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Diesen Monat hat das P keinen coolen Gitarristen, keinen emsigen Deejay, keine extrovertierte Rampensau, keine introvertierte Singer-Songwriterin und keinen Heinerfest-Präsidenten ausgesucht, um sich quer durch den Musikgarten zu hören. Nein, diesen Monat ist mit Markus Hoffmann jemand dran, der sich selten auf der Bühne aufhält, jedoch fast immer in ihrer Nähe. Denn Markus hat in den letzten 15 Jahren schon Hunderte schöner, kleiner Independent-Konzerte in Darmstadt gebucht, betreut und abgemischt: Als Konzertgruppenmitglied der Oetinger Villa, unter dem eigenen Logo „Couchrock“ (welches für viele zu einem Qualitätsgaranten für anspruchsvolle Abendunterhaltung geworden ist).Perfide, wie wir sind, haben wir Markus mal ein paar Acts vor die Nase gesetzt, deren Gigs er organisiert hat. Mal sehen, ob er sich noch dran erinnert.

 

Kettcar „Deiche“

Die alten Grand-Hotel-van-Cleef-Hamburger, in ihrer punkigen Frühzeit, passend zur „Villa“. Heute sind sie eher die Indie-Rock-Liedermacher für die Centralstation.

Markus [hört interessiert zu, wippt mit]: Das ist Kettcar! Die ham mal in der Villa gespielt, inzwischen auf CDU-Parteitagen, hab ich erzählt bekommen. Ich mag die Stimme.

Vom Punk zum CDU-Parteitag?

Ja, oder wahlweise Hessentag. Irgendwann haben sie in die Villa nicht mehr reingepasst, 2000 haben sie noch dort gespielt, zwei Jahre später in der Centralstation. Bei „MTV Band Trip“ haben sie ja leider gegen Itchy Poopzkid verloren [das waren nicht Kettcar, das waren Madsen, Markus…,Anm. d. Red.].

 

Boxhamsters „Flöz & Pökel“

Die Vier aus Gießen galten als eine der wichtigsten und glaubwürdigsten deutschen Punkbands und waren in alternativen Läden und autonomen Zentren gern gesehen – bis Sänger Martin Coburger nach einem Konzert in Aurich 2005 der Vergewaltigung bezichtigt wurde. Internetquellen zufolge gab es sogar eine Strafanzeige, es kam jedoch zu keinem Verfahren und die Band äußerte sich nie zu dem Vorfall, was zur Folge hatte, dass das Thema in der Mainstream-Musikpresse weiträumig ausgeklammert wird, während die Hamsters bei großen Teilen der alternativen Szene nicht mehr wohlgelitten sind.

Markus [hört lange aufmerksam zu]: Die Boxhamsters… mit Frauengesang!

Ja, mit der Sängerin von Juli – die teilen sich wohl den Proberaum in Gießen.

Muss was Neueres sein…

Ja, das ist vom aktuellen Album „Brut Imperial“. Sind die Boxhamsters für die Darmstädter Clubs noch ein Thema?

Sagen wir mal so: Bei der einen oder anderen Fraktion in der Villa sind sie unten durch.

Ich sehe bei dem Umgang der alternativen Szene mit diesem Thema erstaunlich große Parallelen zum derzeitigen Krisenmanagement der Kirche – der Versuch, das Thema möglichst intern zu behandeln, die eigenen Strafmechanismen …

In gewisser Weise stimmt das. Die Konzertveranstalter sind da etwas reserviert. Andererseits: Bei dem Konzert im Schlachthof Wiesbaden haben ein paar vereinzelte Antifas Flyer verteilt und zum Band-Boykott aufgerufen, aber das war’s dann auch.

 

The Iditarot „Moonchild“

Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass alle Bands, die Markus veranstaltet, groß und berühmt werden wollen, müssen jetzt mal die obskuren amerikanischen Psych-Folkies rausgeholt werden, die 2002 unter dem Motto „The First International Darmstadt Acid Folk Carnival“ in der Oetinger Villa aufspielten – aus einem eigens mitten auf der Bühne aufgebauten Campingzelt.

Sind das Sebadoh?

