Dass eine Darmstädter Band ihre Scheiben in England und Hamburg veröffentlicht, zahlreiche Auftritte in ausländischen Metropolen absolviert, eine Fünf-Sterne-Albumkritik nach der anderen bekommt… und in ihrer Heimatstadt dennoch höchstens den super-informierten Indie-Nerds ein Begriff ist, kommt höchst selten vor. Und deshalb ist es auch an der Zeit, dass sich dieser Missstand für das Quartett Like A Stuntman bald ändert. Ihr Indie-LoFi-Elektro-Baukasten-Stil ist einzigartig! Ihr neues Album „Original Bedouin Culture“ ist toll! Und Drummer Tobi Ullrich und Gitarrist/Sänger Sven Fritz, die für’s P auf dem Hörspiel-Sofa Platz nahmen, sind auch wirklich zwei Knuffis…
Lee Majors „The Unknown Stuntman”
Dieser Song, die Titelmelodie aus der in den 80ern allseits beliebten Fernsehserie „Ein Colt für alle Fälle“, gesungen vom „unknown Stuntman“ Colt Seavers himself, musste natürlich unbedingt als Opener gespielt werden …
Sven: Das find ich schon mal ziemlich unsympathisch … Ich war ja richtig erleichtert neulich bei einem Interview, das ausnahmsweise mal nicht auf dieses Lied oder die Serie anspielte.
Tobi: Da gab es öfter schon Zitate über Howie [Howie Munson, Colts Cousin und Co-Star der Serie, Anm. d. Red.] in CD-Reviews, aber unsere Bandnamensgebung hat da gar nichts mit zu tun.
Sven: Die meisten Leute nehmen den Bandnamen total wörtlich …
Tobi: … und erwarten dann auch, dass was Spektakuläres auf der Bühne passiert.
Sven: Bei einem Konzert im 603 ist mir mal ein Synthesizer von der Bühne ’runtergefallen. Das war’s dann aber auch.
Animal Collective „My Girls”
Ein Song vom aktuellen Album „Merriweather Post Pavillon” der US-Experimentalband, mit der die Stuntmänner schon das eine oder andere Mal verglichen wurden.
Beide: Ah … kennen wir doch …
Tobi: Animal Collective auf jeden Fall.
Sven: Das ist das erste Lied von der neuen … Also mir gefällt die Platte nicht so gut.
Tobi: War das nicht so ein Schnellschuss nach der „Strawberry Jam“?
Sven: Das ist eine Sammlung von Sachen, die sie in den letzten Jahren gemacht haben. Aber die ist komisch produziert, da fehlt der Schmiss …
Nervt Euch der ständige Vergleich mit Animal Collective?
Sven: Es ist ’ne gute Sache, aber nicht das Einzige, was wir gut finden. Wir haben zum Beispiel viel Beach Boys gehört in letzter Zeit.
Tobi: Der Vergleich liegt deshalb nahe, weil wir wie sie mit Soundschichten arbeiten. In diesem Bereich gibt es nicht so viel, und da landet man eben schnell bei solchen Referenzen, obwohl es zwischen uns und Animal Collective noch große Unterschiede gibt.
Depeche Mode „Something To Do (Metal Mix)”
Auch die größten Popstars haben mal ihre Avantgarde-Momente. In diesem Fall auf einer von Gareth Jones remixten 1985er-B-Seite.
Tobi: Das hat einen leichten Industrial-Einschlag, könnte auch so was Depeche-Mode-mäßiges sein.
Bingo!
Tobi: Das ist Depeche Mode?
Sven: Die Akkordfolge ist recht einfach.
Tobi: Es hat eine gewisse Gefälligkeit. Dir gefällt’s aber nicht so, oder?
Sven: Doch, doch, vor allem der Gesang gefällt mir gut.
Tobi: Der Gitarrist, der … Al Gore … äh Martin Gore, dessen Stimme gefällt mir besser, der ist noch ’ne Spur weinerlicher … Na ja, von Depeche Mode hab’ ich auch nur zwei Platten, und die eine davon ist die „Violator“, die ungefähr jeder zu Hause im Schrank hat.
The Fall „C.R.E.E.P.”
