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Foto: Jan Ehlers

Dino Procacci sollte dem geneigten Darmstädter Musikliebhaber noch als charismatischer Gitarrist bei hoch geschätzten Combos wie den Strawheads, Molly Unemployed und zuletzt Candyjane & The Desert Plants bekannt sein. Seit ein paar Jahren ist er eher im Hintergrund, aber dafür umso umtriebiger aktiv, nämlich als Produzent für die früheren  P-Hörspiel-Gäste Pornophonique und als DJ Procacci, der auch famose eigene Mash- Ups produziert und auflegt. Der Mann sollte also wissen, was beim Hörspiel läuft, oder?

 

Jackson Five „I Want You Back (Z-Trip Remix)“

Moderner Remix des frühen Soulklassikers von Michael und seinen Brüdern.

Dino: Ah… kenn’ ich… Jackson Five, das Lied sag’ ich Dir gleich. Ich bin immer ganz schlecht drin, mir Titel zu merken. Dazu hab’ ich sogar ’nen Mash-Up gemacht! Wie heißt der denn?

„I Want You Back“. Hat sich für Dich als Discjockey denn eigentlich die Michael-Jackson-Hysterie bemerkbar gemacht?

Direkt nach seinem Tod wurde ich häufiger gefragt, ob ich ihn mal spiele. Ich leg’s aber sowieso gerne auf, auch „Beat It“ oder „Don’t Stop ’Til You Get Enough“.

 

Queen „Flash“

Die ebenso pompöse wie durchgeknallte 1980er-Hit-Single aus dem Soundtrack zu einem zurecht vergessenen
Science-Fiction-Film.

Queen? „Flash Gordon“! Die schlechteste Queen-Platte aller Zeiten! Seit Schulzeiten bin ich großer Queen-Fan, aber die haben für mich 1981 aufgehört zu existieren. Den Film haben wir 14-Jährigen uns natürlich damals im Kino angeschaut – war auch cool damals. Aber spätestens nach „Under Pressure“ 1982 wurde es ganz schlechter Mainstream. Die Platte davor, mit „Another One Bites The Dust“, da sind noch ein paar ganz nette Songs drauf, ansonsten sind für mich Queen die Siebziger. Musikalisch bin ich stark geprägt von Queen. Es gab Zeiten, in denen wurde ich dafür auch sehr schräg angeschaut. Naja, in den Achtzigern war das auch gerechtfertigt. Zu Queen gibt’s auch eine berühmte Karolinen-Flohmarkt-Szene.

Ich weiß, ich war dabei. Ein kleiner Junge wollte sich im Beisein seiner Mutter die „Flash“-Platte zulegen und Du hast Dich eingemischt mit den Worten: „Entschuldigen Sie, Madame, aber die Platte ist bockschlecht!“. Statt dessen haben die beiden dann aber „A Kind of Magic“ von 1986 gekauft…

[schaut betroffen]: Oh, okay … Aber da ist auch ein guter Song drauf: „Hammer to Fall“ [knapp vorbei, Dino – der ist auf „The Works“ von 1984], aber die besitze ich gar nicht.

 

Rod Stewart „Shake“

1966 hat „Rod the Mod“ zwar auch schon Soulsongs – in diesem Falle von Sam Cooke – gecovert, aber er war noch Lichtjahre von seinem würdelosen Alterswerk entfernt, das auf hr1 rauf- und runtergedudelt wird.

Geiler Drumsound! Ist das Tom Jones?

Nein. Aber er hat mit ihm gemeinsam, dass sie beide in den Achtzigern ziemlich schlecht geworden sind. Es ist Rod Stewart

Oh Gott! Für mich ist der Mann nur „I Am Sailing“. Aber das hier ist ’ne geile Nummer. Ich mag auch diesen Big-Band-Sound. Auch liebe ich obskure Coverversionen, zum Beispiel die deutsche Version von „These Boots Are Made For Walking“ von Eileen. Ich mag den Moment, wenn die Leute im Publikum die Songs erkennen, dann aber irritiert sind, wenn der deutsche Gesang einsetzt.

 

Phil Collins „Papa Was a Rolling Stone“

Definitiv der Mann mit den meisten absolut-definitiv-letzten Abschiedstouren des Rockbusiness, seit letztem Jahr wieder unterwegs mit einer Reihe Coverversionen von Motown-Soul-Hits.

