Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Zwischen tonnenschweren Basslinien und kilometerlangen Band-Echo-Schleifen bewegt sich Peter Lemon am liebsten. Der ehemalige Strawheads-Gitarrist ist schon vor langer Zeit ins Knöpfchendreher-und-Schallplattenunterhalter-Fach gewechselt und trat beziehungsweise tritt als DJ, Mixer und Remixer von Fill Up The Dub, den DA City Dub Dudes, Concrete Jungle und den Echonomics in Erscheinung. Ein geborener Experte also, um zwischen echtem und falschem, gutem und schlechtem Dub-Reggae zu unterscheiden. Schaumermal…

 


The Slickers „Johnny Too Bad“

Zum Start ein Old-School-Reggae Klassiker vom „The Harder They Come“-Soundtrack.

Peter: Das ist doch Reggae … Jimmy Cliff, oder? [Anm. d. Red.: Ganz knapp vorbei, denn das ist ja der Hauptdarsteller des Films] Hm … „Johnny Too Bad“ von …

… den Slickers.

Ah ja.

Du bist aber eher auf Dub geeicht, oder?

Ja, mein Anfang im Reggae war mehr so die Dub-Schule. Von da aus habe ich mich nach hinten gearbeitet: Reggae, Rocksteady, Ska. Aber Dub ist mir immer noch die deepste und die liebste Reggae-Variante.

Ein abschließendes Urteil zu den Slickers?

Na ja, geht so…

 

Dennis Alcapone „Alcapone Guns Don’t Argue“ / Eric Donaldson „Love of the Common People“

Ein weiterer Song, der, genau wie die Slickers, aus den Dynamic-Sounds-Studios in Kingston, Jamaica stammt.

Das ist … Dennis Alcapone. Aber das Lied erkenne ich nicht.

Das ist „Love of the Common People“. Das hat in den 80ern Paul Young gecovert.

Paul Young? Das ist doch dieser Popper, oder?

Ja, genau der. Was ich immer schon mal fragen wollte: Was ist denn genau der Unterschied zwischen einer Dub-Version und einem Riddim?

Der Riddim ist erstmal nur der Basslauf– und drum ’rum wurden ganze Songs geschrieben, richtig schöne Songs. Ende der 60er, Anfang der 70er hat man, der Legende nach aufgrund von Studiofehlern, die Gesangsspur weggelassen, außerdem wurde die jamaikanische Musik langsamer, es gab mehr Platz in der Musik, das wurde dann mit Studioeffekten gefüllt. Drüber zu singen über bereits vorhandene Musik war ja im Reggae schon lange vorhanden, bevor es HipHop gab. Insofern ist Dub auch die Mutter aller Remixe. Und Dub war auch noch eine Ökonomisierung der Musik: Du musstest nur einmal die Musiker bestellen und konntest dann 30, 40 Singles mit ein und demselben Riddim füllen.

 

Exkurs „Fakten sind Terror“

Lang vergessene Berliner Neue-Deutsche-Welle-Band, die 1981 auch mal einen auf Dub machen wollte; heute klingt das für viele wieder unglaublich cool und wurde folglich vom Münchner Gomma-Label wieder ans Tageslicht gezerrt.

Geht das als Dub durch? Hmm, im Prinzip schon, aber … das kenn’ ich nicht, wo kommt ’n das her? Aus Hamburg bestimmt …

Das ursprüngliche Plattenlabel Konkurrenz [Release: 1981] zumindest. Die Band heißt Exkurs.

Supermax hätt’ ich jetzt eher getippt … [Anm. d. Red.: Seit 1977 existente funky Disco-Truppe um den Wiener Kurt Hauenstein]

Noch ein Wort zu Exkurs?

Der Riddim ist zu langweilig, der Mix auch …

 

Derrick Laro and Trinity „Don’t Stop Till You Get Enough“

In diesen Tagen (Wochen) kommt natürlich auch das Hörspiel nicht ohne den King of Pop aus.

