Foto: New York Wannabes
Foto: New York Wannabes

Zwei Neujorker, die gar keine sind, bringen seit einiger zeit Darmstadts Garagen mit minimalistischem Straßenköter- Blues zum Funkeln: Sänger und Gitarrist Jörg „Lucky“ Wilbert, der einst die Teenage Mafia anführte, und seine Lebensgefährtin Sue Hoffmann an den Drums waren schon bald nach ihrer Gründung europaweit unterwegs und kamen ganz knapp vor dem P-Hörspiel von  Konzerten im „Big Apple“ zurück. Grund genug, sie gleich einmal auf die Probe zu stellen: Wie gut kennen sie die Stadt, deren Namen sie tragen?

 

Cat Power „New York, New York“

Das von Fred Ebb und John Kander komponierte Titellied des gleichnamigen Films wurde vor allem dadurch weltbekannt, dass es Frank Sinatra von 1978 an bei jedem einzelnen seiner Auftritte sang. Die amerikanische Sängerin Cat Power reanimierte und dekonstruierte diesen Standard 2008.

Sue: Fängt gut an …
Lucky: Das könnten die Detroit Cobras sein.
S: Ah… „New York, New York“!
L: Das lief in New York sogar in genau dieser Version in einer Bar, die war aber furchtbar. Das geht ein bisschen in Richtung von dem, was Sade in den Achtzigern gemacht hat: Easy listening,  Barmusik. Das ist gut im Flugzeug, zur Beruhigung bei Turbulenzen.
S: Wie bei unserem Rückflug gestern: Da mussten wir uns eine Stunde lang anschnallen – da hätte man den Song gut gebrauchen können.

 

The Ramones „53rd & 3rd”

Berühmt-berüchtigter Song vom ersten Ramones-Album, über eine berühmt-berüchtigte Straßenecke in New York.

S.[zu L.]: Kennst’es nett? Das hast Du mir sogar auf ’ne Cassette aufgenommen.
L: Ja … ’ne new Yorker Band, aus Queens … „53rd Street”. Pass auf, der spielt uns nur Songs über New York vor. Bei dem Song ging’s um einen Stricher, an der Straße stand nämlich zum Beispiel das eigene Bandmitglied immer ’rum [Dee Dee Ramone finanzierte sich dort in den mittleren Siebziger Jahren seine Drogenabhängigkeit, Anm. d. Red]. ich muss ja aufpassen, was ich hier sag, das wird vom Kossi [berühmt-berüchtigter P-Kolumnist und Ex-Bandmate von Lucky] mit Argusaugen beobachtet. An der Straße sind wir auch ausgestiegen, da geht’s nämlich zum MoMa [Museum of Modern Art].

 

New York Dolls „Subway Train“

Vom 1973er-Debüt-Album der Proto-Punk-Band um Sänger David Johansen und Gitarrist Johnny Thunders.

L: Die Art, Gitarre zu spielen, sagt mir was. Das können nur die New York Dolls oder Johnny Thunders sein.
S: Vielleicht ist’s ja auch eine Coverversion?
L: Nee … die schlampige Art, Gitarre zu spielen, ist eindeutig Thunders: Ich sag, es sind Johnny Thunders & the Heartbreakers!

Nein, es sind die Dolls.

L: Wirklich? Komisch – ich hab den Song untypischerweise an der Gitarre, nicht am Gesang erkannt. Ich hab aber auch wirklich extrem viel Ramones gehört, dafür nicht so viel New York Dolls. Das klang mir immer zu sehr nach einer Stones-Kopie.

 

Grandmaster Flash & The Furious Five „The Message“

1982 veröffentlichte der Grandmaster auf „Sugar Hill Records” den ersten sozialkritischen Hip-Hop-Track überhaupt.

Lucky [bevor der erste Rapper loslegt]: Das ist kein echtes Schlagzeug. ist das Grace Jones? „I’m not Perfect“?