Da die Stuntmänner selbst vor Jahren einen Song von The Fall gecovert haben, lag jene Band fürs Hörspiel nahe. Und damit’s nicht zu einfach wird, gibt’s eine poppigtrashige Demo-Version.
Tobi: Casio? Woog Riots? [lacht]
Sven: Ich musste am Anfang auch an Casiotone For The Painfully Alone denken. Aber das hier ist definitiv älter.
Tobi: Boah … voll schwer!
Sven: Ich steh voll aufm Schlauch.
Habt Ihr ein paar Assoziationen?
Tobi: Hmm … gut gelaunte Cure? Oder verdammt gut gelaunte Fall?
Schon wieder richtig! Abschließendes Urteil zu The Fall?
Sven: Finden wir natürlich super … muss man ja gut finden, oder?
Tobi: Obwohl man sich nicht das Komplettwerk an einem Stück ’reinpfeifen kann.
Dark Night of the Soul „Little Girl”
Ein Stück von dem (angeblich) besten nicht erschienenen Album des Jahres: Danger Mouse (von Gnars Barkley) und Sparklehorse haben es mit dem Kult-Regisseur David Lynch und diversen Gastsängern (hier Julian Casablancas von den Strokes) zusammengestöpselt.
Sven [nach längerem Zuhören]:Klingt irgendwie nach den Strokes … oder Lou Reed, aber nicht so alt und verbraucht.
Tobi: Lou Reed ohne Drogen?
Sven: Das find ich ziemlich langweilig, muss ich sagen.
Tobi: Das Einzige, was mir bewusst von den Strokes untergekommen ist, war ein Bastard-Pop-Remix mit „Genie in a Bottle“. Bei den Strokes langt es eh nur für ’ne Best-Of-Single.
Das ist das neue, ominöse Projekt von Danger Mouse und Sparklehorse.
Sven: Da kenn’ ich das Lied mit den Flaming Lips, das find ich richtig gut. Aber das hier…
[Beide zeigen mit dem Daumen nach unten.]
The Human League „Dance Like A Star”
Ein Synthie-Stück aus der Zeit, als man diese Instrumente noch
selber löten musste.
Tobi: Geiler Synthie … na ja, mutig … Das klingt so britisch.
Sven: Und grob.
Tobi: Vom Pathos her schon Lou Reed. Aber der Akzent …
Sven: Das klingt total grob, das find ich schön, es hat ’was Schroffes.
Vielleicht kommen wir über die zeitliche Einordnung ’ran?
Tobi: Es passt in die No-Wave-Zeit.
Sven: Die Bass-Drum ist zeitlos … Ich find, es klingt gar nicht so alt …
Tobi: Aber der Synthie klingt eher nach 90ern.
Wie wär’s mit den 70ern?
Sven: Ich find’, das kann man überhaupt nicht sagen. In den 90ern wurden ja auch Sachen aus den 70ern recycled.
Das ist ein ganz frühes Stück von The Human League.
[Sie schauen dumm aus der Wäsche.]
Sven: Schreib’ bitte, dass wir dumm aus der Wäsche schauen.
Johnny Cash „Viel zu spät”
Wenig bekannter Fakt: Die spätere Country-Legende Johnny Cash war als Soldat in Landsberg am Lech stationiert – und konnte deshalb später auch das eine oder andere deutschsprachige Stück einsingen.
Sven: Johnny Cash!
Tobi [nach genauerem Zuhören]: Auf Deutsch?? Ich weiß nicht, aber auf Deutsch verliert es echt an Charakter … Das ist ja hart …
Sven: Klingt auch nach Roger Whittaker.
Tobi: … der hat aber auch Bush unterstützt …
Zu der Zeit, als diese Nummer aufgenommen wurde, war aber eher noch Eisenhower dran.
Sven [immer noch ganz versonnen]: Roger Whittaker – mein Vater hat den früher total viel gehört.
Tobi: Dafür hast Du Dich aber noch ganz gut entwickelt.
Fazit:
Okay, man muss auf der Bühne keine Explosionen liefern, nur weil man den Stuntman im Namen trägt, man kann auch einfach mal dumm aus der Wäsche schauen. Und wer so viele gute Assoziationen hat wie Tobi, der darf auch mal den ehemaligen US-Vize-Präsi mit dem aktuellen DM-Vize-Sänger verwechseln.