziemlicher Idiot. Ich mag ja eher die progressiveren Voivod ab dem vierten Album. Die haben ja auch für die Comicserie Captain Future ein Stück gemacht, für dessen Gegenspieler.

 

Black Sabbath „Planet Caravan“

Auch harte Rocker können psychedelische Folk-Balladen zaubern. Ozzy, übernehmen Sie!

Ist das Mad Season? Alice in Chains?

Nee, älter. Ist auch für die Band eher untypisch.

[leicht beleidigt]: Mit diesem Flanger-Sound erkennt man die Stimme ja auch nicht. Hmm … Black Sabbath ist es nicht, oder?

Doch!

Dazu sagte mir mal ein Doom-Metal-Fan: „Die erste Black Sabbath ist der Fels in der Brandung, an dem die anderen Doom- Metal-Bands langsam abrutschen.“ Das Stück ist aber nicht von der ersten, sonst würde ich das kennen [es ist von „Paranoid“ von 1970, Anm. d. Red.]. Wobei, die beste Doom-Metal-Band ist nach wie vor Saint Vitus – oder Pentagram, ich kann mich gerade nicht entscheiden. Saint Vitus waren Hippies, die gekifft und gesoffen und auf Böse gemacht haben, aber eigentlich waren sie Hippies, insofern ähneln sie vielen richtigen Metalbands.

 

Truck Stop „Cash Medley“

Für ihr 1993er Album „1.000 Meilen Staub“ haben die LKWFahrer-Ikonen mal ein Medley
mit Johnny-Cash-Stücken aufgenommen.

[nach 3 Sekunden] Truck Stop! [Nach weiteren zehn Sekunden] Das ist nicht wirklich Truck Stop, oder?

Doch.

Countrymusik von Deutschen klingt nie wie richtiger Country, sondern immer nach Diskette. „Der wilde, wilde Westen“ ist definitiv mein Lieblingslied von Truck Stop. Wir proben ja auch unter einem Country Club und ich hab’ deshalb große Hochachtung vor Cowboys. Tex Haper ist ja mein Lieblings-norddeutscher-Countrysänger, mit dem Song „Country New Wave“, sehr zu empfehlen. Das ist ’ne frühe Form des Bastard-Pop – im Refrain Country und in den Strophen Neue Deutsche Welle. In dem Lied geht es um Beziehungsprobleme auf Grund von Musikgeschmäckern.

 

The Inner Space „Kamera Song“

1968 machten auch Can, neben Kraftwerk (und den Scorpions meinetwegen) die einzige deutsche Rockband von Weltruf, noch Schlager. Unter Pseudonym erschien dieses charmant gehauchte Stück.

[schaut lange Zeit verkniffen] Imitiert da jemand Nico? Klingt ein bisschen so, oder? Hm…. Ist das so ne deutsche Schlagersache mit ’ner ausländischen Sängerin?

Es geht eher um die Band, nicht um die Sängerin [Rosy Rosy, damals neben Uschi Obermaier das „It-Girl“ der Münchner Szene, Anm. d. Red.]. Der Song ist von einem Soundtrack aus dem Jahr 68.

Soundtrack? Vielleicht Can? Das ist eine meiner deutschen Lieblingsbands auf diesem Gebiet. Wobei man das Gebiet ja gar nicht festlegen kann, sie ragen ja in so viele Musikstile hinein. Ich geh’ ja auch immer noch gern zu Damo-Suzuki-Konzerten [von 1970 bis 73 Sänger von Can, Anm. d. Red.] nach Frankfurt, das ist auch sehr spannend.

Und als Schlagerband?

Na ja, überzeugt hat mich das Lied jetzt nicht. Gut, dass sie das nicht weitergeführt haben. Sie haben ja später viel bessere Soundtracks gemacht, zum Beispiel zu „Das Messer“ [Francis-Durbridge-Verfilmung von 1971, Anm. d. Red.] den Song „Spoon“. Der Film selbst war etwas langweilig, aber ich hab mir alle vier Teile angeschaut, nur um dieses Lied hören zu können.

 

Fazit:
Ohne dieses Hörspiel hätten wir nie erfahren, wo Hammerfall ihre Hütte haben, von welchem Felsen die ganzen Doom-Metal-Bands abrutschen, wer bei Metallica der größte Idiot ist, welchen Zwängen die Kastelruther Spatzen unterworfen sind und wer den Bastard-Pop erfunden hat. Waidmannsdank, Herr Förster!