Nein.

S: Nee, das ist keine Frau. ah – „it’s like a jungle“!
L: Das kenn ich! hundert mal gehört – nie reagiert!
S: Auf jeden Fall weiß man, worum’s geht… um DIE Stadt.
L: Ist das tone-loc? Mc Hammer? Kool & the Gang? Public Enemy?

Nein – das ist Grandmaster Flash.

L: Zu dem Lied hat zu Zeiten, als in Darmstadt um ein Uhr noch Sperrstunde war, jeder getanzt.

 

The Velvet Underground „I’m Waiting for the Man”

1967, als die Band um Lou Reed ihr Debutalbum veröffentlichte, konnte man diesem Klassiker zufolge an der Ecke Lexington/125. Straße offenbar noch für 26 Dollar Heroin kaufen.

L & S: Ah, wie geil! „Waiting for my Man“ von Lou Reed. Äh … Velvet Underground.
L: Gut, dass Du mich an den Song erinnerst. Den wollte ich Sue immer schon vorschlagen, …
S: … als Zugabe zu spielen.

Kennt Ihr die besungene Straßenecke?

L: Ja, da waren wir auch: Wir wollten eigentlich zur 110th Street, die aus dem Bobby-Womack-Song [„Across 110th Street“, Tarantino- Fans kennen das Stück aus „Jackie Brown“.], aber der  Express-Train fuhr durch zur 125. . Da will keiner freiwillig hin. In New York ist es zum Teil wirklich so, dass es auf der einen Straßenseite ganz normal aussieht – und „across“, auf der anderen Seite, fängt das totale Ghetto an.

Wo habt Ihr eigentlich in New York gespielt?

L: Im „Blue Monday“ in Brooklyn …
S: … und in „Otto’s Shrunken head“ [einer Tiki-Bar in der Lower East Side].
L: Wir haben dort einen Regisseur aus Brooklyn getroffen, der am nächsten Tag gleich auf unserer Facebook-Seite gepostet hat, dass er einen Song von uns in einem seiner Filme verwenden will. Der macht uns reich und berühmt – und ich bin nicht mal in der GEMA.
S: Unsere Freunde sagen jetzt bestimmt alle, dass wir dem zehn Dollar gegeben haben, damit der das postet.

Und sonst? Habt Ihr irgendwelche Promis getroffen?

L: Ja, mit einem Schauspieler aus der Motorradfahrer-Fernsehserie „Sons of Anarchy“ haben wir einen Burger gegessen – der sah auch noch ganz genau aus wie in der Serie.

 

The Crystals „On Broadway”

Zum Abschluss noch ein Song, den von Nancy Sinatra bis George Benson schon jeder gesungen hat. Diese Fassung des von Barry Mann und Cynthia Weil in Kooperation mit den Elvis-Hitschreibern Leiber/Stoller verfassten Evergreens ist veröffentlichungstechnisch die Originalversion. Es geht natürlich um den berühmten Trampelpfad, den „breiten Weg“.

S: Das ist doch auch ein Cover, oder?
L: Das ist bestimmt ’ne schwarze Girl Group … erst dachte ich an Nancy Sinatra.

Die hat den Song auch gesungen, aber nicht diese Version. Der Produzent ist vermutlich bekannter als die Interpretinnen.

L: Das ist der Typ, der gerade wegen Mordes ins Gefängnis gekommen ist, äh… Phil Spector. Der hat auch mal die Ramones produziert. Die wollten abreisen, weil er deren Gitarristen gezwungen hatte, sechzig Mal das gleiche Riff zu spielen. Aber Spector hat sie daran gehindert, indem er sie mit einer 38er bedroht hat.

Habt Ihr noch eine abschließende Botschaft an die P-Leser?

S: Macht uns berühmt!
L: Genau: hört Euch den heißesten Scheiß von Darmstadt an!

 

www.newyorkwannabes.bandcamp.com