[direkt nach dem Start] Das ist ein Michael-Jackson-Cover: „Don’t Stop Till You Get Enough“! Aber ich hab’ vergessen, von wem es ist …

Kannst du es denn geografisch eingrenzen?

Äh … New York?

Nein, Jamaika.

Zeig mal her: Ah, die Platte hab’ ich auch.

Noch ein paar Worte zu Michael Jackson? Magst Du Dich mit Roland Koch in die Reihe der Nachrufer stellen?

Nee … lass mal.

Der hessische Ministerpräsident und Black-Music-Lover hatte ja zu Jackos Tod die weisen Worte „Michael Jackson ist eine Musikfigur, die zu einer Kultfigur geworden ist“ gesprochen.

Ach ja, Roland Koch, der alte Rocker aus Eschborn, Punk Rock Town.

Er ist immerhin Rockmusik-Experte, seit er mit seinen Kindern bei einem Kelly-Family-Konzert war..

Kinder hat er auch? Dann muss er ja auch Sex gehabt haben … mag man sich gar nicht vorstellen.

 

Nostalgia 77 „Seven Nation Army“

Sehr soulige Version des White-Stripes-Fußballstadien-Brechers.

[guckt sehr lange sehr skeptisch] „Seven Nation Army“, das kenn’ ich in der Version der Dynamics.

Und wie ist das im direkten Vergleich mit dieser Version?

Mach mal ’n bisschen lauter … hmm … da gefällt mir die hier sogar noch besser.

Manche Reggae-Liebhaber, zum Beispiel Dein DA-City-Trommler Lolo Blümler, stehen Projekten wie den Dynamics, die Radiohits ins Dub-Soundkostüm packen, ja skeptisch gegenüber. Wie siehst Du das?

Wenn es gut gemacht ist, hat das durchaus meine Zustimmung. Bei den Dynamics sind die Songs aber zum Teil fünf bis sechs Minuten lang, die tragen es nicht immer über die gesamte Strecke … Aber sowas wie das hier, also soul- und funk-beeinflusste Reggaenummern, lege ich auch immer sehr gerne zum Tanzen auf.

 

The Slits „I Heard It through the Grapevine“

Der Inbegriff der feministischen Postpunk-Band mit einer B-Seite aus dem Jahr 1979 – ohne die Slits gäb’s zum Beispiel mit Sicherheit auch keine The Gossip.

[eifriges Kopfnicken …] Ja, schon, aber … Name Name Name? Es ist von Marvin Gaye, auf jeden Fall. Wurde auch von Creedence Clearwater gecovert [auf „Cosmo’s Factory“, 1970, Anm. d. Red.]. Der Gesang gefällt mir dazu aber nicht.

Das sind die Slits.

Ach, das sind die Slits? Für diese Zeit eigentlich coole Musik, aber würde ich jetzt nicht unbedingt auflegen. Ich hör’ mir immer gerne Reggae-Sachen aus anderen Ländern als Jamaika an, insofern ist das schon interessant, aber das war’s dann auch …

 

Fnessnej „Mann aus Frau“

Zum Abschluss: Das kunterbunte Postrockspielmobil aus der Darmstädter Knertz-Manufaktur.

Da fällt mir ein: neunziger Jahre, The Sea and Cake, Tortoise oder sowas. Oder Freiwillige Selbstkontrolle.

Ist aber ’ne aktuelle Darmstädter Band.

Mit den aktuellen Darmstädter Rockbands bin ich nicht so vertraut. Das ist ganz schön eigentlich, ich kenn’ aber die Band nicht.

Das ist Fnessnej.

Spielen die nur instrumental? Auf jeden Fall: Ein gutes Debut! [blättert aufmerksam im CDBooklet]

Wär’ doch mal was für dich zum Remixen, oder?

Ja, warum nicht …

 

Fazit:

Der Lemon-Peter kauft seine Zitronen also vorzugsweise in Jamaika, verschmäht aber auch die deutschen Kartoffeln nicht. Wenn’s dynamisch ist und der Riddim stimmt, darf auch der eine oder andere Klassiker geschlachtet werden, das sieht er nicht so eng – so lange man dazu tanzen kann.