Das ist „Papa Was A Rolling Stone“, aber das ist nicht die Temptations-Version.

Genau, aber welche?

James Last? [lacht] Undisputed Truth? Die haben davon auch mal ’ne Version gemacht.

Ich sag mal nur so viel: Es ist Stimme, die Du schon häufig im Radio gehört hast – jede Wette!

Hmm … George Michael hat’s auch schon gecovert.

Noch ein Tipp: Ist eigentlich ein Schlagzeuger.

Ach, dann ist das Phil Collins! Ja, der ist auch so ein Thema bei Ich mag frühe Genesis, ich mag seinen Schlagzeug-Stil, aber er hätte nie anfangen dürfen, Schlager zu singen. Irgendwann war er dann nämlich das englische Pendant Roland Kaiser. Aber alle zwei Jahre hab ich die Phase, wo ich mir die alten Genesis-20-Minuten-Epen anhöre und mit Ralf Silber von Milton Fisher „Supper’s Ready“ trällere.

 

Nina Simone „Here Comes the Sun“

Eunice Kathleen Waymon, Hohepriesterin des Soul und eine der wichtigsten Jazz-Sängerinnen überhaupt, mit einer schönen, entspannten Beatles-Coverversion von 1971.

[singt von Anfang an mit]: „Here Comes The Sun“…

… in der Version von?

Nina Simone! Die hab’ ich sogar, die Platte: „Here Comes The Sun“, die hat so einen orangenen Kreis auf dem Cover.

Das wird die Sonne sein.

Da könntest du Recht haben. Die hab’ ich mir vor allem wegen „O-o-h Child“ gekauft. Total geile Nummer! Ja, Nina Simone, ganz, ganz, ganz groß wegen „Young Gifted and Black“, ganz wichtig für die Afro-Amerikaner. Sie wollte da ein politisches Statement machen, es fiel ihr aber schwer, Worte zu finden, deshalb bat sie Weldon Irvine einen Text drauf zu schreiben. Der hat auch selbst tolle Funkjazz-Platten gemacht. Vor wenigen Jahren hat er Selbstmord begangen.

 

Gil Scott-Heron and Jamie XX „New York Is Killing Me“

Der alte amerikanische Hip-Hop-Vorreiter-Dichter-Soul-Musiker-Politaktivist und der junge englische Indie-Elektro-Popstar basteln gemeinsam freshe Beats.

[nach drei Sekunden]: Ah, Gil Scott-Heron – für mich eine der Platten des Jahres 2010… das ist aber der Remix von Jamie XX. Das ist dieser Dubstep-Sound, das passt nicht ganz. Scott-Heron ist ein Gigant für mich. Ich finde auch, dass er ein großartiger Pianist ist. „The Bottle“ ist ein Riesenhit von ihm, er spielt ein tolles E-Piano. Viele denken ja, er würde nur Spoken Word machen …

... weil sie nur sein „The Revolution Will Not Be Televised“ kennen …

Dabei ist er ein ganz toller Musiker. Also: Ich find’ diesen Remix schlecht, im Original ist das ’ne Riesennummer!

 

Adriano Celentano „24.000 Baci“

Jede Menge Küsse von dem italienischen Elvis-Fan, Sänger, Entertainer, Schauspieler und Ex-Hula-Hoop-Tänzer, der bereits im September-Hörspiel des letzten Jahres einen kleinen Gastauftritt hatte.

Jetzt wird’s sehr schmalzig [runzelt die Stirn]. Ist das Spanisch?

Nein, Italienisch …

Aber nicht Celentano, oder?

Doch!

Mit meinen Italienisch-Kenntnissen brauchen wir jetzt nicht anfangen. Ich hab’ zwar einen italienischen Vater, bin aber sehr deutsch aufgewachsen. Was singt er da? 24.000 Küsse, ah ja. Italienische Musik interessiert mich nicht so. Celentano ist ja in Italien ein Superstar. Hierzulande ist die Wahrnehmung auf seine Komödien verengt. Dabei gibt es sehr gute Sechziger-Jahre-Nummern von ihm. Es ist schwer, den nicht zu mögen, aber ich kann nicht wirklich viel mit ihm anfangen.

 

Fazit: Eine sehr interessante Musikstunde mit einem Gastprofessor, der viele Songs erkannt und mit Gratis-Hintergrund-Infos veredelt hat – und dann noch zielsicher eine kleidsame Trio-Single aus dem Schrank zog. Schick!