Nein – sie haben schon in der Villa gespielt.

Daniel Johnston?

Nein – der hat aber nicht in der Villa gespielt, oder?

Nee … leider nicht.

Das sind The Iditarot – kannst Du Dich daran noch erinnern?

Ja, das war … äh … Anfang der 2000er –ein Festival mit drei, vier Bands … Drekka vom Blue-Sanct-Label war auch dabei.

Funktionieren solche Bands noch in der Villa?

Ja klar, muss. Man hat ja einen Auftrag, oder? Das hat sich bei mir persönlich aber insofern verlagert, als dass ich inzwischen ausgewähltere Sachen mache – nur noch ein Konzert im Monat. Der persönliche Spaß steht dabei dann mehr im Vordergrund.

 

The Legendary Pink Dots „Faded Photographs”

Noch eine Villa-Institution: die englisch-niederländischen Psychedelic-Schamanen, derzeit nur noch als Trio unterwegs.

Markus [beim Einsetzen des Gesangs]: Ah! Die Pink Dots! Alte Herren, die immer noch Musik machen und ungefähr 500 Alben ’raushaben. Die hatten gerade ihr 30-Jähriges!

Vor etwa drei oder vier Jahren waren sie das letzte Mal in der Oetinger Villa. Wird das nochmal was?

Klar. Wir haben viele Bands, die einen Fünf-Jahres-Rhythmus haben, EA 80 zum Beispiel. Knarf Rellöm, der einen Drei-Jahres-Rhythmus hat, wäre auch bald mal wieder dran.

 

Get Well Soon „Lifeguard Sleeping, Girl Drowning”

Das Biberacher Indie-Wunder-kind Konstantin Gropper covert Morrissey.

Fuck! Auch ’ne Villa-Band? Idaho ist es nicht.

Nee … ’ne schwäbische Band.

Monta? Nee? Aber grob in die Richtung!

Ein Tipp: Die Band hat immer einen Haufen Tasteninstrumente auf der Bühne …

Die Rockformation Diskokugel ist es aber nicht, oder?

Nein! Das ist Get Well Soon.

Ah ja. Neulich liefen sie bei den RTL-II-News als die neue deutsche Rockhoffnung … und 2006 haben sie in der Villa gespielt. Kurz vor dem Durchbruch!

 

Tom Liwa „Chasing Cars“

Der esoterischste aller großen deutschen Songwriter hat völlig überraschend (und sehr schön) die Hymne von Snow Patrol gecovert. Bekannt aus Funk und „Grey’s Anatomy“.

Ein schöner Song …

Der Sänger singt normalerweise in Deutsch. Er hat auch schon in der Villa gespielt.

Mist, das waren einfach zu viele. Hm … Tom Liwa? Verteilt der bei seinen Konzerten immer noch Räucherstäbchen? Nicht? Gut! Er war ’ne Zeit lang auf dem Eso-Trip, was streckenweise ziemlich hart war. Aber gute Texte! Lisa Freieck hat ihn mal in Basel supportet … was sehr nett war.

 

Egotronic „Ich hab Zeit“

Die Raver um Exil-Heiner Torsun sind derzeit wohl eine der Bands der Stunde – hier allerdings mit gesampelten Punkgitarren statt Bleeps und Clonks.

Ist die Vorgängerband vom Torsten von Egotronic? Der hat doch früher mal in einer Punkband gespielt. „Graue Zellen“ oder „Kalte Zeiten“ oder so.

Nee … das ist von der neuen Egotronic-CD.

Mit Gitarren-Samples? Gut, nicht immer dieser Bleep-Bleep-Sound. Seit zwei Jahren spielen sie auf den ganzen großen Festivals … zu Recht! Sie sind nämlich gar nicht so platt, wie sie sich im ersten Moment anhören.

 

Fazit: Fünf Treffer! Herr Hoffmann weiß also durchaus noch, wer schon auf seiner Couch gerockt hat. Und wenn die Damen und Herren Kultursubventionierer von der Stadt jetzt noch kapieren, dass ihre Centralstationen ohne die
Aufbauarbeit der kleinen Clubs nicht funktionieren, dann hat sich dieses Hörspiel schon gelohnt.